335) Soweit alles gut!?

Ihr kennt das sicher auch. Da hat man seit Längerem mal wieder Kontakt zu jemandem, den man 1 oder 2 Jahre nicht mehr gehört hat und dann kommen euch Fragen wie diese entgegen:

  • Und, sonst alles ok?
  • Wie geht‘s euch denn so?
  • Wie ist es euch ergangen?

Ich hatte neulich so eine Kommunikation, aber um ihm das alles zu erklären, hätte ich Stunden gebraucht, also antwortete ich ganz kurz mit:

„Soweit, alles gut.“

Kurz danach habe ich mich etwas über meinen Satz „geärgert“. Denn es ist ja nicht alles gut und besonders die letzten zwei Jahre waren doch kein Spaziergang.

Also warum habe ich das so kurz abgetan?

  • War ich einfach zu faul, das ausführlicher zu beschreiben? Hatte ich keine Lust, das alles noch einmal zu sagen, zu schreiben, hochzuwürgen?
  • Vielleicht hielt ich es auch für eine Small Talk-Floskel, bei dem der/die andere nicht wirklich eine Antwort erwartet?
  • Möglicherweise war da auch eine Bescheidenheit im Spiel, andere Leute nicht noch mit unseren „Sorgen“ zu belämmern?
  • Oder ist es einfach genau so wie ich es geantwortet habe? Es ist gut. Ja „Gut“. Kein „Ja geht so“, kein „Man wurschtelt sich so durch“, kein „Na ja, könnte besser sein“, sondern einfach „Gut“. Wir sind gesund, haben keine nennenswerten Schäden erlitten und fliegen demnächst in den Urlaub, also was will man mehr?

Ist in der Retrospektive auf einen Zeitraum meistens alles gut? Auch wenn einzelne Tage oder Krisen in dieser Zeit, alles andere als „Gut“ waren. Übertünchen wir Menschen die Vergangenheit gerne mit einem „Gut“-Filter? Und was heißt „Gut“ überhaupt? Ist „Gut“ vergleichbar zu einer Schulnote 2,0? Oder ungefähr 80% von “amazing“ und „awesome“ oder vielleicht sogar 180% im Vergleich zu einem Familienvater aus Burkina Faso oder Luhansk?

Und jetzt mal angenommen, es ist wirklich alles „Gut“ aktuell, was würde ich ihm in einem Jahr antworten, wenn wir wieder Kontakt haben? 

Soweit, alles gut?

163) Zeit 2

Neulich hat die Sanduhr des Brettspiels den Geist aufgegeben. Sie verlor Sand. Also Zeit für die Spieler. Und nur während des Spiels. Die Zeit um uns herum lief ja weiter.

Ein schöner Anstoß, um mal etwas über die Zeit nachzudenken:

Häufig ist uns Zeit zu knapp bemessen. Dann hetzen wir von A nach B, versuchen noch die Bahn zu bekommen oder pünktlich zu einem Termin zu erscheinen.

Sportler und Logistikunternehmen werden sogar dafür belohnt oder bezahlt, dass sie für ihre Aufgabe so wenig Zeit wie nur möglich benötigen.

Häufig ist die Zeit ausschlaggebend für das Ergebnis. Denken wir an verbrannten Kuchen, labbrige Pommes oder Zeitschinderei beim WM-Finale.

Manchmal haben wir kurzfristig zu viel Zeit. Meistens dann, wenn wir auf irgendetwas warten und uns nicht beschäftigen können. Statt sie zu genießen, wird sie dann zur Qual.

Im gleichen Moment rennt sie anderen davon, wenn sie schwerkrank wissen, dass sie ihre Augen bald für immer schließen werden und sich vielleicht nicht einmal verabschieden können. Ein furchtbarer Gedanke. 

Die Ökonomen haben die Zeit sogar dem Geld gleichgesetzt, so dass alles, was irgendwo unproduktiv herumsteht (sei es Mensch oder Material) Geld kostet und ausgemerzt werden muss. Ganze Berufszweige verbringen damit Zeit und verdienen wiederum ihr Geld, um diese Sekunden zu finden.

All die Menschen, die aktuell nicht arbeiten können, haben unerwünscht zu viel Zeit. Während Mieten, Pachten und Gehälter weiter gezahlt werden müssen, fehlt es nun an Einkommen und es geht ihnen an die Substanz.

Ob man verlorene Zeit wieder aufholen kann, wird sich noch zeigen. Kann man doppelt so viel ins Kino gehen, verreisen und im Hotel übernachten? Wird im nächsten Jahr über Tag und Nacht Theater und Geige gespielt? Siehe auch Beitrag >Postpandemische Belastungsstörung

Aber selbst wenn man Geld wie Heu hat, kann man sich Zeit nicht erkaufen. Man kann zwar Leute beschäftigen, um währenddessen etwas anderes tun zu können, aber wirklich mehr Zeit entsteht ja dadurch auch nicht. Der Tag hat weiterhin 24 Stunden.

Zeit wird immer nur „weniger“, sie nimmt nicht zu, oder? Man kann nicht mehr Zeit generieren, es sei denn man fliegt von Tonga nach Samoa, aber dann musst du unbedingt rechts lang fliegen, sonst machst du sogar noch Miese, oder? Und du müsstest in Samoa bleiben, darfst nie wieder zurück.

Also, es wird Zeit, ich muss weiter.

Euch eine schöne Zeit!

Macht was draus.