271) Digitales Lernen 3 – Ein paar Ideen

Mit >Beitrag 1 der Reihe habe ich die Situation zum Digitalen Lernen an unseren Schulen aufgenommen, in >Beitrag 2 dann überlegt, wo eigentlich das Problem liegt. Wer beide noch nicht gelesen hat, sollte erst einmal mit denen anfangen, sonst wird das hier vielleicht etwas viel.

Heute soll es also mit ein paar Ideen zum Digitalen Lernen weitergehen. Aber erst noch schnell großen Dank an euch für die ausführlichen Kommentare bisher!!

Bevor ich aber starte, vielleicht noch ein paar Sätze vorab:

  1. Es sollen Impulse sein, einzelne Ideen. Es ist kein fertiges Konzept, die Zeit habe ich hier nicht und würde auch das Ziel dieses Blogs sprengen.
  2. Ich schreibe die Ansätze mit Erfahrung aus vielen Jahren Teil-Home-Office und Voll-Home-Office, wissentlich dass vielleicht nicht alles auf den Bildungsbereich und (sehr) junge Menschen übertragbar ist.
  3. Zur Vereinfachung klammere ich die Diskussion um unser föderales Bildungssystem aus, denn das ist nicht zwingend Voraussetzung für Digitales Lernen.
  4. Ich werfe alle Alters-und Schulklassen in einen Topf, unterscheide auch nicht in Charakter, digitaler Affinität  oder mentaler Aufnahmefähigkeit von Kids.
  5. Um dem Ganzen etwas Struktur zu geben, hangele ich mich an den Problemfällen aus Beitrag 2 entlang, tausche aber das Wort „Problem“ mit „Herausforderung“ 😉

Ansätze, Ideen, Impulse

Herausforderungen in der Technik

Hardware/Software und deren Finanzierung
Die Kids brauchen natürlich entsprechende Geräte, keine Frage, und entweder sind die bereits zu Hause vorhanden oder sie müssen Ihnen zur Verfügung gestellt werden. Das kann über eine Leihe sein, was natürlich wieder Administrationsaufwand mit sich bringt oder man kann das vielleicht von staatlicher Weise einfacher angehen, indem man einen Digitalisierungszuschuss zum Kindergeld ab dem 5. Lebensjahr gibt. Ein Laptop i.H.v. 400 EUR und einer Laufzeit von 3 Jahren, kostet den Staat 11 pro Monat und Kind. Dann wäre die Schule aus diesem ganzen Organisationsaufwand raus und man erzeugt nicht noch zusätzlichen Overhead für Bedürftigkeitsprüfung und Abrechnung der Geräte.

Zeitgleich muss man mit Software-Firmen über lizenzfreie, vielleicht auch limitierte, Software sprechen, es gibt bereits komplett freie Office-Versionen im Netz, aber die sind in den oberen Klassen nicht ausreichend. Es muss auch im Interesse der Hersteller sein, sich hier zu beteiligen, denn das sind schließlich alles ihre Kunden von morgen. Auch dabei wäre auch nicht die Schule in der Administrationsrolle für die Updates etc, dies sollte unbedingt vermieden werden, denn die Schule hat schon mit den eigenen Geräten genug zu tun.

Netzausbau und Skalierbarkeit
In der Schule muss auch investiert werden und zwar nicht nur mit ein paar Hotspots auf dem Gang und einem Drucker im Lehrerzimmer. Lehrkräfte müssen in der Lage sein, ihren Unterricht live aus dem Klassenraum in die Kinderzimmer zu streamen. Egal ob 15 Schüler, 30 Schüler oder zeitgleich an mehrere Klassen. Die Schwächen in der Netzanbindung, so glaube ich, liegen gar nicht so sehr in den Wohnungen der Schüler, sondern eher in den Schulen.

Herausforderungen im Doing

Schwarz und Weiß
Als erstes, glaube ich, muss man dieser so polarisierenden „Distanz-ODER Präsensunterricht“-Frage entkommen. Und auch von diesem platten Statement, „Home Schooling kann niemals echten Unterricht ersetzen“. Das soll es ja auch nicht. Die Farbe muss grau, statt schwarz/weiß sein. Beides muss ineinanderfließen, nur wenn beides zeitgleich funktioniert, dann ist man flexibel und kann auch künftige Modelle andenken. Ähnlich wie in der Wirtschaft, denke ich hier ganz besonders an alternierende Modelle. Auf jeden Fall sollten die Kids in die Schule kommen, wenn es erforderlich ist und Sinn macht (z.B. bei Vorträgen, Teamwork, Klassenarbeiten, Kunst, Musik, Sport), dann aber auch selbstverständlich zu Hause bleiben können, wenn es Vorteile bietet (z.B. stille Ausarbeitung von Themen, Lesen von längeren Texten, Bearbeiten von Übungsblättern). Das bringt noch ganz andere Vorteile mit sich: Weniger Verkehr, weniger Lärm in der Klasse, mehr Konzentration, mehr Zeit.

Planung
Ich denke auch, wir werden nicht dahin kommen, dass nun jeder Schüler kommt und geht wie er lustig ist. Das macht keinen Sinn. Aber mit entsprechender Planung des zu vermittelnden Stoffs, dem Wissen um verfügbare Raumkapazitäten und Lehrkräfte, muss sowas eigentlich möglich sein. Man kann mit Zeitkontingenten arbeiten, mit Pflichtanteilen und gewisse Anwesenheiten werden indiskutabel sein. Wie schon in Beitrag 2 geschrieben, darf solche Organisation nicht analog betrieben werden, das würde jede Schul-Administration überfordern. Aber auch dafür gibt es Tools. Dann ist es möglich, dass man sich z.B. am Tag 1 für eine Art „Kick-off“ trifft und die Woche bespricht, alles erledigt was mit Kommunikation zu tun hat, sich dann für Tage 2 und 3 ins Home Schooling verabschiedet, am Tag 4 wieder zusammen kommt, um die Ergebnisse zu besprechen, Tests zu schreiben und vielleicht an Tag 5 mal zusammen auf dem Sportplatz ein paar Runden dreht oder einen Workshop macht. Und Schulklassen haben gegenüber erwachsenen Teams sogar einen vereinfachenden Vorteil. In der Regel tun Schüler die gleichen Dinge, im gleichen Takt, mit den selben Termin dahinter.

Aufgaben
Die Aufträge für die kommende Woche, zusätzlich Hausaufgaben, Projekte und Sonderthemen, nötige Materialkäufe, bis hin zur Mitbringliste für das Sommerfest, werden alle über eine App verteilt, terminiert, automatisch erinnert und auch wieder eingesammelt. Eltern haben selbstverständlich Zugriff und sehen, ob die Kids im Plan sind und können nachsteuern. Es muss Schluß sein, mit diesem e-Mail-Chaos, das ist nicht mehr zeitgemäß! Wenn all das toolbasiert läuft, erübrigen sich Papier-Stundenpläne, Anwesenheitslisten, Krankmeldungen und Entschuldigungszettel.

Hybridunterricht
Man wird vermutlich weiter über halbe Klassenstärken nachdenken, aber das macht nur Sinn, wenn die jeweils andere Hälfte von zu Hause den Unterricht mitverfolgt sonst haben die Lehrer doppelt Aufwand. Das ist sicherlich nicht einfach, die Hälfte der Klasse vor sich zu haben und die andere Hälfte in der Ferne. Das erfordert gute Moderation und Disziplin aber mit entsprechenden Spielregeln und Motivation für die Schüler, lässt sich da sicher etwas machen. Wie? Ja fragt doch auch mal die Kids!

Dezentrales Arbeiten leben
Wichtig ist glaube ich, dass wir jetzt nicht nur digitalisieren für einen möglichen Ernstfall später und bis dahin die Lösung im Schubfach belassen. Nein, diese neuen Arbeitsweisen müssen ständig gelebt werden. In guten und in schlechten Zeiten. Dann bleiben die Prozesse in den Köpfen, dann bleibt die Technik up to date und vor allen Dingen der Content aktuell. Dann sind auch weitere Ideen möglich. Schüler müssen nicht nur von zu Hause arbeiten, Schüler könnten theoretisch an „Orten mit beaufsichtigtem Lernen“ arbeiten, aber dazu braucht es dann eben keine vollwertigen Lehrer. Schüler könnten in „Junior-co-working-spaces“ arbeiten, statt zu Hause vor der Playstation zu hängen, weil der Bruder gerade den Laptop braucht. Das geht aber alles nur, wenn der Content überall verfügbar ist.

Herausforderungen im Content

Initialisierung
Es würde ein Mega Projekt werden, wenn jetzt Lehrer anfangen müssen, sukzessive die Lernwolke mit Content zu füllen und sich doch bitte vorher noch eine gute Struktur überlegen. Vielleicht kann man da die Verlage mit einbeziehen, denn schließlich haben die all den Content bereits digital und schon in einer gewissen Struktur vorliegen. Warum können Verlage nicht verdonnert werden, Seite für Seite digital in der Plattform anzubieten. Dann würden Verlage zwar langfristig nicht mehr so viele Bücher drucken, aber sie kämen in die Rolle eines Content Curators oder Content Managers, also auch hier sind es völlig neue Aufgaben, die auf sie warten.

Print vs Online
Nun wird man schnell sagen, dass man am Computer so schlecht lesen kann. Und da stimme ich auch zu, zumindest wenn es um lange Fließtexte geht. Die können ja gerne in Form von Büchern bleiben, keiner soll Goethes Faust am Rechner lesen müssen. Aber es gibt eben auch genauso viele Dinge, die müssen nicht in Buchform sein müssen z.B. Schaubilder, Abläufe, Diagramme, Tabellen. Sie machen virtuell und animiert sogar mehr Sinn und dazu auch noch Spaß! Ältere Schüler könnten sogar vielleicht wählen, ob sie Pflichtliteratur lieber als Buch oder über den e-Reader lesen wollen.

Dokumentenaustausch
Arbeitsblätter und Rechenaufgaben sollten direkt in der Lernplattform ausgefüllt werden. Dann entfallen all die Uploads und Medienbrüche, die wir heute so beklagen und Lehrer haben sogar noch einen Vorteil, weil gewisse Ergebnisse automatisch gesichtet werden können. Nicht alles lässt sich in multiple choice abfragen, logisch. Aber mit entsprechenden Algorithmen könnte man schon etwas vorsortieren oder dem Lehrer bestimmte Markierungen geben, wo er mal genauer hinschauen sollte. Keine Panik es wird sicher weiter handschriftliche Aufgaben geben, aber es gibt auch Aufgaben die sind so klar strukturiert, da hilft dem Lehrer die Sauklaue der Schüler auch nicht gerade z.B.  Bruchrechnung, Addition, Subtraktion etc. Hier könnte Technik dem Lehrer sogar stupides Korrigieren abnehmen.

Herausforderungen im System

Rollen
Das ist sicher eine größere Baustelle. Es bedarf nicht nur Technik und Organisation, sondern neuer Rollen, neuer Zuständigkeiten, neuer Wege der Zusammenarbeit, auch von den Organisatoren und Betreibern solcher Lernplattformen.

Jobs werden sich ändern, Lehrer werden nicht mehr „nur“ vor der Klasse stehen, sie werden zusätzlich Content Provider, Coach, Moderator und Präsentator. Und auch Sozialarbeiter, weil sie aufpassen müssen, dass keiner der Schüler dabei unter die Räder kommt.

Die Einkaufsstrategie gegenüber Computer-Herstellen und Buchverlagen muss komplett überdacht werden, es muss mehr Druck aufgebaut werden, damit die Beteiligten selbst in die Lernprozesse eingebunden werden, statt nur „Lieferant“ für Blech und Papier zu sein.

Change
Und zu alldem kommt der nötige persönliche Wandel bei den Beteiligten dazu. Erwartungshaltungen müssen sich ändern, z.B. die Erwartung dass alles „geschult“ werden muss, bevor man mit Werkzeugen arbeitet. Und das Selbstverständnis, dass Software und Medien von heute auf morgen anders aussehen und man nicht großartig informiert wird. So wie im privaten Umfeld.

Verzicht und Agilität
Wir müssen wegkommen von dem Perfektionismus, von dem Anspruch, die 150 % Lösung zu bauen, denn die wird es nicht geben. Dazu bräuchte man Jahre und wenn die dann fertig ist, ist sie veraltet. Auch hier muss agil gedacht werden, in beherrschbaren effektiven Schritten anfangen und dann zügig skalieren und dazu gehört auch Weglassen. Sowohl bei liebgewonnenen Ritualen, als auch im Lernstoff selbst. Stichwort „Süßwasser-Polyp“ und „Das Leben und Schaffen von Brahms“ … sorry Johannes 😉

Neues Wissen
Vielleicht bräuchte man stattdessen ein neues Schulfach zur Selbstorganisation, zum Umgang mit solchen Arbeitsweisen, nicht nur für die Zeit des digitalen Lernens an der Schule, sondern auch im Vorgriff auf die Zeit wo die Kids mal in eine Uni oder Ausbildung gehen. Denn dort arbeitet man ja schon so.

Croudsourcing
Und das muss auch alles nicht nur von Lehrkräften geleistet werden. Schüler können eingebunden werden in Reviewprozesse, sie können sogar eigene Schaubilder in der Lernplattform anbieten, wenn die besonders gelungen sind, sie können auf inhaltliche Fehler hinweisen und Computer Freaks unter den Schülern können sogar Support machen. Auch Eltern können eingebunden werden, indem sie eigenes Spezialwissen vermitteln oder wenn sie selber Material brauchen, um ihren Kindern komplexe Dinge zu erklären, die sie selber nicht mehr auf der Pfanne haben.

Fazit für heute:

Also, da ist sicher viel zu tun, aber auch soooooo vieles möglich. Manches klingt vielleicht noch etwas abgedreht und nicht jedes Kind, Alter oder Fach ist dafür geeignet. Klar muss man Kids anders bei Laune halten als Homeoffice-Angestellte, klar muss man irgendwie lösen, dass die Kids nicht nebenbei zocken, aber das schafft man auch nicht mit schwarz/weiß-Kopien von Arbeitsblättern in einem überfüllten Klassenraum mit kaputten Fenstern. Wenn Kids in der Schule möglichst wenig trinken, bloß um da nicht aufs Klo gehen zu müssen, dann sehe ich in Digitalem Lernen ein vielversprechende Zukunft.

Vielleicht lässt sich so etwas sogar schneller auf die Beine stellen, als Investitions-und Bauanträge für Sanierungen für marode Schulen durchzukriegen. Wenn ich sehe, dass ein „Behelfs“-Bau für eine Berliner Schule Jahre braucht, bis er entworfen, finanziert und gebaut ist … dann halte ich das für gar nicht so unrealistisch.

Jetzt mach ich aber besser mal Schluss.

Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion 😉

Die anderen beiden Beiträge der Reihe:

308) Digitales Lernen 4 – Konzepte

Nach dem ich den Beitrag >Digitales Lernen – Teil 3 zu Beginn des Jahres veröffentlicht hatte, begab ich mich auf Netz-Recherche. Ich wollte wissen, welche Maßnahmen dazu so in der…

270) Digitales Lernen 2 – Wo liegt das Problem?

Aber warum tut man sich in Deutschland nach zwei Jahren immer noch so schwer?

So endete >Beitrag 1 dieser Reihe und damit mache ich heute hier weiter. Wer >Beitrag 1 noch nicht gelesen hat, besser erst einmal da beginnen.

Nach dem ich da meine Eindrücke in Form einer Bestandsaufnahme niedergeschrieben habe, will ich heute drüber nachdenken, was eigentlich die Probleme und Hindernisse sein könnten, wenn es darum geht, Schule zu digitalisieren. Bitte kommentiert und korrigiert gerne wieder, wenn ihr da andere Meinungen oder bessere Informationen habt 😉

Also wo liegt das Problem?

Probleme in der Technik:

Fehlt es an der nötigen Hardware?
Zumindest in der Schule kann ich mir das nur schwer vorstellen. Dort sollte es doch möglich sein, solche Dinge zu besorgen. Vermutlich einfacher, als das Klo reparieren zu lassen. In den Familien ist das nicht ganz so einfach. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in fast allen Familien Smartphones gibt, aber auf diesen Geräten kann man natürlich keine Schule machen. Trotzdem ist das doch eigentlich das geringste Problem, bedürftigen Familien entsprechende Laptops zu verschaffen. Mehr dazu in Beitrag 3.

Mangelt es am Netz?
Da könnte wohl etwas dran sein, obwohl ich auch glaube, dass die meisten Haushalte mittlerweile Anschluss ans Internet haben. Bei den Klassenräumen bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Wenn ich dann aber neulich in einer Videokonferenz höre, dass die Kinder am besten Kamera und Ton abschalten sollen, um eine stabile Verbindung zu gewährleisten, dann gibt es zu wenig Bandbreite und Kinder tauchen ab und verstecken sich.

Fehlt es am Budget?
Sicher wird so ein Vorhaben ordentlich Geld kosten, keine Frage. Aber die konventionelle Durchführung des Unterrichts kostet auch Geld und wenn man mal die Risiken und Nachteile dazu nimmt, dann noch viel mehr, würde ich mal sagen. Und wenn ich sehe, welche Gelder für Corona-Maßnahmen und Wiederaufbau in den von Unwettern zerstörten Gebieten locker gemacht wurden, dann kann es nicht am Geld liegen.

Probleme im Doing:

Ist die Unterrichtsplanung das Problem?
Logistik wird häufig unterschätzt, in der Tat. Aber es ist nur dann ein Problem, wenn man Digitales Lernen auf analoge Weise mit Zettelwirtschaft, Klemmbrett und Telefon plant. Die Planung muss natürlich auch digitalisiert werden. Was ich mir durchaus herausfordernd vorstelle ist, wenn die Lehrkräfte ja teilweise selber im Home Office sitzen und dort auch wieder deren Kinder umherspringen und Aufmerksamkeit von ihren Eltern fordern.

Ist digitaler Unterricht vielleicht unhandlich?
Klar lassen sich Papier-Hausarbeiten vielleicht schneller korrigieren und mit anderen vergleichen. Man hat was zum Anfassen, kann die Papiere vor sich ausbreiten, man kann Hinweise an den Rand kritzeln, als das mit Fotografierten Arbeiten oder PDFs effizient möglich ist. Allerdings liegt es m.E. auch genau an all diesen Medienwechseln, die heute für Frust sorgen. Das Problem ist hausgemacht! Der Lehrer muss ein Dokument uploaden und klassifizieren, die Schüler müssen das Dokument finden, downloaden, ausdrucken, ausfüllen, abfotografieren und wieder uploaden. Der Lehrer muss dann wieder alle 30 Ergebnisse sichten, kontrollieren und auf einem anderen Kanal sein Feedback oder gar Noten geben. Ein Wahnsinn! Kein Wunder, dass Lehrer keine Zeit haben, Videokonferenzen abzuhalten.

Liegt es am fehlenden Know-How bei den Kindern?
Das glaube ich kaum. Wenn ich sehe wie die Kids mit den Geräten hantieren, wie sicher sie bei Netflix und anderen Portalen unterwegs sind, da kann sich manch Erwachsener ein Scheibchen von abschneiden. Und gerade Schüler mit Sprach-Barriere haben es da vielleicht sogar anfangs noch einfacher, als sich unter 700 Kindern einer Berliner Schule zu integrieren und zu behaupten.

Liegt es am fehlenden Know-How bei den Lehrkräften?
Hier sehe ich schon einen wichtigen Punkt. In der Wirtschaft standen bereits Anfang der Neunzigerjahre flächendeckend PCs auf den Schreibtischen. Wie die Situation heute in den Schulen ist, weiß ich nicht, aber ich glaube, dass die Schulen nicht gerade vorne sind wenn es um IT Infrastruktur, deren Administration und dem nötigen Know-How-Aufbau im Kollegium geht.

Probleme im Content:

Ist die reine Menge der Lehrmittel das Problem?
Ich sehe auf keinen Fall ein Problem mit der Datenmenge, schaut man sich mal Netflix, Amazon Prime und YouTubes an, ist das alles machbar. Was man vielleicht hinterfragen kann ist, ob man denn alle Schulbücher, Übungshefte und Arbeitsblätter digital benötigt. Ich glaube, das braucht es gar nicht. Seit Jahren tragen Schüler schwere Schulbücher täglich hin und her und manche Seiten wurden nie angesehen.

Mangelt es an Struktur?
Ganz kurz? Ja. Wenn ich mir die beiden Plattformen so anschaue, die ich gesehen habe, fehlt es da an Struktur und an einer Definition „Was“ eigentlich „Was“ ist. Der einzige gemeinsame Nenner scheint noch das „Unterrichtsfach“ zu sein. Also Mathe, Deutsch etc, ein paar Level darunter, macht jeder was er will. Also z.B. was ist ein „Thema“?, Was eine „Unterrichtseinheit“?, Was ist eine „Buchseite“?, Was ist ein „Arbeitsblatt“?, Was ist ein „Schaubild“? Wie sind solche Dokumente zu benennen? Woran erkennt man sie? Und und und ….

Fehlt es an Attraktivität?
Auch wichtig. Der Großteil des Stoffes ist Lesestoff, der ist aber allein zu Hause wahrlich schwer zu konsumieren. Schaut man sich bei Profis um, findet man Videos, Animationen und WBTs. Mittlerweile rennen die Kinder und deren Eltern schon zu YouTube-Lehrern, weil sie da komplexere Dinge besser verstehen.

Probleme im System:

Liegt es an der freien Wahl der Lehrmittel?
Lehrkräfte haben heute Freiheiten in der Gestaltung des Unterrichts, nicht unbedingt bei dem „was“ Kindern beigebracht wird, aber beim „Wie“. Damit liegt auch die Entscheidung ob Unterricht digital vermittelt oder analog bei Ihnen. Nicht mal innerhalb in einer Schule kann anscheinend Konsens hergestellt werden und da rede ich mal noch gar nicht von Städten oder gar Bundesländern. Aus meiner Sicht ist das ein Mega-Hindernis, denken wir auch mal an Vertretungsfälle wegen Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit etc.

Wo ist der Content heute und wie tauglich ist er?
Durch oben besagte Freiheit in der Wahl der Lehrmittel, kann ich mir sehr gut vorstellen dass der Content heute in Leitz Ordnern, Klarsichthüllen und möglicherweise auf lokalen Festplatten schlummert. Wenn ich so manche Arbeitsblätter sehe, sind das bereits die x-fuchsten Kopien des Original-Papiers.

Oder ist unser föderales Bildungssystem das Haupthindernis?
Unser föderales Bildungssystem ist da sicherlich kein Beschleuniger, allerdings sehe ich das auch fürs Digitale Lernen nicht unbedingt als kriegsentscheidend. Beim Aufbau einer solchen digitalen Lernlandschaft kann ein Bundesland für sich alleine viel schneller agieren, auch wenn das aus gesamtdeutscher Sicht wirtschaftlich sehr fraglich ist. Aber der Lernstoff wird auch im Bundesland verantwortet, auch wenn das ebenso unverständlich ist. Das Problem des Bildungsföderalismus muss man angehen, ohne Frage. Aber wenn wir das noch vor der Digitalisierung machen wollen, glaube ich bei meinen Ur-Enkeln noch nicht an Digitales Lernen.

Oder blockiert da vielleicht irgendjemand ganz aktiv?
Möglicherweise in den Gewerkschaften der Lehrkräfte, weil sie ihre Mitglieder oder sich überfordert sehen? Oder bei den Lehrkräften selber, weil Wandel unbequem ist und am Ende ein völlig anderer Lehrerberuf rauskommen kann? Oder bei den Kultusministern, die an Macht und Einfluß verlieren? Oder bei den Schulbuchverlagen die Panik kriegen, nie wieder Schulbücher in diesen Mengen verkaufen zu können. Tja, da kann man nur mutmaßen, vielleicht tue ich auch Unrecht und da blockiert gar keiner. Aber bei dem Thema muss man eben auch „agieren“, statt nur „nicht blockieren“ und das sehe ich leider nicht.

Fazit für heute:

Vermutlich haben wir von all den Problemen etwas dabei und das macht erst recht deutlich, wie groß diese Aufgabe ist. Da ist es mit etwas WLAN an der Schule noch lange nicht gemacht.

Und darüber will ich in Beitrag 3 der Reihe etwas nachdenken, ihr könnt gern mitmachen.

PS: und wenn ich hier irgendetwas fachlich falsch dargestellt habe, dann bitte drauf hinweisen, denn hier bei dem Thema soll es sachlich zugehen 😉

Die anderen beiden Beiträge der Reihe:

271) Digitales Lernen 3 – Ein paar Ideen

Mit >Beitrag 1 der Reihe habe ich die Situation zum Digitalen Lernen an unseren Schulen aufgenommen, in >Beitrag 2 dann überlegt, wo eigentlich das Problem liegt. Wer beide noch nicht…

308) Digitales Lernen 4 – Konzepte

Nach dem ich den Beitrag >Digitales Lernen – Teil 3 zu Beginn des Jahres veröffentlicht hatte, begab ich mich auf Netz-Recherche. Ich wollte wissen, welche Maßnahmen dazu so in der…