84) E-Roller

„Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten“.

So ähnlich soll es wohl der chinesische General Nun Tsu formuliert haben.

(Später hat er dann ein Videokonferenzsystem erfunden. Der allbekannten Hinweis „Mach mal Zoom zu ist an seinen Namen angelehnt und den kennt seit der Pandemie ja nun wirklich jeder.) 

Aber ich schweife ab. Den „Feind studieren“, darum soll es gehen. Und genau das ging mir durch den Kopf, als ich dem Stammhalter vorschlug, mal gemeinsam eine Runde mit einem E-Roller zu drehen. Das erste Mal hatte ich mich hier im Sommer 2019 > 47) E-Sharing-Wahn darüber aufgeregt.

Hier meine Experience:

Na klar, die App runterladen und sich so ein Ding schnappen, ist natürlich verlockend. Die Roller sind stabiler, als ich dachte. Nur das Signalisieren des Abbiegens ist bei so einer schmalen Lenkerstange nicht ganz easy, aber ich glaube mit dem Problem, bin ich in Berlin eh allein. Die meisten haben ein Handy in der Hand, da bleibt keine mehr fürs Handzeichen frei.

Auf glatten Straßen rollen die echt gut. Auf Berliner Pflaster wird man ordentlich durchgerüttelt. Die Beschleunigung ist supi, man hat zwei Bremsen und ’ne Klingel. Man ist dem Boden viel näher als auf einem Fahrrad, das hat schon seinen Charme. Man steigt schneller auf und ab, und es gibt keine Sattelstange wie beim Herrenrad. Trägt „Mann“ mal einen Anzug oder „Frau“ einen Rock oder Kleid, ist das definitiv praktischer, als einen Fahrradsattel zu besteigen.

Aber ein Schnäppchen ist es nicht:

18 Minuten für 5,60 Euro ist ein Wort. Und Kalorien verbrennt man auch keine.

Fazit:

Gar nicht soooo schlecht. Vielleicht mal für kurze Strecken oder zur Überbrückung zwischen ÖPNV und Ziel. Besonders dann, wenn man sich auf dem eigenen Fahrrad nicht wieder mit den ganzen Fahrrad-Rambos anlegen will.

Aber jetzt ist Schluss mit dem Lob.

Jetzt wird wieder gemeckert, schließlich sind wir in Berlin:

Du dämlicher Hornochse. Haben sie dir ins Gehirn geschissen? Warst du in der Schule Kreide holen, als das Wort Rücksicht besprochen wurde?

Wie blöd muss man eigentlich sein, seinen Roller nach der Miete mitten auf den Gehweg zu stellen? Ich meine, Ich kann da beim Joggen noch drüberhüpfen, nehme das sportlich. Aber hast du schon mal Menschen gesehen, die mit Sonnenbrille und weißem Stock durch die Stadt laufen? Oder andere, die auf eigenartigen Sitzmöbeln mit Rädern hocken. Gibt’s vielleicht nicht in deinem TikTok-Feed, aber hier im Viertel durchaus.

Vollidiot, Kackbratze, Honk, Pfeife, Vollpfosten, Knallcharge, Hirnkasper, Tütenkasper, Flachpfeife, Hackfresse, Dumpfbacke, Hirni, Dämlack, Trottel, … ich könnte noch weitere aufzählen … ist schon interessant wieviel Wörter es in der deutschen Sprache für solche Knalli‘s gibt, wird wohl einen Grund haben …

51) Bake Bake Radspur

Backe Backe Kuchen, habe ich selber im Sandkasten gesungen. Meine Kinder auch.

Liebe Städte, oder ihr Orte, die ihr mal Städte werden wollt, der neueste Scheiß kommt aus Berlin! Total heiß. Der letzte Schrei aus dem Mobilitätskonzept unseres Senats.

  • Ganze Auto-Spuren wegnehmen für die Fahrräder? Schnee von gestern.
  • Auch wenn im Winter keine Sau drauf fährt? Schreit kein Hahn mehr nach.
  • Die neu gewonnen Radspuren grün anmalen? Auch schon wieder ein alter Hut.
  • Die Stadt mit Fahrrad-Müll zustellen?  Is‘ auch schon Retro.
  • Mit rollenden Batterien durch die City brettern? Schon völlig normal.

Nee, Leute. Der neueste Trend nennt sich Protected Bike Lane.
Zitat http://www.morgenpost.de vom 23-05-2019:

Die Anlage von sogenannten „protected bike lane“ (kurz: PBL) ist ein aus Nordamerika importiertes Konzept, mit dem Kommunen schnell und kostengünstig Platz für komfortablen Radverkehr schaffen können. Dabei wird in der Regel dem Autoverkehr eine Spur weggenommen – und darauf ein mindestens zwei Meter breiter geschützter Radfahrstreifen angelegt. Durch bauliche Barrieren (zum Beispiel durch Poller) wird die Radspur vor dem Überfahren und Zuparken durch Autos geschützt.

Aha.

Wir hier, in der Hauptstadt, wir nageln jetzt also tausende kleine Baken auf die Straße und die Radler sind damit sofort „protected“. So einfach ist das. Sieht Scheiße aus, erinnert irgendwie an Playmobil, aber wer das nicht hat, ist eben auch keine richtige Metropole. PBL.

 

PS: Nicht falsch verstehen. Ich habe nichts gegen Rad-Verkehr, mir gehts nur ums „Wie“

47) E-Sharing-Wahn

Dass ich so meine Probleme mit den unzähligen bunten Leih-Rädern in der Stadt habe, hatte ich schon mal hier in >Bikesharing geschrieben. Mittlerweile kann ich denen ja wenigstens noch etwas ökologisches und sportliches abgewinnen, ABER nur wenn sie an Stationen gebunden sind. Wenn die Dinger einfach irgendwo abgestellt oder in die Büsche geschmissen werden, bleiben sie mir ein Dorn im Auge. Nix zu machen!

Aber nun wird‘s ja immer bunter:

In jeder Nacht werden neue bunte E-Tretroller in den Straßen abgestellt. Man spricht mittlerweile von 5.000-6.000 Stück in der Stadt, Tendenz steigend. Über diese Roller wurde schon vor ihrer Zulassung heftig gestritten, als es um Geschwindigkeit, Helmpflicht und Nutzungsrechte ging. Darum geht es mir aber heute nicht. Mir fehlt z.B. die Diskussion, welche konventionellen Verkehrsmittel denn dadurch weniger wurden. Haben denn all diese Spaß-E-Tretroller-Fahrer ihre Autos oder Mopeds verschrottet? Glaube ich wohl kaum. Da das Fahren der Dinger vermutlich auch noch Spaß macht und sie überall zu haben sind, wird künstlich Verkehr geschaffen, der sonst nie da war. Diese Wegstrecken wurden früher mit der Bahn oder eben zu Fuß erledigt. Die zweite Frage, die mich beschäftigt ist, wie denn die Dinger geladen und gewartet werden? Werden sie mit Diesel-LKW durch die halbe Stadt gefahren und morgens wieder aufgestellt? Das wäre eine schlechte Öko-Bilanz. Mal ganz zu schweigen davon, mit welchem Strom sie geladen werden und wie die vielen Heinzelmännchen bezahlt werden. Weiß hier jemand mehr?

Und nun kommt noch mehr oben drauf. In den letzten Tagen wurden zig Elektro-Autos in den Straßen abgestellt. Zum Beispiel 1.500 VW e-Golf ! Was soll denn der Mist nun wieder? Wenn man e-Tretroller und Fahrräder in die Büsche schmeißt, sieht das zwar übel aus, aber sie nehmen wenigstens keine Park-Plätze weg. Mit den E-Cars werden nun noch mehr Autos in die Stadt gespült und geparkt. Sollten es nicht eigentlich weniger Autos werden? Was soll der Schwachsinn? Auch hier die Fragen. Wie und wo werden die aufgeladen? Wieviele werden nachts irgendwo durch Waschanlagen geschoben, die Wasser und Chemie verbrauchen. All die Kunststoffe, Reifen und Metalle, die nötig waren, um die Autos zu produzieren. Und auch noch einmal die Frage, wieviele konventionelle Autos dafür aus dem Verkehr gezogen wurden. Weiß das jemand?

Wenn ich nur mal die Zahlen hier im Beitrag addiere, handelt es sich ungefähr um zusätzliche 7.500 Batterien! Für den Moment. Die müssen alles aus seltenen Rohstoffen hergestellt, nach Deutschland gebracht und später wieder entsorgt werden. Mir wird da echt schwindelig. Was hier im grünen Antlitz daher kommt, ist doch ökologisch eine Mega-Augenwischerei oder denke ich zu einfach? Kann mal bitte jemand aufklären?

Was soll das nur werden, wenn es irgendwann mal an jeder Ecke E-Hoverboards zum Leihen gibt? Und noch E-Segways, E-Dreiräder und E-Rollschuhe und E-Inliner und E-Skateboards und E-Tuk-Tuks und E-Rollatoren und E-Bobby-Cars und …

Wir müllen unsere Stadt mit stehendem Schrott zu und verfetten zunehmend, weil keiner mehr nur noch einen Meter läuft. Na großartig. Gut gemacht!

Anmerkung: Ich finde E-Autos sehr interessant und könnte mich selber mit einem E-Auto oder Hybriden anfreunden. Aber das was hier passiert, wirkt total planlos. Oder ist da echt ein Plan dahinter? Autos auf den Markt spülen, damit Menschen ihre alten Autos abgeben und am Ende weniger Autos auf dem Markt sind als vorher. Hääääh??? Is‘n das für eine Rechnung?

PS: mein Sohn klärte mich gerade auf, dass ein durchschnittlicher E-Tretroller in Paris ungefähr 78 Tage alt wird, häufig landen sie in der Seine. Bingo!