93) Doch noch nicht ganz blöd

Mitte März, 12°C, die Natur ruft zum Arbeitseinsatz auf die Datscha. Das Schilf am Zaun braucht dringend einen Kurzhaarschnitt und der Bambus muss in seinem Expansionsstreben gehindert werden. Gesagt, getan setzen wir uns ins Auto und folgen der Ausfallstraße B1 gen Osten. Kurz vor dem Bahnhof Lichtenberg fragt die Ministerin für Familie, Kultur und Außenbeziehungen, ob wir denn den auch den Schlüssel für die Hütte dabei hätten.

Was für eine Frage? Selbstverständlich. Ich griff mit der linken Hand ins kleine Fach unter dem Lenkrad. Da, wo der mit Lübzer-Pils-Schlüsselband geschmückte Schlüssel immer ist, damit ich ihn eben nicht suchen muss, und griff … aber …ins Leere. 

Shit.

Das kann jetzt nicht wahr sein, oder? Wo zum Henker ist der Schlüssel? Ich war doch erst vor drei Wochen auf dem Grundstück. Hab’ ich den da etwa liegen gelassen? Ist er noch in der Wohnung? Nein, nein, nein, macht alles keinen Sinn. Ich bin mit Schlüsseln eigentlich sehr ordentlich. Eigentlich…

Die Vernunft hält nur zwei Optionen bereit, zurückfahren und die Wohnung auf den Kopf stellen oder weiter zum Grundstück fahren und dort suchen. Da ich aber wirklich nicht den geringsten Schimmer habe, wo ich in der Wohnung suchen soll, entschieden wir uns für die Weiterfahrt.

Die nächste halbe Stunde vertrieb ich mir mit Selbstgesprächen:

Scheiße.
Ich glaub‘, ich werde alt.
Welche Hose hatte ich an? Welche Jacke?
Hatte ich Beutel, Tüten, Kisten dabei?
Welche Wege bin ich dort gegangen?
Was war danach? Wo war ich sonst noch?
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…

Scheiße.
Ich glaub‘ ich werd‘ schusselig.
Passiert das jetzt öfter?
Ist das nicht erst kürzlich geschehen?
Warum sollte ich den Schlüssel überhaupt aus dem Auto mit nach oben nehmen? Das macht keinen Sinn.
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…

Scheiße.
Ich glaube, ich werde blöd.
Irgendwann geht’s los. Meistens geht’s mit Schlüsseln los.
Und was, wenn der weg ist? Dann muss mir der Freund den Zweitschlüssel per Post schicken, aber ganz schnell.
Bevor der Nachbar, dass Wasser andreht und alles geflutet wird.
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…

Am Grundstück angekommen fanden wir den Schlüssel … auch nicht.

Misst, es ist also doch so weit. Noch nicht mal 50 Jahre alt und es geht abwärts. Niedergeschlagen trotte ich zum Auto zurück und durchsuche noch einmal alle Ablagen im Auto, auch das Geheimfach wo sonst der Schlüssel immer liegt. Eigentlich…

Was ist, wenn der Schlüssel vielleicht, aus dem Fach gefallen und irgendwo hinter dem Armaturen-Brett verschwunden ist?? In dem Moment, sah ich zwei Buchstaben, des Lübzer-Pils-Schriftzugs hinter der Klappe um Hilfe rufen. Ich glaub‘s ja nicht. Das ist er ja! Ich lieh mir die schlanken Finger der Ministerin, um das Band samt Schlüssel herauszuangeln

Und ich war heilfroh.
Natürlich, weil der Schlüssel wieder da ist.
Aber ganz besonders, weil ich doch nicht ganz blöd bin.

So, jetzt aber an die Arbeit!

90) Schlüssel-Momente

Des Stammhalters Wohnungsschlüssel war jüngst verloren gegangen. Das trieb dem hiesigen Minister für Finanzen, Wirtschaft und Verteidigung noch mehr Falten auf die Stirn. Und auch die Ministerin für Familie, Kultur und Außenbeziehungen war sehr beunruhigt. 

Ein Innenausschuss wurde einberufen und der Stammhalter musste sich den bohrenden Fragen von Regierungskoalition und Opposition stellen:

Also, wenn der Schlüssel wirklich weg ist, weißt du was das heißt? Dann müssen wir die Hausgemeinschaft informieren, weil da draußen irgendwer mit deinem Schlüssel herum läuft, mit dem man Haustür, Keller, Fahrradräume und Garage öffnen kann. Geh‘ noch mal den Tag in Gedanken durch. Welche Klamotten hattest du an? Hast du die Tür nach der Schule aufgeschlossen oder hattest du geklingelt? Bist du wirklich sicher, dass du den Schlüssel hier in der Wohnung abgelegt hast? Ja? Wirklich? Na gut. Dann ist das ja nur eine Frage von Zeit und Aufwand. Dann muss der ja irgendwo hier sein.

Ein Untersuchungsausschuss wurde gegründet und stellte die Wohnung auf den Kopf. Die Arbeitsgruppe suchte in den unmöglichsten Ecken, gerade an den Stellen, wo man gerne >nur mal eben kurz und >nur mal eben schnell etwas ablegt. Aber Fehlanzeige. Irgendwann verabschiedeten wir uns gedanklich von dem Schlüssel und beruhigten uns damit, dass ihn ja kein anderer haben kann. Und ich schrieb einen neuen Punkt ins Koalitionspapier: „Ersatzschlüssel organisieren“.

Seitdem prokrastiniere ich den vor mich hin, denn für solche Reformen, lassen sich immer schlecht Mehrheiten finden.

Heute wühlte ich mal wieder durch unsere Reisekiste. Ein Karton, in dem ich all möglichen Schnickschnack aufhebe, den ich bei Reisen brauche(n könnte). Unter anderem auch Steckdosen-Adapter. Ich wollte prüfen, ob ich noch die passenden Formate für meine Reise im Januar habe oder etwa besorgen muss. 

Ergebnis positiv. Ich habe sogar zwei Stecker.
Und ich fand ein schwarzes Schlüsselband.
Mit dem Logo des Köpenicker Fußballklubs.
Und einem Wohnungsschlüssel dran.
Wie kommt der denn dahin?

Eines ist wohl klar, der Stammhalter würde sich nie an dieser Kiste vergreifen. Ich glaub‘, der weiß nicht mal, wo die steht.

Der Minister und die Ministerin traten schweigend vor die offene Kiste. Sie schauten gefasst in den Abgrund … und sich danach peinlich berührt und fragend an.

14) Schlüsselfragen

Nachdem ich meinen Rückflug nun doch noch geschafft hatte, schien Hermes, der Gott der Kaufleute und Reisenden, wieder auf meiner Seite zu sein. Er überhäufte mich mit Glück. Beim Boarding war ich sehr schnell in der Kabine, mein Sitzplatz befand sich in der Reihe am Notausgang und sogar der Mittelplatz neben mir blieb frei. Also hatte ich Platz ohne Ende. Der Akku meines Tablets war voll geladen und meine Mediathek enthielt noch viele ungesehene Folgen des Welt-Spiegels. Großartig. Eine Stunde Zeit nur für mich. Gegen 20:30 Uhr schlugen wir in Berlin auf, die Taxis warteten förmlich auf uns. Eine Seltenheit. Der Fahrer eilte durch die Stadt und während der Fahrt dache ich drüber nach, wie ich mir den verbleibenden Abend noch nett machen konnte. Es würde niemand zu Hause sein, die Damen machten „Kultur“ und Sohnemann schlief bei den Großeltern. Die Couch gehörte also mir. Alles lief wie geschmiert und kurz vor 21:00 Uhr stand ich schon unten vor der Haus-Tür. Ich öffnete die Seitentasche des Koffers und zog den…den…Schlüss… . Verdammt, wo ist mein Schlüssel? Der ist doch immer in dieser kleinen Tasche, wenn ich reise. Mehrfach durchwühlte ich alles, aber da war kein Schlüssel. Um den Abend noch halbwegs zu retten, rief ich bei den Schwiegereltern an, denn da sollte noch ein Schlüssel von uns am Brett hängen. Bingo. Also zog ich mit meinem Roll-Koffer los zur Tram. Während der kurzen Fahrt rekapitulierte ich den Tag. Wo war ich? Wann war ich an der Seitentasche zu Gange? Morgens hatte ich den Schirm aus dieser Tasche geholt und gegen Mittag auch mal meine Brieftasche. Kann der Schlüssel dabei herausgefallen sein? Was kostet eigentlich heutzutage so ein neuer Schlüssel? Kann ich da einfach so zum Schlosser gehen oder braucht man da ein Zertifikat von dem Original-Schlüssel? Macht es Sinn vielleicht gleich drei Schlüssel anzufertigen? Nach dem ich meinem Sohn bei den Schwiegereltern gute Nacht gesagt hatte, machte ich mich mit dem Ersatzschlüssel wieder auf den Heimweg. Ich beschloss, alle Überlegungen einzustellen und erst einmal den Abend zu genießen. Das Schlüssel-Problem würde sich in den nächsten Tagen schon irgendwie auflösen. Endlich zu Hause angekommen, sah ich meinen Schlüssel friedlich am Haken hängen. Als wäre der nie weg gewesen. Wie kann das sein? Wie habe ich ohne Schlüssel das Haus verlassen? Es ist doch seit Jahren eine fließende Bewegung, wenn ich die Wohnung verlasse. Und da fiel es mir ein. Am Morgen zuvor, checkte ich noch einmal die Taxi-App nach dem Verbleib meines bestellten Taxis. Doch die App meldete nur „Sie haben keine Vorbestellungen“. Daraufhin flitze ich ins Bad und warf einen Blick auf die Straße. Da stand aber ein Taxi und schien zu warten. Auf mich? Auf jemand anderen? Egal, jetzt aber ganz schnell runter und ab zum Flughafen, bevor es weg ist. Rumms…Tür zu.                                          

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