394) Besuch aus Indien 5 – Realitäten

Wie schon in >Teil 4 angekündigt, habe ich für die Reise mit „meinem Inder“ alle möglichen deutschen Verkehrsmittel vorgesehen … denn das sorgt immer für Erlebnisse. Wenn hier jemand neu dazu gekommen ist und sich fragt, was es denn nun mit „meinem Inder“ auf sich hat, dann vielleicht besser bei >Teil 1 starten.

Aber hier nun, wie besprochen, ein paar Highlights der letzten Woche: 

  • Amal … so nennen wir ihn heute mal … und ich überqueren eine große Straße in der Nähe unserer Wohnung. Auf einmal springt die Fußgänger-Ampel von grün auf rot. Er zuckt zusammen, schaut panisch links und recht und drängt vorwärts. Ich beruhige ihn. Denn hier steht es ausnahmsweise mal 1:0 für Deutschland, bei uns erreicht man die andere Straßenseite meist noch lebend … selbst wenn das Licht auf rot springt.
  • Am Sonntag versuchen wir unsere Koffer an der Gepäckaufbewahrung des Nürnberger Bahnhofs unterzubringen. Großartig. Er mit seinem Riesen-Koffer, ich nur mit ein paar Münzen in der Hosentasche. Kreditkarte hätte ich zwar … aber der Kofferautomat … will nur deutsche Taler. Passend. 3 EUR each.
  • Wir irren durch den Münchener Ostbahnhof. Die Angaben in der MVG-App stimmen nicht ganz mit den Anzeigen im Bahnhof überein und ich bin etwas „lost“, muss mich auch erst etwas orientieren. Amal wird etwas unruhig und fragt mich doch glatt „Couldn’t we just ask the Station Master“. Da musste ich im kurz erklären, dass man in diesem Land erst einmal grundsätzlich alles selber macht. Denn wenn du einen Station Master suchst … und dann vielleicht findest … versteht der eh nix oder … ist nicht zuständig.
  • Der Bahnhof Marienplatz ist groß … und unterirdisch. Wenn man halbwegs zielgenau an die Oberfläche will, wird man mit Buchstaben für die Ausgänge konfrontiert und mit Straßennamen … die mir aber herzlich wenig sagen. Amal zeigt auf einen roten Knopf an einer MVG-Sprechsäule und fragt „May I push this one“. Wie in Zeitlupe werfe ich mich vor die Säule und sage „Nooooooo, don‘t push that …“. Zum Glück drückt er nicht. „We will find our way, trust me Amal. In Germany … Amal … you do all yourself … never ask another … you know … as already said“.
  • Spätestens ab Dienstag mag ich die MVG-Tickets nicht mehr für uns beide zahlen. Da werde ich ja arm bei. Ich überrede ihn, eine Streifenkarte zu kaufen, die kann er über die Firma abrechnen. Er wackelt nett mit dem Kopf und fragt …
    Er: „And how does it work?“
    Ich: Ähm, you know … you have 10 Streifen … stripes I mean … you need 2 stripes for long distance in M-Zone, but only one stripe for short trip … and short trip means 2 Stops with S-Bahn oder U-Bahn, but 6 Stops with Bus or Tram … but only one direction … no round trip … which is similar to Berlin … but more expensive … and then they have Zones … which you need to consider and count on the „Streifenkarte“ before you enter the Station … and then you fold it that way … and push it into the … don’t know the name actually …, stamping machine … and they know that you payed and then you … just need … to … .
    Ich: Can you follow me?
    Er: Not really
    Ich: I see
    Er: And how do I put it in?
    Ich: Na ja, with the stripe to the top … you know … because the stamp comes from the top … most of the time … at least as I did it last time.
    Er: Ok. Got it.
    Ich: I mean the Streifenkarte is actually a cool thing, because you just need … one paper … and then you can … ahhh forget it.
    Er: Say again please.
    Ich: Not relevant, forget please. But if you want to go to the Airport, you need seven of the Streifen, because you pass Innercity-Zone M, plus further 5 Zones. Got it? And don‘t leave at „Flughafen Besucherpark“, never! Stay on Train until Flughafen/Airport until all other travelers leave the train…
    Ich fühle mich so schlecht.
  • Noch viel schlechter fühlte ich mich Freitagmorgen, Samstag und Sonntag.
    Eigentlich wollte ich ihn Freitag 06:30 in die S8 zum Flughafen München setzen, damit er seinen Flieger mit viel Puffer 12:00 nach Frankfurt schafft. Auf der Anzeige war aber „Flughafen“ durchgestrichen und zeigte nur „Johanneskirchen“ an … worauf ich ein paar Stationen mitfuhr … mit dem Plan B im Kopf, ihn notfalls entlang der Strecke in ein Taxi zu setzen, um dann zurück zu meinem ICE in Richtung Berlin zu gurken.
  • Um es kurz zu machen.
    Die Deutsche Lufthansa hat ihn in München schmoren lassen, wie ein Chicken-Curry, worauf er erst drei Stunden später in Frankfurt landete und sein Flieger nach Indien dann doch nicht mehr warten konnte. Gegen 15:00 Uhr war er am LH- Serviceschalter, gegen 20:00 hatte er die Hälfte der Schlange geschafft, gegen 22:30 Uhr lag er mit neuem Ticket in den Händen, in einem Overlay-Hotel in Niederrat …, um dann am Sonntag mit erneut 2-ständiger Verspätung endlich abzuheben.
  • Und der Knüller? 
    Die Kranich-Air hat den Koffer verschusselt…
    Ich geh‘ kaputt…
    Da schimpf mal noch einer auf die Bahn. Mach‘ ich nicht mehr.

<— Besuch aus Indien 4 – Perspektiven

Ende der Reihe

392) Besuch aus Indien 3 – Pläne

Und wieder beginne ich provokativ mit: „Mein Inder kommt!“. Wer das irgendwie anmaßend findet, sollte zunächst >Teil 1 lesen, da erkläre ich die Hintergründe und wie das bitte zu verstehen ist. Also heute gibt‘s Beitrag No 3 zum Besuch aus Indien … der hier bald aufschlägt.

Ich bin noch immer nicht ganz fit, aber es ist kein Covid wenn man all den Selbsttests glaubt, sondern vermutlich ein Best-Off-Berlin-Grippe-Erkältungs-Mix. Aber trotzdem bin ich natürlich vorbereitet. Wäre ja gelacht. Denn ich liebe Pläne!

Pläne und Realitäten:

Am Tag seiner Ankunft werde ich ihn am Flughafen abholen und dann fahren wir „Berlin-style“ mit den Öffi‘s nach Berlin Ostkreuz, dann steigen wir in die Ringbahn und dann düsen wir noch ein paar Stationen mit der Tram zum Hotel. Und schon sind wir da … und dann hat er Prunk und Ekel Berlins gesehen, hunderte Graffiti, ebenso viele Irre, Spinner und Individualisten.
—> Ok, ich hole ihn mit dem Auto ab.
Might be better.

Dann setze ich ihn beim Hotel ab, da kann er sich frischmachen, während ich die Karre nach Hause bringe und ihn dann wieder abhole. Dann haben wir noch 3 Stunden, in denen wir durch die Ost-City stromern können. Mittlerweile haben wir zwar 1°C hier, es ist eigentlich immer dunkel und größtenteils … ekelig. Aber wir ziehen das durch. Schlafen kann er im Flugzeug! Und zieh’ dich warm an! Hab’ ich ihm gesagt.
—> Ok, ich schaue erst einmal ob die Maschine überhaupt pünktlich landet und wie denn unser Hightech-German-Koffer-System am BER den Nachmittag geplant hat und ob die Super-Baustelle „Brücke Treptow“ uns überhaupt über die Spree lässt.
Might be better.

Aber nach dem City-Walk, da … da … gehen wir zünftig Deutsch essen. Muss er ja schließlich mal kennenlernen, oder? Schnitzel, Kassler, Sauerkraut, Brauhaus, Curry-Wurst … Bierchen. Ach nee. Geht ja nicht. In seinem Fall kein Schweinefleisch und wenn Fleisch, dann nur Halal. Ich lese besser noch mal nach.
—> Ok, wir suchen uns was Arabisches.
Might be better.

Und ich „Deutscher“ ging da sogar noch hin und fragte wirklich noch mal nach:

Ich: „Tach‘chen“
Kellner: „Hallo“
Ich: „Ich kriege einen Gast aus dem Ausland … sagt mal … ihr macht doch hier alles … Halal … oder? Ihr wisst schon …“
Kellner: „Selbstverständlich, alles Halal. Immer. Wieviel Personen?“
Ich: „Warte mal… ähm … habt ihr auch eine Karte auf Englisch?“
Kellner: „Nein, aber wir haben immer jemanden hier, der English spricht. Kein Problem.“

Wie peinlich 😉

Ich klopfte mit der flachen Hand auf den Tresen.
„Jungs ihr macht das schon … hier bin ich richtig. Wir kommen!“

<— Besuch aus Indien 3 – Pläne

385) Besuch aus Indien 2 – Bahnticket

Ja, mein Inder kommt! Ich freue mich. Hintergründe hatte ich in >Teil 1 erklärt.

Also ich will mit … nennen wir ihn heute zunächst Nilay … von Berlin nach München reisen.
Hatte kurzzeitig überlegt ob wir uns ein Auto nehmen, aber dann müsste ich fahren, wäre aber zum Quatschen nicht zu gebrauchen und es gäbe das Risiko von schlechtem Wetter. Also mit der Bahn. 

Und damit wir noch was erleben, will ich in Nürnberg stoppen, für Burg, Altstadt und Christkindlmarkt. Während Nilay also noch in Bangalore sitzt, öffnen wir zeitgleich das Firmenreiseportal, dass uns letztlich nach zwei Eingabemasken auch zu bahn.de weiterleitet.

Und los geht es:

Ich: Please select from „Berlin“.
Er: Done.
Ich: Good, now please select to „Nürnb …“.
Er: How is that spelled please?
Ich: Ähm. Well, I mean … just … N-Ü- … Forget it, I’ll copy that into the chat.
Er: Thanks, done.
Er: Sorry there is a message saying „Your input yielded several possible stops. Please select the desired stop.
Ich: Grmpf.
Ich: Please show me. Ah, they want to know the station. Please type in H-A-U-P-T-B-A-H-N-H …“
Er: Sorry. Cannot find. They only have HBF.
Ich: Great, select this. It means „Mainstation“ … ähm … „Hauptbahnhof“
Er: Sorry, say again please.
Ich: Forget it, just select „Äitsch-Bii-Äff“.
Er: But … ok .. done.

Wir gaben die Abfahrtszeiten ein, es geht voran.

Er: What is „Bahncard 25“? And „BahnCard 50“? There is even more to select. What shall I do?
Ich: Forget it
Er: Ok … and 2nd Class … really? Can I choose this? Is that good?

In meinem Kopf entstehen Bilder von seinem Kopf, indem wiederum Bilder von überfüllten Indischen Bahnen entstehen.
Ich: All good. Do it. We all do that!

Auf der nächsten Seiten wählen wir dann die Uhrzeit, das geht ganz gut
Dann kommt die Seite mit den Tarifen … oh je … Spar, Flex, Business …
Dann Eingabe der persönlichen Daten wie Name, E-Mail, Telefon … etc
Dann Sitzplätze nebeneinander …
Dann Zahlungsmittel, Bonusprogramme, Gutscheine, …
Dann City-Ticket, Versicherung, Print, App, Navigator usw. …

Nach einer halben Stunde hatten wir endlich unsere Tickets im E-Mail-Eingang.

Ich: And now once again from … Nürnberg to München.
Er: How is that spelled? Don’t we meet in Munich?
Ich: Wait, I’ll copy that into the chat.
Diesmal waren wir etwas schneller

Er: Just, received my confirmation!
Ich: Cool
Er: Cannot read it. Seams to be German.
Ich: Ignore it, just print it.
Er: Don‘t have a printer here. I usually don‘t print. I mean … I can go to a service nearby … if needed.
Ich: No issue, just send me that.
Er: By the way, which seat did you select?
Ich: Seat? Shit!
Er: Sorry?
Ich: Forgot to click the option
Er: Oh …
Ich: Yes, oh. Let me see what I can do.

Um es abzukürzen, letztlich konnte ich mir noch einen Sitzplan neben Nilay ergattern. Die Bahn hat mich nicht im Stich gelassen. Nun muss sie nur noch pünktlich kommen. 

Denn sonst komme ich in Erklärungsnot.

PS: bitte nich als Gesprächsprotokoll lesen, sondern als unterhaltsame Erinnerung an eine Stunde „Extreme-Train-Booking“ 😉

<— Besuch aus Indien 1 – Intro

—> Besuch aus Indien 3 – Pläne

384) Besuch aus Indien 1 – Intro

Ja, es ist bestätigt! Mein Inder kommt!

Nein, ich bin nicht übergeschnappt, keine Sorge. Aber solch reißerische Schlagzeilen ziehen heutzutage einfach mehr, sieht man ja überall 😉

Um es gleich klarzustellen, der junge Mann „gehört“ natürlich nicht mir. Nein, der Kollege arbeitet für mich und mein Team und er kommt Mitte Dezember nach Deutschland, so dass wir uns nach Jahren das erste Mal persönlich treffen werden. Und das ist natürlich super-aufregend für ihn (der weite Flug, das Wetter, das Essen, die Kultur), aber auch für mich und meine Familie, denn ich möchte ihm neben der reinen Arbeit auch einiges von unserem Leben hier zeigen.

Und ich habe da so die leise Ahnung, dass aus der gemeinsamen Zeit im „kalten“ Deutschland auch Stoff für meinen Blog herausspringen wird. Dabei soll es gar nicht so sehr um ihn gehen, ich will mich nicht über ihn lustig machen. Auf keinen Fall. Es soll um uns Deutsche und unsere Spezialitäten gehen … und da kann man ich mich gern lustig machen;-) 

Also was habe ich vor?

Ich habe mir überlegt, dass ich Situationen kommentieren will, in denen wir zusammen auf „typisch deutsche“ Situation treffen. Ich will mir seine Augen und Ohren leihen und mir dann überlegen, vielleicht auch fragen, was er in dem Moment wahrnimmt. Das werden bestimmt mal lustige Momente sein, sicher auch Pannen oder Irritationen, Missverständnisse vielleicht. Wer weiß, was in der Woche alles passieren wird.

Beispielsweise habe ich vor ein paar Tagen mit ihm zusammen eine Fahrt mit der Deutschen Bahn gebucht. Er saß in dem Moment in Bangalore und ich in Berlin. Wir wollten zwei Plätze nebeneinander bekommen. Ein Erlebnis. Aber das werde ich im nächsten Beitrag berichten und dann schauen wir mal, was sonst noch draus wird 😉

Bis dahin kann ich mir noch überlegen, untern welchem Pseudonym ich ihn führe. Vielleicht nehme ich einfach jedes Mal einen anderen Indischen Vornamen 😉

Namaste …. Kumar!

—> Besuch aus Indien 2 – Bahnticket 

70) Postkarte vom Berliner Herbst

Berlin ist nicht nur laut, dreckig, arm, sexy … und grau. Nee, Nee. Berlin gibt‘s auch in Farbe … 😉

Ohne viel Worte heute, denn heute Abend habe ich beim Inder einen Pakistani angequatscht und wir fanden sofort ins Gespräch. Also haben haben wir Telefon-Nummern getauscht und werden uns noch mal zum Essen treffen. Er war sehr glücklich, überhaupt mal angesprochen zu werden. Die Berliner gehen immer so auf „Distance“… oh man.

Schöner Moment, so einfach könnte das alles sein.

Grüße aus der Hauptstadt

T.

61) Postkarte aus Indien … gestern vor 3 Jahren

Gestern vor 3 Jahren stand kurz nach 04:00 Uhr ein Taxi vor der Tür. Es brachte uns zum Flughafen Tegel und dann ging es per Flieger weiter via Paris nach Indien. Anlässlich dieses „Jubiläums“, mit 500kg Fernweh im Brustbeutel und nach 2 Jahren Voll-Homeoffice habe ich mir alle Beiträge wieder durchgelesen und möchte sie gern noch einmal teilen.

Blick zurück: Wieder ein paar Tage in New Delhi, aufregende Autofahrt zum Taj Mahal und ganz „besonders“ wieder zurück, emotionaler Besuch unseres Patenkinds im Süden Delhis und zum Ende das familiäre „Abhängen“ in Goa.

Alles sehr kompakt, wenig Zeit, aber für uns in Familie sicher eine ganz besondere, intensive Reise an die wir oft zurückdenken. Beim erneuten Lesen stelle ich fest, dass ich eigentlich noch einen Indischen Besen fressen müsste. Aber wo krieg ich den denn her? Ich meine, Indische „Budda“ gibt‘s in jedem Kühlschrank der Asia-Märkte hier, aber Indische Besen … das ist nicht so einfach. Ohne Besen nichts gewesen, oder?

Aber lest selbst. Schön war‘s und wenn es nach mir ginge, würde ich 2023 gerne wieder hin. Wer kommt mit?

Hier noch einmal meine Postkarten vom Indien-Trip in 2019. Einfach Bild oder Titel klicken:

13) Postkarte vom Taj Mahal

Gestern ging es für uns nach Agra. Die Stadt an sich ist in Europa wohl weniger bekannt, aber seine Hauptsehenswürdigkeit,…

14) Postkarte aus Delhi

Bevor wir Delhi wieder verlassen, möchte ich schnell noch eine Postkarte verschicken. Wie immer bei meinen Postkarten, soll es kurz…

15) Postkarte aus Goa 1

Dieses Ostern 2019 verbringen wir in Goa. Zeit für eine erste Postkarte, die wie immer, auch Nachdenkliches und Skurriles enthält.…

16) Postkarte aus Goa 2

Bevor uns der Alltag zurück nach Deutschland befehlt, bleibt noch Zeit für eine zweite Postkarte aus den Tropen. Von Strand…

17) Postkarte aus Goa 3

Indien, in unserem Fall Goa, bietet so viele Eindrücke, dass ich noch genug Stoff für eine dritte Postkarte von hier…

45) Postkarte aus Indien

Karfreitag. Schon 07:00 Uhr wach. Corona. Na großartig.Was kann man anstellen an diesem pandemischen Feiertag? Fenster putzen? Steuererklärung vorbereiten? Ablage…

—> Noch mehr Postkarten gibts hier 😉

59) Postkarte vom Chandni Chowk

Heute probiere ich mal etwas Neues aus. Ich verschicke rückwirkend eine Postkarte von einem Ort, den es heute nicht mehr gibt. Zumindest nicht so, wie er Jahrzehnte war und so wie er in zig Reiseführer als „must visit“ eines jeden Delhi-Besuchers einzog.

Aber der Reihe nach. Neulich war ich beim Inder um die Ecke, der Laden nennt sich Chandni (Mondlicht). Und als das Curry weggeputzt war und im Hindergrund Boolywood-Musik schmetterte, drifteten meine Gedanken zum Chandni Chowk in Delhi ab. Einer der verrücktesten Straßen der Welt und gleichnamigen Viertel drumherum. Zu Hause angekommen bemühte ich die Datenkrake nach ein paar aktuellen Bildern von dort und traute meinen Augen nicht. Sie haben es wirklich getan. Sie haben die Chandni Chowk Road, eine der abgefahrensten Orte, in eine Fußgänger-Zone verwandelt. Ich rede hier nicht von München, Stuttgart oder Leipzig, sondern von Delhi. Old-Delhi.

In 2015 zum Beispiel war ich vor Ort und da war alles noch ganz „normal“. Das Gewusel in der Chandni Chowk Road, lässt sich ohne Geräusche, Gerüche und Temperatur kaum beschreiben. Es ist proppenvoll. Menschen, Hunde, Kühe, Affen und Krähen wuseln durcheinander. Genauso wie Fahrrad-Rickshaws, Auto-Rickshaws (a.k.a. Tuk Tuk) Mopeds, Fahrräder und Autos. Ständig hupt irgendwer und Musik tönt aus den Geschäften. In den Shops wird alles Mögliche verkauft, Leder, Gewürze, Musik, Technik. An Fußweg und Straßenrand macht jeder seine Geschäfte, da wird gebettelt, der nächste macht ein Nickerchen, manch einer wacht nie wieder auf, Tagelöhner bieten ihre Dienste an, Hunde liegen mittenmang und es besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, dass man in eine tiefe Pfütze von … man will es nicht wissen … tritt. Biegt man in den Gassen zwei, drei mal ab, fühlt man sich schnell verloren, biegt man zu oft ab, ist man als Bleichgesicht auf einmal ganz allein und fragt sich, ob das nun die beste Idee war. Die Bausubstanz rundherum ist marode, die Elektroleitung hängen kreuz und quer über die Straße, Werbetafeln kaschieren den Verfall. Hier ein paar Bilder aus 2015.


In 2019 war der Anblick schon anders. Natürlich wollte immer noch jeder Geschäfte machen und  es gab junge Typen, die meinten, wir sollen da bloß nicht alleine rein, es sei viel zu gefährlich. Er könne uns aber führen. Was für ein Zufall. Ich lehnte dankend ab. Es war immer noch riesiges Gewusel, aber es gab mehr Freiräume und erste Baustellen. Ich vermutete zunächst Kanalarbeiten oder so etwas.

Dann trafen wir auf diese Informationstafel, sie deutete schon an, dass hier ganz große Dinge geplant sind. Aber so etwas wird dort häufig geplant und dann dauert es weitere 100 Jahre, bis das Vorhaben abgeschlossen ist.

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Aber nun haben sie echt Ernst gemacht. Sie haben den Verkehr anscheinend verbannt und aus rotem Sandstein eine Fußgänger-Zone gebaut. Da wo früher ein „Grün“streifen mit Zaun war, stehen jetzt Pflanzenkübel und Poller. Rein optisch gesehen, passt das jetzt besser mit dem Red Fort zusammen, welches gegenüber steht und mit großer Indien-Fahne auf sich aufmerksam macht.

Laut >Times of India vom 28. Juli 2020 wartet der neue Chandni Chowk mit folgenden Highlights auf:

  • 1) All the electricity wires will be moved underground, which is commendable.
  • 2) The 1.3 km stretch will be a non-motorised zone from 9 AM to 9 PM.
  • 3) The decoration work will be done keeping Mughal architecture in mind.
  • 4) To give it a Mughal-era feel, the place will be decorated with 175 red sandstone planters.
  • 5) The new Chandni Chowk will also have 250 moulsari trees.
  • 6) There will be LED lighting.
  • 7) After the completion of revamp work, Chandni Chowk will become the first region in Delhi, restricted only for pedestrians, cycle rickshaws and e-rickshaws.
  • 8) To accommodate 2300 cars, a multilevel parking facility is being constructed by the North MCD near Gandhi Maidan.
  • 9) Chandni Chowk makeover project is costing around 90 crore.
  • 10) Rehabilitation on ancient sewer lines is also a part of the project.

Hier ein paar >Bilder bei Google, wie es da wohl heute aussieht. Und hier dazu noch >ein Video bei http://www.thehindu.com

Wirklich beachtlich und Respekt, dass sie das durchgezogen haben.

Aber ich glaube, sie haben den Chandni Chowk kaputt gemacht …

—> Weitere Postkarten gibt‘s hier

204) Corona-Lektionen 85

Ist da draußen eigentlich noch Mai oder schon Oktober. Schwer zu sagen. Aber alle sprechen über die Sommerferien, also muss demzufolge ja Mai sein.

Ein paar Gedanken der letzten Tage:

Öffnungen
Gestern krochen wir aus dem Höhlen-Office und trafen ein anderes Höhlen-Pärchen in einem hippen Stadtpark mit 49-er Inzidenz. Geblendet von Frühlingssonne und Multi-Kulti-Testosteron, waren unsere Schritte dort noch etwas ungelenk. Schnell trafen wir auf einen frisch wiedereröffneten Biergarten, dessen Eingang mit zig Verhaltensregeln beschriftet war. Registrierung per App, Corona-Test (max 24h alt), etc. Wie ein paar verpickelte Teenager standen wir also vor dem Tor und waren unsicher, ob wir denn „da schon rein dürften“. Völlig vergessene Gefühle des „Verbotenseins“ und des „Erwischtwerdens“ meldeten sich aus der Bauchgegend. Halbgeimpft und ungetestet, aber auch Freiheitsliebend und durstig, fassten wir aber Mut und schritten selbstbewusst auf die Schenke zu. Wenig später saßen wir mit Faßbier und Premium-Veggie-Pizza in der Kreuzberger Sonne und sprachen über die Zeit seit unserem letztem Treffen im Oktober. Nicht ganz korrekt, mag sein, aber richtig und wichtig! Liebe Grüße an der Stelle!

Reisen
Sonne, Urlaub in der Ferne … hätten alle mal gerne. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendeinen Newsletter mir Reisebezug kriege. Die Staatslinie der Österreicher verspricht mir „Frizzante und einen g‘schmackigen Schwammerlgulasch“, eine „zünftige Brettljause“ oder gar einen „Apfelstrudel“ über den Wolken. Beim deutschen Meilensammler kann ich bis zu „40% sparen und ab 18.000 Prämienmeilen Hin-und Rückflüge buchen“. Im Reisezeitraum 2021 erhalte ich sogar „doppelt soviele Statusmeilen wie bisher“. Aber welches „bisher“ meinen die eigentlich? Das “bisher“ der letzten 15 Monate oder das „bisher“ vor Corona?

Indien
Während wir uns die Augen reiben, wie zügig die Zahlen nun runtergehen, sieht‘s anderswo auf der Kugel noch sehr schlimm aus. Ich bin täglich mit Kollegen aus Indien in Kontakt und pflege auch private Kontakte in den Subkontinent. Mangelnde Versorgung mit Krankenhausbetten und Sauerstoff, überforderte Verbrennungsstätten, hohe Neuinfektionen … und die hohe Dunkelziffer von der doch alle ausgehen. Übel. Nun könnte man meinen, ist doch egal, ist ja weit weg und solange der Indische Food-Fahrer mit dem lustigen Turban noch die warmen Pizza-Kartons vor die Tür stellt ist hier doch alles prima. Denkste! Es ist eine „Pan“demie, dass heißt sie muss auch „pan“bekämpft“. Wer denkt, „nach Indien und Afrika wollte ich eh nicht reisen“, der hat zu kurz gedacht und wir werden auch in Europa das Virus nicht so schnell los.

Ich muss Schluß machen, denn der Sohn ruft. 

„Papaaaaaaaa, du glaubst es nicht! Da sind Menschen im Stadioooooooooon“

Schöne Pfingsten … und übertreibt‘s nicht!
T.

<— Corona-Lektionen 84

–> Corona-Lektionen 86

194) Corona-Lektionen 80

Der 80. Beitrag dieser Serie, … nun ja, … was gibt’s neues? Nüscht! Nur Höhlen-Office, ein paar Besorgungen und ein regelmäßiger Blick aufs Thermometer.

Der Frühling kommt nur in kleinen Dosen. Und zwar gut gekühlt. Wir sollten ihn besser zuteilen … priorisieren sozusagen.

Ein paar Gedanken der letzte Tage:

Notbremse
Ein Bundesgesetz regelt nun diverse Dinge bei Erreichen bestimmter Inzidenzen. Für uns hat sich rein gar nichts geändert. Aber es ist eine großartige Errungenschaft, dass man nun bundeseinheitlich bis 00:00 Uhr joggen kann. Allein. Mich würde ja echt mal interessieren, welcher Kreis das nun wieder durchgedrückt hat. Jetzt mal Hand aufs Sportler-Herz. Wart ihr das? Geht Ihr echt um 23:00 Uhr allein joggen … 

Schule
Das große Kind darf wieder in die Schule gehen. Nach unglaublichen 18 (!) Monaten war ihre Klassenhälfte nun wirklich dran. Ich hatte ja schon Wetten angenommen, dass das vor den Sommer-Ferien nicht mehr klappt. Kurzzeitig überlegte ich, ob wir wohl ihre Schultüte noch irgendwo herumzuliegen hatten. Die hätten wir ihr mitgeben können. Aber diesen ironischen Spaß hätte man wohl missverstanden. Aber so ist das nun mal mit ironischen Statements inmitten angespannter Pandemie-Situation. Sollten man vorher drüber nachdenken. Seitenhieb … Video-Künstler … ihr wisst schon.

Indien
Der ein oder andere weiß, dass ich regelmäßig mit Indischen Kollegen zu tun habe. Natürlich sprechen wir schon ein ganzes Jahr über Corona. Lockdown, Einschränkungen, die Schule der Kinder und so weiter. Seit ein paar Tagen komme ich nun aber an die Grenzen meines Englisch- Wortschatzes. Und zwar wenn sie aus erster Hand berichten, was da aktuell los ist. Wenn Sie erzählen, dass Familienmitglieder in Krankenhäusern liegen (… wenn sie Glück haben …) oder schon „passed away“ sind. Dann sprechen sie weiter von „Oxygen-Shortage“, „lack of ICU“ und … cousin … nephew … mother in law … und so weiter. Dann kriege ich kaum ein Wort über die Lippen. Was soll ich da sagen?

Und dann fragen sie mich, was hier so läuft …

Frohes Nachdenken allerseits
T.   

<— Corona-Lektionen 79

—> Corona-Lektionen 81

45) Postkarte aus Indien

Karfreitag. Schon 07:00 Uhr wach. Corona. Na großartig.
Was kann man anstellen an diesem pandemischen Feiertag?

Fenster putzen? Steuererklärung vorbereiten? Ablage machen? Schlitten und Eiskratzer verstauen? Smartphone upgraden? Bilder sortieren …

…und ein bisschen zurückdenken … oh ja!!!

Ein Jahr zurück? Nee, bloß nicht!
Zwei Jahre zurück? Schon viel besser.

Anfang April 2019 bildeten sich in der Wohnung diverse Stapel, die sich immer dann bilden, wenn es auf Reisen geht. Klamotten, Dokumente, Reiseführer, Technik, Sonnenschutz und so weiter. Denn es sollte nach Indien gehen. Mit Kind und Kegel.

Ich habe für euch ein paar Bilder aus Delhi, Agra und Goa ausgesucht, die mal aus anderer Perspektive aufs Land schauen.

 

Gandhi ist überall …

 

Verkehr gibt es reichlich …

 

An Kultur und Geschichte mangelt es auch nicht …

 

Und so lässt es sich aushalten 😉

Die anderen Postkarten dieser Reise: