403) Ausgegurkt

Gestern ging er kurz nach 18:00 in den Supermarkt um die Ecke, ein paar Kleinigkeiten zum Abendessen besorgen. Er hatte Appetit auf Gurke. Und da traute er seinen Augen nicht. Es gab nur noch eine einzige Gurke im ganzen Markt. Eine Mini-Gurke, ca. 13 Zentimeter lang. Das war’s. Sofort stieg Panik in ihm hoch und er griff zum Telefon. 

Er: „Schatz, es geht bergab. Pack’ das Nötigste in einen Koffer und melde die Kids von der Schule ab. Wir werden wohl aufs Land flüchten müssen. Anders werden wir dieser Versorgungsengpässe nicht mehr Herr … oder Frau. Und hattest du nicht mal eine Tante … da im Westen … ruf die auch mal an … vielleicht kann die ein Päckchen … Gurken … in den Osten schick … meine Güte wie armseelig ist das an … was fasele ich denn da.“
Sie: „ Jetzt beruhig dich doch erst einmal. Um was geht‘s denn überhaupt?“
Er: „ Hier ist alles … weg … wegen des Krieges. Keine Gurken mehr, folglich kein Gurkensalat mehr, kein Gurkenwasser … furchtbar. Alles weggegurkt!“
Sie: „Und jetzt?“
Er: „Keine Ahnung, ich kaufe jetzt 10 Kilo Paprika und 5 Säcke Möhren. Und Klopapier. Sicher ist sicher. Was wir haben, haben wir.“
Sie: „Ja von mir aus, aber dann komm‘ erst mal heim.“

Also schleppte er die Säcke voll Gemüse und Papier nach Hause und bat zur Familienkonferenz.

Er: „Familie, wir müssen weitere Opfer bringen. Erst Corona,  dann Heizung, jetzt Gurke.“
Kids: „Häh?“
Er: „Dies ist unsere letzte Gurke. Wir teilen sie durch vier. Geniesst euren Teil, riecht ausgiebig dran, bevor ihr es hinunterschluckt … oder legt das Stück noch beiseite. Hebt es bis zum Schluss auf.“
Kids: „ Häh?“
Sie: „Irgendwie kommt mir das bekannt vor.“
Er: „Häh“?
Sie: „Eine Kollegin hat heute berichtet, dass ihr Mann keine Tomaten mehr bekommen hat und sie dann auch angerufen hat.“
Er: „Und dann? Was hat deine Kollegin ihrem Mann gesagt?“
Sie: „Nich’ schlimm, kauf halt ein paar Gurken“.

Grmpf

Frühere Beiträge zum Thema:

309) Und bring‘ Senf mit, wenn‘s gibt

Liebe Heike, ich schreibe dir mal besser wieder Briefe, denn der Strom für e-Mail und WotsÄpp ist so teuer geworden. Der Sprit ja auch. In Köpenick wird sogar der Senf knapp. Was is‘ hier nur los? Haben die Unioner zu viel Stadionwurst gegrillt? Oder sind die Russen schon wieder über die Oder?

Also Heike, bring‘ bitte Senf mit, wenn‘s gibt. Gerne auch gleich mehr. Am liebsten den mit dem orangen Deckel, den extra scharfen aus Bautzen. Aber is’ eigentlich auch egal. Kann auch der aus dem Westen sein. Hauptsache Senf, weißt du?

Wir könnten euch dafür Mehl abgeben. Aber nur das dunkle Mehl, so Bio-Zeug halt. War sauteuer, aber besser als nix, weißt ja. So eigenartige Spaghetti aus Dinkel gab’s auch noch, ganz hinten im Regal, für 4,50 EUR die Packung. Essen eure Kinder so was? Kannst ja viel weiße Sauce drauf machen und alte Wurst anbraten, dann merken die das gar nicht, oder meinst du etwas doch? Käse gibt‘s durchaus noch. Habe ich selber gesehen. Nix aus Holland, aber Käse von hier. Besser als nichts. Musst‘ du halt den Rand abschneiden, aber dann kann man den noch essen. Geht schon.

Is’ ja wie im Osten oder? Aber damals hatte sich halt die Ilse drum gekümmert. Die hatte ja Zeit zum Anstehen, so als Frührentnerin. Die konnte stundenlang vor dem Fernseh-und Radiogeschäft warten und dann halt vier Farbfernseher kaufen, wenn‘s welche gab. An Fernsehern fehlt‘s jetz‘ nich‘ mehr, wir haben in jedem Zimmer so ein flaches Ding aus China stehen. Aber die kann man halt nich‘ essen.

Oder erinnerst du dich noch an diese Schaumdinger mit Schokoladenguss drüber … ja genau … diese „Negerküsse“. Soll man heute nich‘ mehr sagen, schon klar. Aber wenn sie eine Stiege davon ergatterte, dann fuhr sie von Pankow nach Hohenschönhausen und Prenzlauer Berg, um die halbwegs heil unter den Enkeln zu verteilen. Und selbst wenn die schon matsch waren, haben sich die Kinder gefreut. Immer.

Ach und wenn‘s bei Kohli‘s Gemüseladen mal Erdbeeren gab, da wuchs die Familie schnell mal an, weil es nur einen Korb pro Haushalt gab. Aber den Anstehkindern haben sie halt auch oft die vergammelten Erdbeeren angedreht oder die Kirschen mit Viehzeug drinne. Weißt‘ de noch? Zuteilung! Dit‘ is‘ hier wie früha‘ auf einmal.

Ich glaube, wenn dein Torsten meinen Heinz ganz nett fragt, nimmt er ihn bestimmt mal in seine Garage mit. Der hat da so viele Schrauben, Nägel und Maschinen. Echt gute Qualität. Der leiht die dem Torsten bestimmt mal aus. Für eine Kiste Export-Bier. Aber der Heinz mag auch ganz dolle Rhabarberkuchen, aber dazu müsstest du irgendwie an weißes Mehl rankommen, das dunkle Mehl, das isst der nich‘. Kennst ja den Heinz, da ist der sehr eigen mit so neumodischem Zeugs.

Tja; so isses‘ wohl wieder 😉

Liebe Anke, danke für die Inspiration.

https://tuttopaletti.com/2022/04/07/sag-dich-schickt-antonio/