475) Immer locker bleiben – 2

Die Nachrichtenlage macht es uns Hobby-Schreiberlingen nicht gerade leicht, etwas aufs virtuelle Papier zu bringen. Zu groß die Unsicherheit, nicht ausreichend informiert zu sein, noch größer die Chance vollständig missverstanden zu werden. Also überlasse ich entsprechende Kommentare mal den Profis … und lasse Radio und TV am Tage abgeschaltet. 

Und sonst? Soll ich schreiben, dass der Supermarkt um die Ecke wieder aussieht wie eine HO-Kaufhalle im Bitterfeld der 80-er Jahre? Dass die Regale wieder deutlich leer geräumt sind, die Lieferkette unterbrochen ist? Soll ich schreiben, dass der Pfandautomat blockiert war und trotz mehrfachem Betätigen der „Service“-Klingel niemand zur Hilfe kam und ich die Pfandflaschen wieder mit nach Hause nahm? Alles belanglos. Nicht der Rede wert.

Also mach‘ ich mal “ locker“ weiter:

Nachdem ich ja neulich das >Versagen öffentlich-rechtlicher Locker beschrieben habe, kommen die privaten Locker ehrlich gesagt etwas besser rüber. 

Daher Trigger-Warnung: Im nächsten Abschnitt wird es zu einer positiven Äußerung bezüglich eines Distributionskonzepts des weltweit größten Online-Händlers kommen. Pfuiiii! Wer also an Bluthochdruck, Herzrasen oder Schnappatmung leidet, sollte vielleicht ein Moment die Augen schließen und dann ein paar Sätze später wieder einsteigen.

Nachdem meine Pakete ja nun schon mehrfach irgendwo in der Nachbarschaft bei Familie „Hausbewohner“ abgegeben wurden, hatte ich die Faxen dicke. Keine Lust mehr in die WhatsApp-Gruppe des Hauses zu schreiben, keinen Bock Zettel auszuhängen und schon gar keine Lust, die abgestandene Luft von Nachbar-Wohnungen zu schnüffeln, wenn ich mich von Tür zu Tür klingele.

Habe ich mir noch vor zwei Jahren über >Orange Netze im Kiez gewundert, lasse ich jetzt auch an die Locker des Online-Titanen liefern. Und das soll bitte nicht als Werbung verstanden werden, sondern nur meine Begeisterung für die Logistik ausdrücken. Du bestellst was, kriegst ne Info auf dein Handy wenn’s im Locker liegt, gehst dahin, drückst noch eine Taste auf dem Telefon und schon öffnet sich die Tür. Wie von Zauberhand. Genial. Kein Registrieren, keine weitere Mitgliedschaft, keine Karten, Codes, PINs, TAN, etc. Einfach cool. Tut mir Leid das zu so schreiben, ist aber so. So und jetzt können wieder alle mitlesen.

Ein paar Nachteile bleiben allerdings:

  • Man muss die Lieferung innerhalb von drei Tagen abholen, das kann manchmal eng werden
  • Das Fach öffnet sich nur in Bluetooth-Entfernung, man kann also niemand anderen mit einem Barcode dahin schicken
  • Man kann nur Dinge abholen, nicht abgeben. Also auch keine dreckige Wäsche, Pizza-Kartons oder ausgediente Glühbir … Leuchtmittel oder so
  • Benutztes Geschirr kann man nicht drin abstellen, auch keine Auto‘s die zum TÜV oder Reifenwechsel müssten

Ist schon ein Jammer … aber immerhin ein Anfang.

So ich muss Schluss machen, die Nachrichten kommen gleich 😉

88) Wie retour‘ ich das nur?

Die meisten Nachbarn auf dem Planeten scheinen „Hausbewohner“ zu heißen, könnte man glauben, wenn man der App der Amazonen glaubt. Da hat man sich schon sehr aufs Päckchen gefreut und dann hat ein Mitmensch aus dem Haus das Paket angenommen, obwohl man doch eigentlich den ganzen Tag zu Hause war. Und dann geht man runter, schaut fragend auf die Klingeltafel … Klingelplatte … Klingeldingsbums … Klingelsomething … und findet aber nur die bekannten Schröders, Schneiders … und den mit Pflaster überklebten Kasupke … der jetzt von einem Doppelnamen bewohnt wird, den man noch nie gesehen hat. Und dann arbeitet man sich Schritt für Schritt vor. Erster Versuch WhatsApp-Gruppe, zweite Idee Aushang am schwarzen Brett, letztlich noch einmal bestellen.

Neulich ist mir aber etwas Eigenartiges passiert, ich habe eine Lieferung erhalten, die ich gar nicht bestellt habe. Schnell zogen Selbstzweifel auf. „Hast du vielleicht doch …?“ Nein, habe ich nicht und das würde auch gar keinen Sinn machen. Ein „Übungsheft Deutsch 6. Klasse“ braucht hier in diesen vier Wänden kein Mensch. Oder lag das Buch vielleicht jahrelang in meiner Merkliste und dann habe ich das jetzt versehentlich gekauft. Nein. Laut „Meine Bestellungen“ habe ich das weder bestellt, noch ist es jemals angekommen. Mehrere Male überprüfte ich das Adress-Etikett. Kein Zweifel, das bin ich.

„Schicke ich zurück“, war mein erster Gedanke.  Der zweite Gedanke: „Wie denn?“ Es gab ja offiziell keine Lieferung, also gibt’s auch nichts wo ich draufklicken und die Retoure veranlassen konnte. 

Was könnte ich tun?

  • Bei Amazon anrufen und ein Lösung suchen? Zu aufwändig. 
  • Das Buch bestellen und dann beide zurückschicken? Bekloppt. 
  • In die blaue Tonne werfen? Eigentlich schade drum. 
  • Es einfach behalten? Aber für wen? Wäre Blödsinn.
  • Mir noch mal einen Sechstklässler anschaffen? Also ähm … nee.

Das sind Probleme … 

281) Kaffee und was zum Lesen

Klingt verlockend oder? Finde ich auch. Kommt aber auch ein bisschen auf die Art des Lesestoffs an. Der Hersteller der neuen Kaffeemaschine hat es ein bisschen zu gut gemeint. Die Bedienung des Geräts erklärt sich fast von selbst, trotzdem schickt der eine halbe Bücherei mit

Mal eben schnell durchgezählt:

  • Erste Schritte mit 4 Seiten
  • Mahlwerkeinstellung mit 4 Seiten
  • Anleitung in Arabisch mit 25 Seiten
  • Anleitung in Englisch mit 25 Seiten
  • Anleitung in Deutsch mit 27 Seiten
  • Anleitung in Französisch und Italienisch mit 47 Seiten
  • Anleitung in weiteren 18 Sprachen mit 385 Seiten
  • Sicherheitshinweise in 5 Sprachen mit 20 Seiten
  • Sicherheitshinweisen in 22 Sprachen mit 71 Seiten
  • EU-Konformitätserklärung mit 1 Seite
  • Garantie und Service mit 11 Seiten
  • Errate Corrige mit 2 Seiten

Also 622 Seiten DIN A5-Seiten, umgerechnet ca. 186 Quadratmeter bedruckte Fläche, wenn ich mich jetzt nicht verrechne habe. What?

Nach dem Papier „Erste Schritte“ war mir die Lust an diesem Roman vergangen.

Aber immerhin habe ich etwas Latein gelernt. „Errata Corrige“.
Cool. Das werde ich in meinem Blog hier auch mal einführen.

Andere Beiträge zum Thema:

216) Orange Netze, mystisch, sonderbar

In den letzten Wochen fallen mir in der Gegend immer mehr orange Netze auf, die eine frischgegossene Beton-Platte umrahmen. Was hat es damit auf sich? Nirgends ein Hinweis, keine Informationen wie sonst hier in Großschildistan.

Also bleibt nur Spekulation …

  • Entstehen da neue Arbeitsplätze, die man für die vierte Corona-Welle mieten kann, wenn es im Homeoffice wieder zu eng wird?
  • Oder werden da bald Mini-Townhouses gebaut, um der Berliner Wohnungsknappheit zu begegnen? Etagenbetten? Schlafregale?
  • Hat Berlin den Zuschlag für die Winter-Olympiade bekommen? Sind das Fangnetze für  Langläufer? Biathlon? Super-G?
  • Sind das neue Beerdigungskonzepte? Mal etwas ausgefallenen? Sogenanntes Near-Funeral? Böse, böse …
  • Vielleicht haben unsere Verkehrsplaner wieder mal eine neue Idee, was sie uns als Mobilitätskonzept verkaufen können? Kommen dort Mülltonnen hin, wo man endlich die E-Roller reinwerfen kann oder gibt es da künftig Skates oder Hoverboards zum Ausleihen?
  • Ist da möglicherweise eine Verschwörung im Gange? Ein Softwarekonzern oder eine dunkle Macht, die unsere Kinder aufessen will? Soll es ja schon alles gegeben haben.
  • Oder kommen da sogar Impf-Automaten hin? Vielleicht Checkpoints, die die nächsten Ausgangsbeschränkungen überwachen sollen?
  • Sind das etwa Landeplätze für unsere künftigen Drohnen, die die Brut zum Fußball und Tanzunterricht fliegen und auf dem Rückweg ein Koscher-Bio-Vegan-Regio-Schrot-Brot mitbringen?
  • Aber umso mehr ich drüber nachdenke, kommt mir da so eine Vermutung. Vermutlich steckt der große Online-Händler dahinter. Der hat einfach keinen Bock mehr, die Treppen zu laufen und schmeißt die Fracht irgendwann in große Schränke. Oder die Chinesen schicken ihre Päckchen gleich in diesen Schränken zu uns übers Meer, da muss man hier nicht mehr mühsam umpacken. Das scheint mir sehr schlau.

Und die Kunden können dann abends von Schrank zu Schrank irren und sich ihre Päckchen zusammensammeln.

Großartige Innovation …

Oder habt ihr eine Idee was das werden soll???

2) Radio aus Fernost

Wir wollten uns ein neues Küchenradio zulegen. Irgendetwas kompaktes, was aber trotzdem einen guten Klang hat. Es sollte weiß sein, eine klassische Antenne haben und von guter Qualität sein. Auch einen integrierten Akku sollte es haben, da wir an seinem künftigen Stellplatz keine Steckdose haben. Das waren die wenigen Parameter mit der wir auf die Suche gingen. Ziemlich langweilig, wenn man mal ehrlich ist. Überhaupt nicht „smart“. Aber das muss es auch nicht sein. Es soll uns morgens nur mit etwas Musik, Nachrichten und dem Wetterbericht versorgen. Es braucht also kein WLAN, keinen Touch-Screen und es muss auch nicht mit uns sprechen können. Es muss ausschließlich Radio abspielen. Und zwar nur unseren Stamm-Sender. Ganz analog. Mehr nicht. Wir haben uns dann für ein japanisches Marken-Produkt entschieden. Es bietet zwar laut Beschreibung immer noch mehr Funktionen als wir eigentlich brauchen, aber immerhin stören sie nicht. Originalverpackt steht das Radio nun auf dem Küchentisch und wir beginnen mit dem Auspacken. „Unveiling“ heißt das Erlebnis heutzutage. Das Radio lässt sich samt weißen Verpackungsschaum schnell aus der Pappe ziehen. Die wichtigsten Tasten erkenne ich sofort. „Power“, „Tune“, „Memory“ und „Volume“. Das reicht mir eigentlich schon. Damit könnte ich es schon in Betrieb nehmen. Trotzdem fällt noch ein Haufen Papier aus dem Karton. Ein „European Guarantee Information Document“ liegt exakt gefaltet bei. Es bestätigt in 22 Sprachen, dass das Produkt der Europäische Garantie-Regelung des japanischen Unternehmens unterliegt. Zusätzlich finde ich auf der Rückseite ungefähr 30 Service-Adressen, an die ich mich in ganz Europa wenden kann. Das schafft Vertrauen. Ein paar leere Formularfelder rufen zu Stempel, Unterschrift und Kaufdatum auf. Leider hat die aber keiner ausgefüllt. Wozu sind die dann gut? Dann folgt noch ein sehr kleiner Zettel in 22 Sprachen. Darin erklärt der Hersteller, dass das Radio der europäischen Richtlinie 2014/53/EU für Funkanlagen entspricht. Gut so. Zudem schmückt ein fettes CE-Logo den Kopf das Papiers. Dann finden wir noch ein weiteres Faltblatt, wieder in 24 Sprachen. Es enthält Sicherheitshinweise in Schriftgröße 6 pt und die Klarstellung, das Akkus und Batterien innerhalb der Europäischen Union nur an ausgewiesenen Sammelstellen entsorgt werden dürfen. Zum Schluss kommen noch einmal sechs Hefte ans Tageslicht. Alle sehen gleich aus, sind in China gedruckt und geben Hinweise zu den ersten Schritten bei der Inbetriebnahme. Wieder in zig Sprachen. Ich werfe den ganzen Papierkram in die Küchenwaage und wiege es mal. Nur so aus Interesse. Die Waage ermittelt stolze 120 g Gewicht. Nur fürs Papier! Dann stelle ich auch noch das Radio in die Waage und notiere 740 g. Ohne Ladegerät allerdings. Tja und nun braucht es etwas Mathematik und einen Taschenrechner. Das macht ungefähr 14% Papieranteil am Gesamtgewicht! Nun das ist…wie soll man sagen…verrückt? Für ein Küchen-Radio? Da mag der Europäische Verbraucher-Schutz-Minister zwar sehr fleißig gewesen sein, sein Kollege vom Ressort Umwelt kann doch eigentlich nur mit dem Kopf schütteln und heulen. All die Papiere wurden von hiesigen Juristen geschrieben, irgendwo übersetzt, von indischen Layoutern in druckbare Form gebracht, von Chinesen gedruckt und dann per Container-Schiff zurück in die EU gebracht. Man stelle sich vor, dass Schiffe, LKWs und Zusteller-Fahrzeuge mal eben eben 14% weniger Gewicht transportieren müssten. Wäre das nicht immerhin mal ein Anfang? Dann könnte ich vielleicht unseren Familien-Diesel noch ein paar Monate länger fahren.

Frühere Beiträge zu Radio, Smartphone und natürlich Diesel: