488) Rechnung an „Die letzte Generation“?

Woran merkt man, dass Berlin eine neue konservative Regierung hat und in die Spandauer Vorstadt-Piefigkeit abdriftet? Ganz offensichtlich. Man erwägt, Radwege schmaler zu gestalten und echauffiert sich den Mund fusselig, wenn „Die letzte Generation“ die Säulen des Brandenburger Tors mit oranger Farbe besprüht.

Dann braucht man ewig um eine Reinigungs-Kompanie zusammenzukriegen und weil man so genervt davon ist, tönt man seit Tagen über die lokalen Medien, die Rechnung würde an „Die letzte Generation“ gehen. Polter, Polter. Durchgreifen! Kante zeigen! Jawohl! Also da bleibt selbst mir, als „established“-er Anwohner im schicki-micki-bio-veggie-fair-diversem Stadtbezirk Prenzlauer Berg die Spucke weg. 

Wie einfältig, wilmersdorfig und charlottenburgisch uncool ist das denn lieber Herr Kai Wegner?

Dieses geschichtsträchtige Brandenburger Tor hat nun schon wirklich oft gelitten und alles überstanden. Weltkrieg, Silvesterparty, Pyromanen, Autoverkehr und jetzt droht es anscheinend umzukippen wegen etwas Farbe? Und nun glauben Sie, das macht man mit einem Sandstrahler weg und dann ist alles wieder gut? Davon mal abgesehen, dass in sechs Wochen wieder eine Sylvester-Party am Tor stattfindet? 

Das ist doch lächerlich! Die ganze Stadt tropft vor Scheiß-nicht-lesbarem Graffiti (nicht Street Art gemeint) und mit dieser Schäbigkeit und alternativen Lebensweise werden Touristen nach Berlin gelockt und schleppen Geld hierher. Und dann führt man sich auf, wie der Gemeindevorsteher einer schwäbischen Kleinstadt zu Neujahr um 01:30 Uhr? Sorry, liebe Leser in schwäbischen Kleinstädten, es geht nicht gegen euch. Es geht mir um diese „Wir-wischen-das-mal-schnell-wieder-weg-und-dann-ist-alles-wieder-gut“-Mentalität, die hier in an den prominenten Stellen der „hippen“ Hauptstadt vermehrt Einzug hält.

Das ist lächerlich, dumm und provokant. 

Hätte die Stadt ein bisschen Mumm, würde sie es einfach so belassen. Als … (ja durchaus) …  hässlichen Anstoß zur Diskussion, für Einwohner und Besucher. Sollen die Menschen das gut oder schlecht finden, mir völlig egal, aber so ist das nun mal bei der Klima-Debatte … sie polarisiert … und da werden noch ganz andere Herausforderungen auf uns warten, also so ein bisschen Farbe. Sollen doch Touristen-Busse jeden Tag an diesem „Schandfleck“ vorbeifahren, sich ein Bild davon machen und damit konfrontiert werden. Sollen orange bepinselte Steinstücke verkauft werden, wie die gefälschten „original“ Mauerstücke seit über 30 Jahren.  

Und wenn das „orange“ nun wirklich nicht ins Metropolen-Konzept passt, dann soll der Regierende Bürgermeister von Berlin, das von mir aus mit blau-gelb für die Ukraine überpinseln oder mit weiß-blau für Israel. Oder mit Regenbogen für alles Diverse auf dem Planeten, ist mir wirklich Wurscht.

Aber das wäre wenigstens ein Statement!

Stattdessen Waschlappen gegen Klimaproteste…

Weicheier!

… und wenn diese Betriebsamkeit bei unseren Baustellen herrschen würde … wir wären eine Metropole.

405) Gesinnung

Ich hatte Gelegenheit über Gesinnung nachzudenken.

Gestern hatten wir Karten für Böhmermanns Musik-Programm. Eine Art „Festival des politischen Liedes“ sozusagen, er nannte es zwar anders, aber im Prinzip kam es aufs Selbe raus. Also trotteten wir 19:30 Uhr zur Max-Schmeling-Halle und da war schon mal mehr Polizei vor Ort, als sonst bei Konzerten oder Sportveranstaltungen und irgendwie … knisterte es in der Luft. Aber die Polizei war nicht wegen Herrn B. oder Herrn T. dort.

Nein, der Vorplatz war eh schon proppenvoll mit Gästen, da hatten sich zusätzlich noch eine Truppe Verschwörungsspinner mit „Die Basis“-Fahnen zu Demo oder Wahlkampf auf dem Falkplatz positioniert. Ihnen gegenüber ein Gegenprotest-Mix (aus Antifa, Omas gegen Rechts oder so … konnte ich nur schwer einsehen).  Die eine Seite faselte also ihren Blödsinn von inszenierter Pandemie und die andere Fraktion hielt mit Rufen dagegen. Die Polizei als Puffer zwischen ihnen. Danke. 

Währenddessen versuchten wir die „Anstell-Logik“ beim Einlass zu verstehen. Eine Sorte Mensch strömte von überall auf die Türen zu und quetschte sich nach „Me first-Taktik“ durch, die andere Sorte Mensch stellte sich an. Wie programmierte „Schlafschafe“. Wir standen auch an und permanent strömten Leute vorbei, um sich vorn reinzudrängen. Konflikt inklusive. Na gut, selber Schuld. Was stellt man sich auch an? Macht das heutzutage noch Sinn?

Böhmermann und Band zogen ihr Programm durch, manche Sachen mochte ich, andere wiederum waren schwer zu verdauen … oder auch zu verstehen … rein akustisch. Ist ja auch kein Opernsänger der gute Mann und die Halle dient normalerweise dem Sport. Aber das soll hier auch gar keine Konzertkritik werden.

Die BZ, ein Käseblatt Berlins, schrieb am 10.01.23 online,  „…der Star des Abends hatte es durchaus mit Hardcore-Jüngern zu tun, die wirklich alles von ihm abfeierten“. Und dann ein paar Sätze später: „Böhmermann und den Großteil seiner Fans verbindet eine klare Gesinnung, sie wurde den ganzen Abend hochgehalten. Und da passte es auch ins Bild, dass ein Bruder im Geiste der Überraschungsgast des Abends war: Danger Dan. Der sang und spielte seinen Aufreger-Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.““

Ja genau. Das ist Freiheit. Freiheit irgendwo hingehen zu können, und eben nicht gleich Fan, Fanatiker oder Gleichgesinnter zu sein, sondern denkender Zuhörer, nicht querdenkender Schreihals.

Anmerkung zum Bild: Ihr könntet meinen ich bin nur 1,60m groß, wenn ihr das Titelbild seht. Es ist mit Absicht so fotografiert, damit man nicht sieht wo ich war. Zum Selbstschutz … sonst stehen hier irgendwann Käse-Reporter oder Alu-Spinner vor der Tür und erklären mich noch zum Gesinnungsgenossen und ich fliege besinnungslos in die Gossen 😉

259) Show Business

Neulich bin ich mal über der Kultur-Beilage der Wochenendzeitung hängengeblieben. Kurz vor Weihnachten werden da natürlich auch die Konzert-Events in 2022 beworben. Auffällig war, dass die Künstler dort alle bereits im fortgeschrittenen Alter oder eben gar nicht mehr sind.

Eine kleine Auswahl:

  • Elvis Presley schwingt wieder die Hüften und hat sogar ein paar Kilo abgenommen. Na, wer da keine „Fremdartigen Gedanken“ bekommt.
  • Witney Houston ist auch zurück, mit halb geschlossenen Augen und bebender Oberlippe macht sie jeden zum Bodyguard und schwört „Das sie dich ewig lieben wird“.
  • Louis Armstrong kommt auch zum Christmas Special, pausbäckig und mit breitem Grinsen singt er von dieser „Wunderbaren Welt“ auf der wir hier leben. Mhm. Na ja, wenn der Satchmo wüsste …
  • Heinz Erhardt grinst schelmisch von zwei Anzeigen und lacht sich schon vor dem Event halb kaputt, denn … „Immer wenn ich traurig bin … “ Prost!
  • Dem Freddie Mercury sitzt die weiße Hose wieder knackig eng, auch nach 30 Jahren. „Die Show muss weitergehen!“ R.i.P. Freddie!
  • Die alten Schweden von ABBA kommen gleich mehrfach in die Hallen und sogar zeitgleich. Das geht, denn ihr wisst ja, „Der Gewinner bekommt alles“.
  • Bei der Anzeige für Genesis habe ich dann doch dreimal hingeguckt. Ich hatte jüngst eine Aufnahme von Phil Collins gesehen, da sah der aber gar nicht gut aus. „Against all Odds“. Respekt.
  • Die Wolfgang Petry-Kopie trägt immer noch lange Locken, Holzfäller-Hemd und 10 Kilo Freundschaftsbändchen am Unterarm. Das ist „Wahnsinn!“
  • Die Skorpions kommen in Natur, die Jungs sind nun auch schon Mitte siebzig und so ein Konzert musst man dann halt auch erst mal durchziehen. Wie kann man eigentlich Pfeiflaute aufschreiben? „Pü-ü-ü … Pü-ü-ü-ü-ü“?

So, „Elvis has left the building“ und ich mach mich jetzt auch mal auf die Nachrichten-Couch, bevor noch „Zugaben“ gefordert werden und ich mit Bademantel und Schlappen ans Klavier muss;-)

PS: ich sollte vielleicht mal die Zeitung wechseln …