36) Park-App

Bargeldlos, Papierlos und Stressfrei – so wirbt die Park-App selbstbewusst und eingänglich. Allein diese drei Wörter lassen nur Gutes verheißen. Seitdem die Kids ein Taschengeld bekommen, habe ich kein Kleingeld mehr. Auf Papier-Tickets und Zettelwirtschaft kann ich auch sehr gern verzichten. Und wenn jemand verspricht, er könne mir etwas Stress abnehmen, würde ich sofort nachfragen, wo ich denn unterschreiben solle. 

Bei der Park-App musste ich hingegen gar nichts unterschreiben, sondern nur ein paar Buttons auf dem Bildschirm meines Telefons drücken. Ruckzuck war die App heruntergeladen, begrüßte mich umgehend und fragte ein paar Parameter ab. Das Land in dem ich zu parken gedenke, mein Einverständnis zu deren AGB und die Zustimmung zur Positionsbestimmung über mein Handy zum Beispiel. 

Währenddessen fragte ich mich, wovon die App eigentlich finanziert wird. Die Stadtkasse lebt bestimmt auch ganz gut von dem Geld, was zwar in die Automaten hineingeworfen, aber nicht „abgeparkt“ wurde. Ist eine Party also öde, sucht man schnell das Weite. Der Park-Automat zahlt aber nichts zurück. So, und da die Park-App ja angeblich sekundengenau abrechnet, kann es diese Überschüsse ja nun nicht mehr geben. Kurz darauf informierte aber die App, dass pro Parkvorgang 0,25 EUR berechnet würden. Aha. Damit war das nun auch beantwortet. Aber reicht das denn aus? Solch ein kleiner Betrag? Aber gut, warum eigentlich nicht. Die App is ja nun entwickelt, kostet nicht mehr viel Geld und die Umsätze werden irgendwie elektronisch an die städtischen Parkzonen-Bewirtschafter überwiesen. Viel Personal wird dafür vermutlich nicht benötigt. 

Erst kürzlich ergab sich uns die Gelegenheit, die App endlich einmal auszuprobieren. Wir waren zu einem Familiengeburtstag eingeladen und in der Gegend dort wimmelt es nur so von Mitarbeitern des Ordnungsamts. Also starteten wir vor dem Hauseingang die App, tippten auf „Parkvorgang starten“ und entschwanden in den Hausflur. Zwischen Kaffee, Kuchen und sprudelndem Getränk für die Erwachsenen, warf ich mehrmals einen Blick auf die Park-App. Sie war immer noch online und zählte Minuten und Sekunden vorwärts. Herrlich. Nie wieder dreckige Automaten anfassen, nie wieder hinuntergehen und Münzen nachwerfen, nie wieder zu viel Geld bezahlen. Das ist doch echt fair. 

Nach gut zwei Stunden verabschiedeten wir uns wieder. Die Party war zwar nicht öde, aber wir hatten noch andere Pläne. Später am Abend, auf der heimischen Couch, entsperrte ich mein Handy, um zu sehen, ob es irgendwelche Neuigkeiten aus der großen, weiten Welt gibt. Gab es nicht. Aber die Park-App … die lief noch und zählte eifrig vorwärts. Misst! 10,95 EUR waren bereits aufgelaufen. Für gut zwei Stunden Familiengeburtstag. In einem Wohngebiet. 

Na großartig. Nun weiß ich wenigstens, warum den Betreibern die 0,25 EUR pro Vorgang ausreichen.

Frühere Beiträge zu Parken, Apps und Kleingeld:

3) Handy-Nacken und Ampel-Mann

Beobachtet man andere Menschen in Bus, Bahn oder Flieger, könnte man meinen, sie beten oder meditieren. Alle schweigen und schauen die ganze Zeit nach unten an sich herab. Auch Freunde oder Kollegen, die sich gegenüber sitzen, machen das häufig. Statt miteinander zu reden, blicken sie nach unten. Selbst ganze Familien folgen diesem Trend. Auch am Pool oder auf dem Kreuzfahrtschiff. Man muss bei dieser Form von Gebet oder Meditation anscheinend auch gar nicht mehr inne halten. Nicht mehr still sitzen und die Augen schließen. Man darf es sogar beim Laufen tun! Auf dem Fußweg, in öffentlichen Gebäuden oder gar auf der Kreuzung. Egal wie und wo. Wer hat denn da bloß so viel Missionsarbeit geleistet? Beim genauen Hinschauen waren es wohl Konzerne aus USA, Südkorea und China, die den Menschen viele Millionen von Smartphones vom Himmel geschickt haben. Auf den Smartphones laufen dann zig Apps, also kleine mehr oder weniger nützliche Progrämmchen, die das Leben vereinfachen oder auch vom Leben abhalten. Je nach dem, welche man nutzt. Befragt man die gängige Suchmaschine um einen Hinweis zu der neuen Körperhaltung, bekommt man schnell den Begriff „Handy-Nacken“ angezeigt, mit dem Ärzte vor den gesundheitlichen Folgen am oberen Ende der Wirbelsäule warnen und diverse Übungen zur Vorbeugung anbieten. Verkehrssicherheitsexperten schreiben von erhöhten Unfallzahlen, weil die Fußgänger nur noch aufs Handy schauen, statt nach vorn in das Verkehrsgeschehen hinein. Meine Tochter sagte neulich, es gäbe mittlerweile schon Städte, die versuchsweise Ampeln in den Boden einlassen, damit man sie beim Blick aufs Smartphone besser sieht.

Gute Idee eigentlich, aber ist das nicht schon wieder absolut analog gedacht? Mit Lichtern im Boden begegnet man doch nicht der Digitalisierung, oder? Das schafft zwar neue Arbeitsplätze und Umsätze für die Firmen, die das produzieren und einbauen. Aber ist das digital? Nein.

Wäre der konsequente Schritt nicht, all die herkömmlichen Ampeln abzuschaffen und komplett in das Handy zu integrieren? Wenn alle Autofahrer und Fußgänger eh permanent mit den Geräten herumhantieren, warum leuchtet das Gerät nicht einfach rot, wenn man stehen bleiben soll und grün, wenn man wieder gehen darf? Jeder hätte im Prinzip seine eigene Ampel „zum mitnehmen“, über Ortungsdienste weiß die Ampel-App die eigene Position und kann grünes oder rotes Licht geben. In weiteren Ausbaustufen fallen mir bei der Gelegenheit auch noch zusätzliche kostenpflichtige Addons ein, mit denen ich dann endlich Millionär werde.

Mit Diversity-plus können sich die Nutzer ihr eigenes Ampel-Männchen designen. Auf der Ampel kann nun auch mal eine Frau symbolisiert sein oder eben auch „ein/e diverse/r“. Soll sich niemand zurückgesetzt fühlen. Nicht auf diesem Blog hier! Auch Hautfarbe, Body Mass Index und andere „Properties“ kann man mit einem Schiebe-Regler anpassen, gar keine Frage.

Mit Avatar-plus lässt sich der Charakter aus der heimischen Spielkonsole direkt mit dem Ampel-Wesen synchronisieren. Auch andere Mii‘s aus dem Netzwerk können somit wahlweise auf die Ampel gebracht werden. Man kann die Wesen und ihren Service danach auch „sharen“, „liken“ oder mit Sternen bewerten.

Mit Travel-plus bekommt man nach Grenzübertritt das lokale Ampel-System per Update aufs Smartphone gespielt und schon ist man einsatzbereit. Es kann nichts mehr schief gehen. Man muss nur den Blick aufs Gerät halten, alle äußeren Eindrücke am besten ignorieren. Die bringen einen nur durcheinander und lenken vom wirklich wichtigen Verkehrsgeschehen ab.

Mit Germania-plus kann sich der  Deutsche Tourist das lokale Ampel-System einfach zurück in den „StVO-Standard“ übersetzen lassen. Egal ob es im Ausland also nun piept, gongt, bimmelt oder einen countdown in der Ampel gibt, für die Deutschen gibts auf dem Handy nur „rot“ oder grün“. Wie zu Hause auf dem Weg zum Büdchen.

Mit Zebra-plus, das teuerste unter allen Addons, lassen sich sogar Ampeln und Zebra-Streifen auf Handys generieren, wo es noch nie zuvor eine konventionelle Ampel gab oder sich jemand dran gehalten hätte. Man stelle sich vor, man läuft quer über über den Kreisel rüber zum Arc de Triomphe in Paris oder über den Connaught Place in Neu Delhi und die Autos halten alle an. Ich meine wirklich alle.

Aber wer weiß schon wie dass alles mal kommt. Vielleicht bleiben die Menschen künftig einfach zu Hause auf der Couch und bestellen Pizza und Bier online. Den Kreuzfahrt-Urlaub kann man sich doch bestimmt auch schon irgendwo herunterladen. Das wäre auch besser für die Umwelt, bei der Gelegenheit. 

Aber was ist dann mit meiner Ampel-Idee für die Fußgänger? Mhm…ich könnte die etwas umbauen und biete sie mal der Auto-Industrie an. Dann werde ich vielleicht sogar Multi-Millionär.

Frühere Beiträge zu Smartphone und Ampel:

24) Kurzstrecke

Verlassen wir das in Berlin schwer belastete Themenfeld des Rad-Verkehrs für den Moment. Kommen wir noch einmal zum ÖNPV, diesmal geht es mir aber weniger um die oft sehr egoistischen Nutzer, sondern eher um die Betreiber selbst. Die BVG ist zwar ganz vorn dabei, wenn es um markige Sprüche und hippe Marketing-Videos geht, aber der Alltag gestaltet sich manchmal ganz un-hipp. Nach einem Stadtbummel zu zweit, waren uns die Füße zu müde und wir beschlossen, die letzte Strecke mit dem Bus zu fahren. Also gingen wir in Richtung nächster Bus-Haltestelle. Auf dem Weg dorthin kaufte ich mit der BVG-App schon mal ein Kurzstrecken-Ticket. Ich hatte gehört, dass man das besser ein paar Minuten vor dem Einsteigen machen sollte, um Stress mit Kontrolleuren zu vermeiden. Gut. Gar kein Problem. Das war exakt 19:19 Uhr. Als wir auf die Haltestelle zuliefen, schloss ein Bus gerade die Türen und machte sich auf seinen Weg. Das war ca. 19:23 Uhr. Kein Problem, nehmen wir halt den nächsten Bus. Wir hatten ja Zeit. Der nächste Bus sollte 10 Minuten später abgehen, also ca. 19:33 Uhr. Zunächst passiert eine Weile gar nichts, dann entfiel der Bus komplett. Der nächste gelbe Schlenki war für 19:43 Uhr angezeigt. Auch kein Problem. Um ca. 19:43 Uhr hielt der Bus vor uns und öffnete zischend die Türen. Ich zückte mein Handy und drückte den Button „aktuelle Tickets“. Doch das soeben gekaute Ticket verschwand auf einmal und ich stand etwas sprachlos vor dem Fahrer. So, als gehörte ich zu den Nutzern, die erst dann ein Ticket kaufen, wenn der „Konti“ schon in der Tür steht. Zunächst dachte ich, meine App spinnt oder ich bin einfach zu doof, mein Handy zu bedienen. Um die Situation schnell zu klären, kaufte ich mit ein paar Münzen eine zweite Kurzstrecke. Auf der Fahrt beschäftige ich mich mit der BVG-App und siehe da, mein Ticket war noch da, aber in den Ordner der „abgelaufenen“ Tickets verschoben worden. Exakt um 19:39 Uhr. Also genau 20 Minuten nach Kauf. Ehrlich gesagt, habe ich nie gewusst, dass eine Kurzstrecke an den unmittelbaren Fahrtantritt gebunden ist und ich bezweifele, ob das für die Papier-Varianten auch gilt. Ich gehe in Gedanken meine BVG-Karriere zurück und kann mich nicht daran erinnern, jemals Stress mit einer Kurzstrecken-Karte gehabt zu haben. Liebe BVG, wenn Ihr mit eurer App eure Kosten optimiert, in dem Ihr zunehmend auf Automaten und Kassen verzichtet, dann sollte das Ganze auch funktionieren! Erst Recht, wenn ich alles „richtig“ gemacht habe und eurer Bus ausfällt. Wären wir doch gleich gelaufen oder hätten einen Fahrausweis „Normal“ für zwei Stunden gezogen. Selbst dann, wäre ich deutlich günstiger gefahren als mit zwei Kurzstrecken. Grmpf.