449) Mit Kanonen auf Spatzen

Neulich diskutierte ich mit einer Schwedin ein Feature, was für den Einsatz in Skandinavien etwas dimensioniert schien. Aber der Hersteller der Software hat es nun mal so groß aufgesetzt, also muss das System wenigstens mit einem nordischen Minimum konfiguriert werden, damit es läuft. Im Gespräch sagte ich dann, dass wir dafür in Deutschland ein Sprichwort haben, nämlich „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Sie entgegnete, dass es dafür in >Schweden kein Sprichwort gibt.

Und das brachte mich dann ins Grübeln:

  • Die Schweden haben doch aber Spatzen, habe ich selber gesehen.
  • Und an Kanonen auf alten Burgen erinnere ich mich auch.
  • Nutzen sie etwa die Kanonen für andere Dinge, als auf Spatzen zu schießen? Wozu?
  • Oder haben sie das Problem im Norden einfach nicht. Sind ihre Lösungen immer dem Problem auf den Leib geschneidert und ggf. eine Nummer kleiner?
  • Ist die Kollegin mit den Sprichwörtern Schwedens einfach nicht so bewandert und die haben da durchaus etwas Ähnliches?

Ich hab dann selber etwas recherchiert und fand bei der Datenkrake die Redewendung “skjuta mygg med kanoner“ übersetzt „mit Kanonen auf Mücken schießen“. Gut, das kann ich verstehen. Mücken gibt es da durchaus, aber mit Kanonen auf Mücken schießen, ist ja noch viel irrer als mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, würde ich mal sagen. Die dortigen Spatzen wird es sicher freuen, nehme ich an. Aber Mücke möchtest du da in Schweden auch nicht unbedingt sein, oder? Entweder stinkt alles nach Mücken-Spray und die andere Hälfte des Jahres ist es dunkel oder du wirst von einer Kanone getroffen? Geht das überhaupt rein technisch? Können Mücken von einem Geschoss getroffen werden? Über Geschosse nachzudenken, macht dieser Tage auch nicht so richtig Laune. Aber in unserer alltäglichen Sprichwortlandschaft gehts schon noch recht militant zu, alter Schwede. Da lässt man gern mal „die Bombe platzen“, hat etwas „auf dem Radar“, startet gern mal ein „U-Boot“ und arbeitet an allmöglichen „Fronten“ gleichzeitig.  

Alternative gäbe es da für die Kanonen noch die eher pazifistisch anmutende „Gießkanne“ im Angebot, die ein ähnliches Phänomen beschreiben kann, aber wenn man mit >Gießkannen nach Spatzen … oder Mücken schmeißt … scheint mir das auch etwas „too much“.

PS: die Engländer sagen wohl „to use a sledgehammer to crack a nut“, bei den Chinesen gibts so etwas wie „Zuweilen wird ein Baum gefällt, um einen Spatz zu fangen“.

Nicht nur zuweilen …

243) Wortwahl: Die Einschläge kommen näher

Obwohl in unserem Land doch relativ wenig geschossen wird, liebt der Deutsche anscheinend den Militärsprech. Da wird gern mal mit Kanonen auf Spatzen geschossen, das schwere Geschütz aufgefahren, manch Sache in Angriff genommen oder die Fahne hochgehalten. Hauptsache es gibt einen Wumms.

In letzter Zeit höre ich in den Medien häufiger die Bemerkung „Die Einschläge kommen näher“. Klingt so, als säße man im Keller und das Wummern draußen wird immer lauter und gefährlicher. Zum Glück war ich nie in der Situation. Andere Menschen, auch Kinder, erleben gerade genau das.

Was kommt näher?

  • Zunächst habe ich diese Formulierung im Kontext von Terrorismus wahrgenommen und da kann ich ja noch eine inhaltliche Verbindung erkennen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns wieder erwischt.
  • Dann habe ich den Satz wieder in der Corona-Hochsaison gehört, dabei meinte man nicht etwa Granaten, sondern die zunehmenden Infektionen im Freundes-und Bekanntenkreis.
  • Aber auch bei den jüngsten Unwetterkatastrophen, den Überschwemmungen und Zerstörungen im Westen Deutschlands kam der Satz wieder hoch und wollte sagen, dass solche Ereignisse häufiger werden und immer mehr Menschen treffen werden, wenn nicht bald mal was passiert. So habe ich das zumindest verstanden.
  • Und nun sprachen noch die Kollegen unserer IT-Sicherheit davon und zitierten genau so. Wieder ging es um Viren, nicht um Corona diesmal, aber um Hackingangriffe, Ransomwareattacken und das andere vielfältige Besteck der Cyber-Kriminalität.

Tja Leute, die Einschläge kommen also näher von allen Seiten. Sei es von Extremisten, Klimaveränderungen, Viren/Bakterien oder eben Hackern. Im schlimmsten Falle, alles zur gleichen Zeit. Großartige Aussichten oder?

Und was machen wir da nun?

  • An der Abwehr arbeiten?
  • Die Bazooka rausholen?
  • Blitzkrieg ?

Oder weiße Fahnen hissen?

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72) Wortwahl: Erzen und Unsen

Das Siezen und Duzen ist allbekannt ein komplexes Thema. Ein paar Buchstaben machen einen Riesen Unterschied aus. Mit ihnen schwingen Respekt, Altersunterschied, Nähe, Sympathie, Amt und Status durch den Raum. 

Man weiß nicht so genau, wer zuerst das „Du“ anbieten kann oder sogar soll, also wartet man auf die nächste Weihnachtsfeier. Mit Glühwein auf der Zunge, fällt uns das anscheinend leichter.

So richtig verwirrend ist aber das sogenannte „Erzen“:

Wenn mir mein Fahrlehrer damals Anweisungen gab, sprach er mich immer in der dritten Person an.

  • Kann er mal rechts abbiegen?
  • Hat er ganz gut gemacht!
  • Er darf mal bitte rechts halten.
  • Da sollte er aber in den Spiel schauen!
  • Muss er denn immer noch im dritten Gang fahren?

Vielleicht bin ich deshalb durch die praktische Prüfung gefallen, weil ich nicht wusste von wem er eigentlich die ganze Zeit spricht.

Wikipedia sagt: Im 17. und 18. Jahrhundert war auch die Anrede mit Er, das Erzen, in unterschiedlichem Kontext in weitem Gebrauch. Es konnte durch Vorgesetzte und Standeshöhere verwendet werden, um eine gewisse Geringschätzung oder einen Vorwurf zu vermitteln.

Na vielen Dank auch Herr Fahrlehrer!

Auch sehr lustig, is die Ansprache in der Wir-Form:

  • Etwa beim Zahlen: Ham‘wa denn `ne Kundenkarte?
  • Oder beim Pförtner: Wen suchen `wa denn?
  • Gar beim Doktor: Na, wie gehts uns denn heute?

Da würde ich am liebsten antworten: „Gut soweit und selbst so?“

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66) Wortwahl: In die Luft gesprengt

Dieser Tage wird viel über die Wahl unserer Worte diskutiert. Brutal, hässlich und beleidigend geht es da streckenweise im Netz zu. Korrekt. Das muss sich ändern.

Manchmal fallen mir aber auch andere, zunächst harmlos erscheinende Formulierungen auf, die wir, aber auch selbst die Nachrichten, völlig selbstverständlich nutzen.

Zum Beispiel:Der Attentäter hat sich in die Luft gesprengt“ oder so ähnlich. Da zucke ich jedes Mal zusammen, wenn ich das höre. Warum “in die Luft”? Ist das wichtig? Spielt das eine Rolle?

    1. Soll es die Sache verniedlichen? Ist es etwa so wie bei Tom und Jerry, dass man gerade hoch in die Luft fliegt, dort oben kurz verharrt, doof in die Kamera schaut, dann wieder pfeifend auf den Boden fällt und sich eine Beule einfängt?
    2. Ist es vielleicht unsere christlich geprägte Vergangenheit, die hinter dieser „Luft“ nahtlos den ersehnten Himmel erwartet? Aber der Himmel würde doch hoffentlich für den Attentäter die Tür verrammeln oder?
    3. Oder sind solche Explosionen wirklich so stark, dass nichts außer Staub und „Luft“ übrigbleibt. Glaube ich eher nicht.

Nun bin ich weder Sprengstoffexperte noch Forensiker, aber ist es nicht eher so, das Körperteile abgerissen, durchgerissen und im Umkreis der Explosion überall verteilt werden? Sorry, für die unappetitlichen Bilder, die sich in den Köpfen bilden, aber wenn es so ist, dann sollte man das auch sachlich formulieren. Keine Ahnung wie. Aber jemanden „in die Luft“ sprengen oder gar „jagen“ oder „gehen zu lassen“ wird dem Übel nicht gerecht.

„Der Attentäter hat sich selbst und zehn umstehende Menschen mit Sprengstoff getötet.“ Punkt. Schlimm genug, aber das ganze Drumherum macht‘s doch nicht besser.

Gerade zufällig im Internet gefunden:

„DIE WASSERLEICHE AUS DER ELBE IST NOCH NICHT IDENTIFIZIERT
Der unbekannte Tote hat sich in die Luft gesprengt“
http://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/stade/c-blaulicht, 19.08.2019

What?

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