105) Markenwahn

Auf die großen Themen habe ich aktuell, mal wieder, keine Lust. Ein paar Nachrichten um 05:30 Uhr, dann noch mal um 21:45 Uhr, das muss reichen.

Und Kommentieren? Dazu fehlt mir erst recht die Energie.

Also geht es heute mal wieder um die Widrigkeiten des Alltags. Denn die bleiben ja schließlich … zum Glück 😉

Das Amt verlangt einen Nachweis fürs große Kind.
Den kann man sogar „einfach“ online hochladen, wow.
Also fordern wir den Zettel im Franzosenland an,
und der kommt digital, „très rapide“, per e-Mail.

Nun also nur noch beim Amt hochladen,
mit der Online-Funktion des Personalausweises,
die wir natürlich nicht haben, weil nie Zeit,
und überhaupt immer was dazwischenkommt.

Also bleibt nur die Post, egal, Hauptsache weg,
Irgendwo haben wir noch gedruckte 85-er,
Reicht aber nicht, ein Brief kostet jetzt 95,
Zwei 85-er draufzupappen, wäre übertrieben.

Also Rechner hochfahren, bei der Post anmelden,
Und Passwort erneuern, na gut, muss halt sein,
Zehn Marken à 0,10 EUR auswählen, macht 1 EUR
Paypal anklicken … geht nicht.

Dann Kreditkarte wählen,
Mittlerweile abgelaufen,
Neue Karte suchen, Zahlen eintippen,
Drucker starten und die Marken drucken.

Schere holen, Marke ausschneiden,
Klebestift holen, Marke aufkleben,
Absender notieren, und nun aber,
Mal ganz flott zum Briefkasten.

Ach ja … wie schön.
Hätten wir doch einfach zwei 85-er draufgeklebt ….

Aber wollen wir mal nicht meckern,
denn es war ein großartiger Tag,
es hätte schlimmer kommen können,
denn immerhin …

War die Druckerpatrone war nicht leer,
die Schere lag an ihrem Platz,
der Klebestift war nicht eingetrocknet,
und anlecken musste man die Marke auch nicht.

Also … allet jut.

418) Absender unbekannt

Heute hatte ich verdächtige Post im Kasten. Weißer Umschlag, kein Absender, kein Stempel, keine Marke. Meine Adresse war korrekt, aber handgeschrieben. Von einem Mann. Keiner der gern schreibt, das sehe ich. Mhm. Sehr verdächtig.

Von wem kann der Brief sein? Von einer Partei? Unrealistisch, der Wahlkampf in Berlin ist vorbei. Eine Rechnung von der Arztpraxis gegenüber? Schreiben meistens eher Damen. Werbung? Aber nicht handgeschrieben. Da will mir doch wohl nicht jemand ans Leder? Man hört ja so Einiges in diesen Tagen.

Also untersuche ich den Brief, wie ich es im Kino gelernt habe: 

  • Ich wiege den Brief vorsichtig in der Hand. Er ist sehr leicht.
  • Ich taste ihn vorsichtig ab. Kein Anzeichen von Patronenhülsen oder Schweineaugen.
  • Ich fühle nach Knopfbatterien, Kabeln oder Schaltern. Auch nichts.
  • Ich schnüffele nach Anthrax. Keine Ahnung wie man das macht, geht mir aber besser dabei.
  • Ich nehme den Briefkastenschlüssel und ritze … ganz vorsichtig … und langsam … den Umschlag auf.
  • Ich schließe eine Auge, um nicht vollständig zu erblinden.
  • Ich halte die Luft an, um keine Gase oder Bakterien einzuatmen.
  • Ich linse in den Brief und sehe handgeschriebene Wortfetzen. An mich gerichtet.

Mir wird der Kragen eng:

  • … schmerz …
  • … aus Fernost …
  • … im Kampf …
  • … überleben …
  • … wir wollen dir …
  • … im Alltag verspürst …

Ach du Scheiße. Ich bin aufgeflogen. Meine Anonymität ist dahin. Irgendein Möchtegern-Reichsminister, ein Spinner, ein Hater, ein Geheimdienst hat mich auf dem Kieker. Wie sage ich das bloß der Gattin? Den Kindern? Wo sollen wir nur hin? Ich muss handeln. Sofort! Wen rufe ich an? Polizei, BKA, Verfassungsschutz? Oder soll ich flüchten? Über die Dächer am besten, so wie bei Bond oder Bourne?

In der Wohnung angekommen, mahne ich mich zur Vernunft und setze ich mich erst einmal hin. Ich fasse Mut, entnehme den Brief aus dem Umschlag und lese die handgeschriebenen Zeilen.

  • Eine kleine Firma aus Bayern …
  • „Will mir“ auf diesem Wege für die Bestellung kürzlich danken …
  • Sie hofft, dass ich nun mehr Komfort „im Alltag verspüre“ …
  • Und bittet um ein positives Feedback …
  • Weil es für sie „im Kampf“ … gegenüber Anbietern „aus Fernost“ …
  • „überlebens“wichtig ist …
  • dass ich ein „schmerz“freies Sitzerlebnis habe.

Ach so … das Kissen neulich.

Meine Güte …

67) Blitz-Post aus Frankreich

Heute hatte ich einen Brief von der République Française im Briefkasten. Der Brief war schwer und sah sehr offiziell aus. Oh, Oh. Wenn man nach dem Urlaub solche Post aus dem Urlaubsland bekommt, heißt das meist nichts Gutes.

Sofort erinnerte ich mich an die vielen Blitzer, die entlang der Land-und Nationalstraßen standen. Ich war mir eigentlich sicher, alle rechtzeitig entdeckt zu haben. Aber nun ja. Bei 2.500 Kilometern im Land ist das doch eigentlich eine gute Leistung. Well spotted mein Lieber! Augen und Reaktionsvermögen sind intakt!

Also nahm ich es eher locker, zerlegte den Brief in seine Teile und dokumentierte meine User Experience.

1) Ein zweiseitiger grüner Bogen informierte mich in perfektem Deutsch über meinen Verstoß. Ortsangaben, KFZ-Daten, Geschwindigkeit und Typ-Bezeichnung des Kontrollgeräts.

Im unteren Teil wurden drei Optionen gelistet, welches Bußgeld ich gerne zahlen möchte.

  • Betrag 45 EUR wenn ich es innerhalb 46 Tagen zahle
  • Betrag 68 EUR wenn ich es zwischen 47 und 76 Tagen zahle
  • Betrag 180 EUR wenn ich erst nach 76 Tagen zahle

Oh, das ist aber nett, immerhin habe ich die Wahl!

2) Bei einem weiteren zweiseitigen Bogen in orange, ging es um die eigentliche Zahlungsabwicklung

Auch hier zeigt sich die französische Behörde sehr kundenorientiert:

  • Per Bankkarte
  • Per Smartphone
  • Per Überweisung
  • Vor Ort in einem Tabakgeschäft —> eigentlich mein Favorit, wenn ich ehrlich bin 😉
  • Vor Ort in einem Schalter der öffentlichen Finanzen —> ach nee, danke, lieber nicht

Ansonsten viel Kleingedrucktes und ein Papier-Überweisungsträger auf der Rückseite.

3) Und dann noch ein blauer Bogen, auch zweiseitig. Hier konnte ich Befreiung von der Zahlung beantragen, und zwar aus folgenden Gründen …

  • Wegen Diebstahl, Beseitigung, Entwendung oder Veräußerung
  • Wegen Verleihung oder Vermietung
  • Anderer Grund

Den Grund: „C’est une banalité“ suchte ich vergebens.

Und nun zur Auflösung:

Ich bin 97 km/h auf einer 90-er Strecke gefahren, veranschlagt wurden 92 km/h, also 2 km/h drüber. Bußgeld: 45 EUR … recht happig, oder?

Aber ich nehme es positiv. Für die 45 EUR kriegt man auch eine Menge geboten. Sechs Seiten Papier mit hohem Farbanteil, sehr gutes Deutsch, digitale Zahlungsmethoden, viele QR-Codes zum Zeitvertreib, ein farbiges Emblem und sogar einen Rückumschlag. Das ist doch mal gar nicht so schlecht oder? Allerdings möchte ich anregen, dass ich für diesen Preis auch gern ein Foto für unser Urlaubsalbum hätte. Und dass der Rückumschlag doch künftig bitte frankiert sein sollte, dann könnte ich den noch für andere Zwecke nutzen. Alles in allem ein „User Satisfaction Index“ von 84,44% würde ich sagen, da gibt es also durchaus noch „Room for Improvement“, oder?

Aber jetzt, wo ich hier fasst fertig bin … da fällt mir doch glatt …  ein kleingedrucktes Datum … unter der Typ-Bezeichnung des Messgeräts auf. Da steht: „Datum der letzten Überprüfung: 04/02/2021“. Hah! Anfechtbar! Formfehler! Gerät nicht geeicht! Wahrscheinlich war ich müde und bin sogar nur 85 km/h gefahren und dieser blöde Apparat hat irgendeinen Unsinn gemessen.

Soll ich Widerspruch einlegen? Soll ich es wagen? Soll ich … na ?

Aber, ich warte mal lieber noch, vielleicht kommen ja noch mehr solcher dicker Briefe in den nächsten Tagen … ;-), da lege ich mich jetzt mal besser nicht mit „La Grande Nation“ an.

64) Tach, Post!

Habe ich mich neulich noch in > „63) Kein Schwein schreibt mich an“ beklagt, dass ich keine Briefe mehr bekomme, wurde ich heute regelrecht zugespamt. Ich kam vom Corona-Freigang zurück und warf einen Blick in den Briefkasten.

Stolz standen dort vier Sendungen, aufrecht hintereinander und voller Geltungsdrang. Jedes Papier wollte das erste sein. Ich hatte keine Zeit, also griff ich den Stapel und warf ihn oben in der Wohnung erst einmal auf … na ja … so eine … Fläche … die wohl jeder zu Hause hat. Kommode, Arbeitsplatte oder Schuhschrank eben. Oder öffnet ihr etwa immer gleich alle Briefe, überweist sofort irgendeinen Betrag und heftet danach alles schön sauber ab? Echt? 

Jedenfalls nahm ich den Stapel am Abend zur Hand und blätterte ihn nacheinander durch:

Zuerst fiel mir ein Postkarte vom SPD-Kiezbeauftragen Toni Scheitel in die Hand. Er schlug Kaffe und Kuchen vor und dabei könnten wir ja mal reden. Ich müsste ihn nur einladen, Kaffee und Kuchen würde er mitbringen. Mit Kaffee und Kuchen kann man mich nun aber gar nicht locken. Geht vielleicht auch eine Bratwurst mit viel Senf??

Danach ein Gutschein eines Hamburger Versandhauses. Das gab es übrigens schon lange vor den Amazonen. 13 EUR würde ich geschenkt kriegen, wenn ich bis 10.04.2021 etwas bestelle, was über 29 EUR kostet. Anscheinend bin ich mit denen schon mal auf einer Party versackt, denn sie duzen mich. Kann mich gar nicht erinnern.

Nummer Drei war ein Flyer, in dem man mir anbot unsere Wohnung perfekt zu entrümpeln. Haushaltsauflösungen, Sperrmüllentsorgung, spezialisiert auf Messi-Wohnungen und Nachlassentsorgungen. Ich schaute kurz auf und warf einen zweifelnden Blick durch die Wohnung. Also so schlimm, sieht’s hier nun auch nicht aus. Sicherheitshalber tastete ich mal meinen Puls. Ging noch.

Zu guter Letzt noch eine Rechnung von einem Labor. Mein Blut wurde untersucht und nun bekam ich drei Seiten Papier, die sich lasen wie das Periodensystem der Elemente. Der Doktor hat es mir übersetzt mit „alles im grünen Bereich“. Na dann, danke für die guten Nachrichten! Dann kann ich den Flyer der Entrümpelungsfirma erst einmal zum Altpapier legen. 

Puh… 😉

63) Kein Schwein schreibt mich an

Gar nicht so einfach, etwas infektionsfreies zu schreiben dieser Tage. Aber ich habe mich dran gemacht. Nicht ganz frei von C_r_na, aber deutlich reduziert. Das Radler der Blog-Beiträge, quasi. Aber lest selbst.

Kein Schwein ruft mich an

„Kein Schwein ruft mich aaaan“, sang Max Raabe im Stile der 1920-er Jahre.
„Kein Schwein schreibt mich aaaan“ … so könnte ich in den 2020-er Jahren singen, wenn ich in den Briefkasten schaue. 

Denn da herrscht gähnende Leere:

  • Keine Postkarte von Freunden oder Familie. Woher auch, denn die Postkarte würde vermutlich aus dem Nachbarbezirk kommen und da war ich ja schon.
  • Nicht einmal eine Rechnung liegt drin, denn die kann ich ja „bequem online“ einsehen. Ich kann mich mit Passwörtern herumschlagen und mir einen Kopf machen, ob, wie und wo ich den Misst nun ablege. Von wegen bequem.
  • Na gut, der Bürgermeister wird sicher noch mal schreiben. Wegen AHA, Lüften, App und Impfung. Irgendwann. Vielleicht auch später.
  • Und Bundestagswahl ist ja nächstes Jahr auch…

Die einzigen Briefe, die mich erreichen, sind eher enttäuschend:

  • Erhöhung der Versicherungsbeiträge für die Familienkutsche
  • Brief an den Nachbarn, dessen Nachname sehr ähnlich ist
  • Zustellung einer Briefsendung bei der zuständigen Post-Filiale. Oah. Nööö!

Aber es gibt noch treue „Briefe-Schicker“:

  • Der lokale Optiker schickt mir ein Brillenputztuch zum Geburtstag.
  • Die persönliche Spaß-Kassen-Beraterin Frau Glanz, schickt mir auch eine jährliche Karte.
  • Und dann nicht zu vergessen, natürlich die Spendenaufrufe der Hilfsorganisationen zu Weihnachten. 

Ach was waren das noch für Zeiten als … 

  • Nach langem Warten einen Brief der Ferienlager-Liebe eintraf. Mit Herzchen verziert.
  • Der Automobil-Club wenigstens noch Mitgliederzeitungen verschickte und für Treppenlifte warb.
  • Der Bezirk einen Wegweiser für Ämter, Vereine, Begegnungsstätten und Kleinanzeigen in die Kästen warf.

Was soll ich nur machen?

  • Soll ich den Kasten einfach abbauen?
  • Vielleicht durch ein cooles Bild ersetzen oder durch einen Blumentopf? 
  • Oder muss ich möglicherweise doch noch den „Keine Werbung und kostenlose Zeitungen“-Aufkleber wieder abnehmen?

Mhm. Vorschläge?