309) Und bring‘ Senf mit, wenn‘s gibt

Liebe Heike, ich schreibe dir mal besser wieder Briefe, denn der Strom für e-Mail und WotsÄpp ist so teuer geworden. Der Sprit ja auch. In Köpenick wird sogar der Senf knapp. Was is‘ hier nur los? Haben die Unioner zu viel Stadionwurst gegrillt? Oder sind die Russen schon wieder über die Oder?

Also Heike, bring‘ bitte Senf mit, wenn‘s gibt. Gerne auch gleich mehr. Am liebsten den mit dem orangen Deckel, den extra scharfen aus Bautzen. Aber is’ eigentlich auch egal. Kann auch der aus dem Westen sein. Hauptsache Senf, weißt du?

Wir könnten euch dafür Mehl abgeben. Aber nur das dunkle Mehl, so Bio-Zeug halt. War sauteuer, aber besser als nix, weißt ja. So eigenartige Spaghetti aus Dinkel gab’s auch noch, ganz hinten im Regal, für 4,50 EUR die Packung. Essen eure Kinder so was? Kannst ja viel weiße Sauce drauf machen und alte Wurst anbraten, dann merken die das gar nicht, oder meinst du etwas doch? Käse gibt‘s durchaus noch. Habe ich selber gesehen. Nix aus Holland, aber Käse von hier. Besser als nichts. Musst‘ du halt den Rand abschneiden, aber dann kann man den noch essen. Geht schon.

Is’ ja wie im Osten oder? Aber damals hatte sich halt die Ilse drum gekümmert. Die hatte ja Zeit zum Anstehen, so als Frührentnerin. Die konnte stundenlang vor dem Fernseh-und Radiogeschäft warten und dann halt vier Farbfernseher kaufen, wenn‘s welche gab. An Fernsehern fehlt‘s jetz‘ nich‘ mehr, wir haben in jedem Zimmer so ein flaches Ding aus China stehen. Aber die kann man halt nich‘ essen.

Oder erinnerst du dich noch an diese Schaumdinger mit Schokoladenguss drüber … ja genau … diese „Negerküsse“. Soll man heute nich‘ mehr sagen, schon klar. Aber wenn sie eine Stiege davon ergatterte, dann fuhr sie von Pankow nach Hohenschönhausen und Prenzlauer Berg, um die halbwegs heil unter den Enkeln zu verteilen. Und selbst wenn die schon matsch waren, haben sich die Kinder gefreut. Immer.

Ach und wenn‘s bei Kohli‘s Gemüseladen mal Erdbeeren gab, da wuchs die Familie schnell mal an, weil es nur einen Korb pro Haushalt gab. Aber den Anstehkindern haben sie halt auch oft die vergammelten Erdbeeren angedreht oder die Kirschen mit Viehzeug drinne. Weißt‘ de noch? Zuteilung! Dit‘ is‘ hier wie früha‘ auf einmal.

Ich glaube, wenn dein Torsten meinen Heinz ganz nett fragt, nimmt er ihn bestimmt mal in seine Garage mit. Der hat da so viele Schrauben, Nägel und Maschinen. Echt gute Qualität. Der leiht die dem Torsten bestimmt mal aus. Für eine Kiste Export-Bier. Aber der Heinz mag auch ganz dolle Rhabarberkuchen, aber dazu müsstest du irgendwie an weißes Mehl rankommen, das dunkle Mehl, das isst der nich‘. Kennst ja den Heinz, da ist der sehr eigen mit so neumodischem Zeugs.

Tja; so isses‘ wohl wieder 😉

Liebe Anke, danke für die Inspiration.

https://tuttopaletti.com/2022/04/07/sag-dich-schickt-antonio/

 

 

15 Kommentare zu „309) Und bring‘ Senf mit, wenn‘s gibt

  1. Senf gabs auch schlecht? Ich erinnere mich an Tomatenketchup aus Werder, von dem in der Halle zwei pro einkaufendem Bürger abgegeben wurden. Da wurde auch die ganze Familie einzeln geschickt. 😀
    Na mal sehen, ob uns hier Händler des Vertrauens über eventuelle Engpässe retten können. Liebe Grüße aus Italien, nochmal online, aber kannst ja zur Sicherheit mal die Postanschrift rausrücken.

    1. Also Anke, im Köpenicker Kaufland soll’s keinen Senf mehr geben, spricht der Stadtfunk. Bloß gut, dass ihr da im Süden so viele „Menschen des Vertrauens“ kennt. La dolce Vita 😉

      1. Ob Senf etwa Wunder bewirken soll oder für den Katastrophenschutz taugt? 🤔 Wenn du da was Näheres erfährst, berichte es uns bitte. 😉

    1. Danke Belana Hermine. Vielleicht muss man asynchron kaufen. Nicht dann kaufen, wenn es etwas gibt, sondern immer das kaufen, was aktuell keiner haben will. Strebt das Volk nach Klo-Papier, sollte man in Senf investieren. Verlangt das Volk nach Mehl, kauft man halt Schrauben …

      Dann ist zwar die Bude bald vollgemüllt, aber man hat immer was zum Tauschen 😉

  2. Senf soll gegen Atombomben helfen, hab ich gehört. Vorsorglich 5 mm dick das Gesicht damit einschmieren, vor allem, wenn man außer Haus geht. Hab ich gehört.
    Ob was dran ist weiß ich nich, aber wer ganz sicher gehen will, sollte immer ausreichend Senf parat haben…

    Also, jetzt mal ernsthaft. Meine Mutter hat den 2. Weltkrieg erlebt und die berichtet, dass damals weder Klopapier, noch Spaghetti und auch kein Mehl oder Sonnenblumenöl gefehlt hat. Gehamstert und auf dem Schwarzmarkt vertickert wurden Zigaretten, Kaffee, Schokolade, sowas in der Art.

    1. Tja, ist schon alles verrückt. Wir hamstern hier Klopapier und Mehl, und ich meine es waren die Franzosen, die während des ersten Corona-Lockdowns Kondome und Rotwein gehamstert haben.
      Das wäre ja immerhin mal noch nachvollziehbar;-)

  3. Meine Abwandlung vom juten DDR-Selter-Kuchen ist ein Apfelkuchen, den man mit Öl backt. Mann war in drei (!) Supermärkten für eine Flasche Öl. Geburtstagskuchen für’s Kind gerettet. Völlig Panne! Vielleicht sollten wir Wodka hamstern für den Schwarzmarkt. Bei der Getreidenachfrage bestimmt eine Investition in die Zukunft.

    1. Das stimmt, ich kaufe morgen gleich alle Kartoffeln auf und brenne Schnaps. Und all den Reis nehme ich auch gleich mit und dann wird man mir das Öl zu Füßen werfen, dass sag ich euch!!

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