170) Heute schon gegendert?

In den letzten Monaten fällt immer mehr auf, dass nicht nur das Corona-Virus die Bühne beherrscht, sondern auch die neuen gendergerechten Formulierungen immer mehr in den Vordergrund drängen. Oder gedrängt werden. Wie man‘s nimmt.

Gendern? Manch einer fragt sich, was das sein soll. Nun, zunächst ist das Denglish und geschieht immer dann, wenn man meint, dass eben gerade der Strom weg war oder ein Redner dessen Zunge bricht.

Zum Beispiel, wenn von Ministerpräsident_Innen oder Schüler*Innen oder Kund:innen die Rede ist. Oder von Lehrer/In oder Lehrer/in. Man ahnt es schnell. Es entwickelt sich eine Wissenschaft.

Aber wie kam es dazu?

Vor Jahren hat man uns beigebracht, neben der männlichen auch die weibliche Form zu nennen. Also z.B. „Liebe Wähler und Wählerinnen“ oder „Sehr geehrte Bürgerinnen, sehr geehrte Bürger“. Das verlängerte zwar die Ansprache, aber es war verständlich und wertschätzend. Es hatte aber einen Haken. Es setzte voraus, dass sich die Welt in Männlein und Weiblein einteilen lässt. Und das ist nicht immer so und kann sich auch mal ändern. 

Dann wurde das „diverse“ Geschlecht erfunden. Man suchte also fortan Busfahrer (m/w/d) oder Bio-Chemiker (m/w/d). Aber auch hier steckte wieder ein Problem drin. Die zweitgenannte fühlt sich benachteiligt und die geschlechtlich bi-polaren fanden sich in der Schublade der „Sonstigen“ wieder Auch nicht gerade nett.

Dann fing man an, der direkten Bezeichnung auszuweichen. Man sprach dann von „Radfahrenden“, „Zufußgehenden“, „Lehrenden“ und „Lernenden“. Das nennt sich dann „Partizip“ und macht es aber auch nicht einfacher, speziell bei den vielen englischen Begriffen im Alltag wie z.B. Manager, Blogger, Talkmaster, Coach oder User. Und es macht es auch alberner, finde ich. Demnach gehöre ich mittlerweile zu den „Nichtrauchenden“ und „Joggenden“.

Macht‘s das nun besser? Führt das wirklich zu mehr Geschlechtergerechtigkeit? Ich habe da so meine Zweifel. Wenn ich früher sagte, „ich gehe mal zum Bäcker“ oder „ich habe ein Termin beim Zahnarzt“, war mir doch völlig Wurscht ob da eine Dame oder ein Herr auf mich wartete. Wenn ein Bürgermeister, seine „Bürger“ angesprochen hatte, dann hat der doch nicht automatisch alle Frauen ausgeblendet. Das glaube ich nicht. 

Ich glaube, um so mehr wir unsere Sprache verbiegen (…teilweise sogar müssen), um so mehr verunsichert das die Leute. Und es schafft Unterschiede im Kopf, die ich nie erwogen hätte. Geschlechtergerechtigkeit, Chancengleichheit und Equal Pay müssen doch von Herzen kommen, nicht über hohle Worte. Und wenn sie das nicht tun, wird das über eine gekünstelte Sprache nicht besser. Vielleicht über sehr lange Zeit, aber nicht in einer Generation.   

Sehe ich das nur als „Kerl“ so emotionslos, weil ich ja schon immer direkt angesprochen wurde. Mache ich mir das vielleicht zu einfach? Was fühlen die weiblichen Leser dabei?

Also liebe Leser und Leserinnen, liebe Bloggende und SurferInnenundAußen, wenn ich hier mal etwas nachlässig beim korrekten Gendern meiner Texte bin, fühlt euch bitte nicht diskriminiert. Mein Blog ist offen für alle Menschen, ob Mitglied oder ohne (frei nach Udo Lindenberg) … 😉

Spannendes Thema, oder? Das gibt‘s sicher viel zu diskutieren. Bei der Gelegenheit kann ich einen Gastbeitrag von Sabine hier empfehlen >> Zum Gendern

(Titelbild geknipst in Schweden 2017 … weiß aber nicht mehr wo)

138) Von der Rolle – Teil 1

Wie soll ich den Beitrag nennen? Vielleicht „Rollenbilder“? Oder „Rollenklischees“? Ach ist ja auch Wurscht, kann ich später immer noch entscheiden.

Sarah von https://mutter-und-sohn.blog hat vor kurzem einem Beitrag über antiquierte Rollenbilder veröffentlicht und wir hatten ein paar Kommentare dazu gewechselt. Am Wochenende drauf fiel mir eine Werbebeilage eines Kücheneinrichters in die Hand.

Ich blätterte und wunderte mich:

Seite 1: Eine Frau sitzt mit hohen Hacken gegenüber dem Induktionskochfeld und zeigt ihre hübschen Zähne, der Mann gegenüber gießt ihr ein Glas Wasser ein.
Die Küche bleibt kalt. Laaaaaaangweilig aber na gut, die Küche kostet schlappe 10.000 EUR, da gibts erst mal für längere Zeit nur Wasser.

Seite 2: Ein Mann schneidet Baguette in Scheiben, ihm gegenüber am Tresen steht sein Kumpel mit einem Glas Rotwein in der Hand.
Eine teure Küche kaufen und dann nur „Brot und Wein“ kredenzen. War ja nicht anders zu erwarten. Typisch Mann.

Seite 3: Ein Mann in frischen Jogging-Klamotten hält vier halbe Limetten über einen Mixer. Weitere Limetten liegen griffbereit, aber sonst keine Zutaten.
Was macht der da? Haut der sich jetzt vor dem Joggen einen Caipi rein? Oder wird das ein Vitamin-Drink?

Seite 4: Zwei Pärchen amüsieren sich beim Kochabend. Die zwei Kerle mit Dreitage-Bart freuen sich drollig, ihre Augen glänzen, denn es gibt gleich Essen. Die Dame des Hause hat opulent gekocht, ist aber sonst nur verschwommen von hinten zu sehen, während sie die Teller übers Kochfeld reicht.

Seite 6: Eine Mama sitzt mit zwei Kids am Küchentisch, die Kuschel-Teddies helfen mit, den Salat und Blumenkohl zu schnippeln. Ein Mann ist nicht zu sehen.
Mal wieder typisch, der ist bestimmt beim Fußball.

Seite 8: Die Dame des Hauses trägt superhohe Schuhe und nimmt sich ein Glas aus den oberen Fächern. Wieder kein Kerl weit und breit zu sehen.
Und weil die Dame so „groß“ ist, gibt’s die Arbeitsplatte auch 90 cm hoch.

Seite 9: Das Töchterchen packt Geburtstagsgeschenke aus, Mama holt die Muffins aus dem Backofen und freut sich tierisch. Papa is’ schon wieder weg.
Oder war noch nie da. Schwer zu sagen.

Alles in Allem ein vernichtendes Bild für die Herren. Einerseits schäme ich mich, andererseits fühle ich mich auch diskriminiert! Ich bin weit häufiger in der Küche zu sehen und kann auch mehr, als Wein einschenken. Bei mir gibt‘s mindestens noch Käse dazu 😉

Seite 10: Die Krönung! Ein einsamer Typ steht in einer Single-Einbauküche. In Army-Hose und Schlabber-Pulli lehnt er da am Koch-Möbel und schneidet gedankenversunken eine Zucchini (!) 

Hah! Auf der letzten Seite bringen sie nun den Quoten-Mann. Und der ist so anders. So nett. So weich. Kein Alkohol, kein rohes Fleisch. Sondern Zucchini!!!! 

Da bin ich ja ganz von der Rolle.

—> Von der Rolle – Teil 2