606) Empathie-Grundkurs für einen Kanzlerkandidaten

Gestern bin ich zufällig in die ZDF Wahl-Sendung >Klartext gestolpert, eigentlich auch nur, weil ich die Nachrichten schauen wollte, die Sendung aber zeitlich überzogen hatte.

Aber so konnte ich den Kanzler-Kandidaten der CDU noch etwas bei seinen ausbaufähigen Empathie-„Künsten“ beobachten.

Bei Minute 2:13:30 äußert sich eine Dame aus dem Publikum sehr besorgt, dass die Lieferung von Waffensystemen wie dem „Taurus“ ja auch zu Vergeltungsschlägen gegen Deutschland führen können.

Und dann passiert ungefähr folgendes:

  1. Der Kandidat äußert kurz Verständnis, auch wenn er die Sorge nicht teile.
  2. Der Kandidat versucht, die Sorge zu entkräften, Deutschland hätte es schließlich in der Hand, solch Eskalation zu vermeiden.
  3. Der Kandidat wechselt mal eben schnell die Frage, beklagt die Versäumnisse der Ampel-Regierung.
  4. Die Dame und die Moderatorin bemerken den Trick und wollen die Diskussion wieder auf die Zukunft … die Zeit nach der Wahl … und seine künftige Verantwortung lenken.
  5. Der Kandidat umreist die offensichtlich aggressive Agenda von Groß-Russland, erst die Ukraine, dann Baltikum, dann Polen … man konnte die Panzer förmlich rollen hören.
  6. Die Dame bekommt immer mehr Sorgenfalten auf der Stirn, versucht wiederholt, auf ihre Ängste zurückzukommen.
  7. Der Kandidat versichert, dass hybride Angriffe schon täglich stattfinden, besonders im Bereich der Cyberkriminalität und Sabotage.
  8. Die Dame unterstreicht noch mal, dass wir uns ja mit einer Atommacht anlegen und wirkt sehr besorgt.
  9. Der Kandidat trägt vor, dass man keine Angst haben darf.
  10. Die Dame zuckt hilflos mit den Schultern.
  11. Der Kandidat sagt, er schlafe abends gut, die Frage halte ihn aber auch wach.
  12. Der Kandidat verweist auf seine Familie, seine Kinder, und versichert, er mache sich auch so seine Gedanken.

Kurve gerade mal noch so gekriegt … Herr Kandidat.

Was nun noch gefehlt hätte, wäre so etwas wie:

„Vielen Dank fürs Zuschauen und wir wünschen eine geruhsame Nacht“

604) Top-Thema Migration ?

Am 06.02.25 trafen Politiker von AfD, BSW, CSU, FDP, Grüne und Linke zum sogenannten „Schlagabtausch“ im ZDF aufeinander. Ich nehme mal an, damit soll den „kleineren“ Parteien die Möglichkeit gegeben werden, ihr Wahlprogramm zu vertreten, während heute Abend die beiden „großen“ CDU und SPD ihre Kanzlerkandidaten ins TV-Duell schicken. Die Worte „groß“ und „klein“ kratzen mir allerdings etwas im Abgang, wenn man sich die aktuellen Umfragen anschaut und damit leider auch die stabile Position 2 für die AfD.

Dass die CSU mit Alexander Dobrindt (Ex-Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur) dabei sein durfte, obwohl sie eigentlich im heutigen TV-Duell über die Union repräsentiert wird, bescherte mir Fragezeichen, aber sei’s drum … man hatte damit immerhin mal einen Mitverantwortlichen für marode Brücken und weiße Flecken auf der Mobilnetz-Landkarte in der Sendung … aber diesen Ball leider nicht gespielt.

Dass das Publikum überdurchschnittlich jung war und bei Statements der Linken und Grünen besonders applaudiert hat, fiel schnell auf. Laut ZDF wurden die Gäste aber nicht gecasted, sondern man habe im Vorfeld der Sendung verschiedene Berliner Institutionen kontaktiert, um die Anreise zu vereinfachen und die Plätze zu füllen. „… unter anderem das J.F.K.-Institut für Nordamerikastudien, Politik- und Kommunikationswissenschaften der Freien Universität, die Hertie School of Governance, die Humboldt-Universität, der Tönissteiner Kreis und die Familienunternehmen e. V.“ (Quelle: zdf.de) Nun, das hätte man auch etwas ausgewogener hinkriegen können. In Berlin gibt es durchaus Berufs-, Polizei- und Fahrschulen, Kasernen und Fußballvereine … das Klatschverhalten wäre sicher anders gewesen.

Aber das sind alles Nebensächlichkeiten. Was mich echt gestört war, dass von 90 Minuten Sendezeit satte 45 Minuten auf das Thema Migration verwendet wurden. 50%! Als gäbe es nicht genügend andere Baustellen, die Aufmerksamkeit verdienen würden. Und es erweckt den Eindruck, dass die Deutschen die Hälfte ihrer Freizeit an nichts anderes denken würden. Und das glaube ich nicht! Ja, das Thema Migration ist nicht einfach, es (über)fordert Finanzen, Sicherheit, Bildung und Wohnwesen, aber es dominiert doch nicht den Alltag! Meinen zumindest nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich im Kuschel-Bezirk Prenzlauer Berg lebe, der eher für Latte Macchiato und Lastenräder bekannt ist, als für Flüchtlingsheime, mag sein. Aber auch Menschen, die in anderen Stadt-Bezirken wohnen, haben doch vermutlich auch andere Sorgen, die nichts mit den drei Millionen Flüchtlingen zu tun haben.

Wenn ein Zuzug von 3 Mio Menschen unser Land angeblich an den Rand eines „Notstands“ bringt, dann liegt doch die Ursache nicht bei den 3 Mio Gästen, sondern an systemischen Problemen. Es zeigt leider sehr deutlich, dass Deutschland  nicht resilient genug ist, nicht so „erfinderisch“, „zackig“, „pünktlich“, „weltmeisterlich“ wie es sich gern selber darstellt, sondern ziemlich … durchschnittlich.

Wirkt auf mich wie ein Schüler, der gepennt hat, nun droht den Anschluss zu verlieren und ganz unzufrieden mit sich selbst nun die Schuld bei all „den anderen“ sucht, obwohl er insgeheim weiß, dass er mal dringend zur Nachhilfe gehen müsste.

Ja, tut weh, ist aber so.