-1) Akteneinsicht: Über Bande

Es ist nie zu spät, Reue zu zeigen und sich an den Rand der Selbstanzeige zu bringen.

Dieser Beitrag führt mich zurück in die Mitte der achtziger Jahre, lass es 1988 gewesen gewesen sein oder so. Und da der Beitrag zeitlich vor dem >Prolog zur Reihe „Akteneinsicht“ liegt, bekommt er die Nummer -1, ein Prequel quasi, das machen Drehbuchschreiber auch hin und wieder, wenn ihnen nach Drehschluss noch was einfällt. 

Wie es sich für junge Staatsbürger der DDR gehörte, waren die meisten von uns bei den Pionieren organisiert. Man hätte sich auch dagegen wehren können, aber nun ja … hätte hätte Halstuchkette. Aber das war nur die offizielle Organisation, so „richtig“ organisiert war man nur in einer „Bande“, etwas später dann auch „Gäng“ genannt. Eine handvoll Jungs, die sich die Treue schworen und fortan füreinander da waren, um durch dick und dünn zu gehen.

Und wie es sich für gut erzogene Jung-/Thälmann-Pioniere gehörte, gab es bei uns auch schnell ein Statut und eine Gruppen-Kasse, bei der immer unklar blieb, was mit den Beiträgen eigentlich geschah, nachdem sie beim Treffen vor dem Schulhof vom Banden-Chef kassiert wurden. War ich Banden-Chef, nein das widerspricht meinem Naturell, vielleicht war ich der eher „Stabs-Chef“ oder die „Strategie-Abteilung“ … dafür hatten wir aber noch keine Wörter parat.

Die Alltagsbeschäftigung unserer Bande bestand nicht daraus irgendwelche Gangster zu jagen, denn die gabs es damals nicht. Wir hatten andere Aufgaben:

  1. Über die Hinterhöfe ziehen, Heimlich rauchen, Cabinet, Club, F6, Alte Juwel, je nachdem was Väter oder ältere Brüder der Gang-Mitglieder so im Schrank liegen hatten.
  2. „Spicken“ spielen, so nannten wir das Spiel mit Taschenmessern, die man dem Gegenüber vor die Füße in den Boden warf … und hoffentlich nie die „eigenen“ guten Turnschuhe traf. Denn das hätte Ärger gegeben.
  3. Zündplätzchen im Zauber-oder Spielzeugladen auftreiben, dann draußen sofort mit Kronkorken oder Glasscherbe zünden.
  4. Modell-Flugzeuge mit „Duosan“ (Flüssigkleber) füllen, dann noch 3-4 mal tief einatmen … genießen … bevor man die Konstruktion anzündete und im hohen Bogen in die Luft warf oder vom Balkon kippte.
  5. Aus Lockenwicklen, Fingern von Gummihandschuhen und Panzerband eigene Katapult-Geschosse bauen, mit denen man Erbsen auf Tauben oder Passanten schoss. Das tat weh … ehrlich gesagt.
  6. Einen Flummi auf die große Kreuzung werfen und zusehen was geschah. Mit Flummi‘s musste man aber sehr haushalten, die gab es nicht an jeder Ecke. Diese Aufgabe wurde dann oft dem Bandenmitglied mit Westverwandschaft übertragen.
  7. Münzen oder Steine auf die Gleise der Straßenbahn legen und hoffen, dass sich ein toller Funkenflug ergibt oder eine platte Münze.
  8. Das Tarifsystem im Berliner Sport-und Erholungszentrum (SEZ) mit Wellenbad austricksen, mit dem wir länger als die normalen zwei Stunden bleiben konnten (ich meine das war eh nur ein Eintritt von 1,70 Mark … aber von „nüscht kommt nüscht“).
  9. Am Nachmittag auf der sogenannten „Titten-Wiese“ herumlungern. Eine Liegewiese im SEZ-Park, auf der sich viele Damen sehr freizügig der sozialistischen Sonne und ihrem Lauf hingaben.
  10. … und ja, wir haben den schmächtigen D. in eine Mülltonne gesteckt. Das tut mir heute noch Leid.

Nun, das ist sicherlich nichts, worauf man groß stolz sein sollte. ABER: wir haben uns eigentlich nie ernsthaft mit anderen gekloppt, es gab keine Bandenkriege und wenn mal einer am Boden lag, war halt Schluss.

In dem Sinne. Schluss.