545) GPT – Im Gemeindienst gegen Aggressivität

Dass man mit ChatGPT und ähnlichen generativen KI‘n erstaunliche Ergebnisse erzielen kann, ist quasi schon ein alter Hut. Und dass der Ton unter den Menschen lauter, rauer und aggressiver wird auch. Und da kam mir gestern in einem Meeting der Gedanke, ob man nicht grob formulierte Aussagen eines Teilnehmers einfach mittels GenAI nach „freundlich“ übersetzen könnte. Gleiches ließe sich natürlich auch in Outlook, Zoom, WhatsApp, Telegram oder sogar bei Facebook und X nutzen. Jemand blafft einen anderen an, das System übersetzt dann in realtime nach „freundlich“, der Empfänger fühlt sich gut behandelt und der Absender konnte seinen Frust loslassen.

Hier drei fiktive Beispiele, mit denen ich ChatGPT bat, die mal in „extrem freundlich“ zu übersetzen.:

ICH: „Ey du Blindfisch da vorn, grüner wird es nicht. Jetzt schieb deine Karre aus dem Weg, sonst mach ich dir Beine!“
GPT: „Oh, hallo dort! Entschuldige bitte die Störung, aber ich habe bemerkt, dass du ein bisschen im Verkehr feststeckst. Ich wollte nur freundlich darauf hinweisen, dass die Ampel grün ist und wir uns alle darauf freuen, weiterzufahren. Wenn es dir nichts ausmacht, könntest du vielleicht deinen Karre ein kleines Stück zur Seite schieben, damit wir alle vorankommen können? Ich würde mich wirklich sehr darüber freuen! Vielen Dank!“

ICH: „Hallo Heiner, wenn du das verschissene Konzept, nicht bis Freitag abgibst, dann war‘s das mit deinen Beförderungsträumen. Dann kannst du dich nach einem neuen Job umsehen und abends Pizza ausfahren!“
GPT: „Hallo Heiner,
Wie geht es dir? Ich hoffe, dein Tag ist bis jetzt wunderbar verlaufen! Ich wollte nur kurz darauf hinweisen, dass es wirklich wichtig ist, das Konzept bis Freitag abzugeben. Es ist wirklich sehr wichtig für das Team, und ich weiß, dass du das großartig hinbekommen wirst! Falls du irgendwelche Unterstützung brauchst, bin ich natürlich gerne für dich da. Ich möchte nur sicherstellen, dass du all die großartigen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung wahrnehmen kannst. Vielen Dank im Voraus für deine Bemühungen, und lass uns wissen, ob wir noch etwas tun können, um dir zu helfen!“

ICH: „An die Sportlehrerin: Wenn sie meinen Sohn noch einmal zu solch affigem Bodenturnen zwingen, überlege ich mir eine besondere Übung für sie und lasse meinen Schwager und seine Jungs mal bei ihnen auflaufen.“
GPT: „Liebe Sportlehrerin, ich hoffe, Ihr Tag ist bisher wundervoll verlaufen! Ich wollte nur kurz anmerken, dass mein Sohn vielleicht nicht der größte Fan von Bodenturnen ist. Ich verstehe, dass es Teil des Lehrplans ist, aber ich wollte nur sicherstellen, dass er sich wohl fühlt und Freude am Unterricht hat. Vielleicht könnten wir gemeinsam überlegen, ob es Alternativen gibt, die ihm mehr Spaß machen könnten?
Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung!
Herzliche Grüße“

Und?
Das klingt doch schon ganz anders, oder? Schon viel zu nett, aber daran kann man ja noch arbeiten. Schließlich muss es der Empfänger ja auch noch kapieren. Aber wenn es eine solche App gäbe, gäbe es innerhalb von Tagen auch eine App für die andere Richtung. 

Generative KI gilt als „dual use“-Technologie, man kann gute Dinge damit anstellen, aber durchaus auch schlechte Sachen. Stellt euch eine App vor, die nett und konstruktiv formulierte Texte, Briefe, e-Mails ohne euer Wissen in extrem unfreundliche und aggressive Formulierungen wandelt.

Den Rest kann man sich denken.

Also in diesem Sinne,
mit wirklich, wirklich,
freundlichen Grüßen,
aus der hippen Hauptstadt.
T.

Frühere Beiträge zum Thema:

94) Corona-Lektionen 16

Kaum war >Corona-Lektionen 15 veröffentlicht, wurde letzten Mittwoch nun bekanntgegeben, wie es mit der Schule weiter geht. Gar nicht. Zumindest bis Anfang Mai. Doof, aber immerhin mal `ne klare Ansage. Besser als dieses permanente Spekulieren.

Drei Gedankengänge aus den letzten Tagen:

Positives: Nach dem letzten Beitrag auf ->Ida‘s Blog habe ich über positive kurzfristige Effekte nachgedacht, die diese Zeit für uns im Angebot hat. Neben der gewonnenen Zeit und Entschleunigung, über die ich schon geschrieben habe, gibt es da viele Kleinigkeiten, die man nun endlich mal machen kann. Hier ein paar Vorschläge, ihr könnt gerne weitere kommentieren: Wollte man schon immer mal grüne Haare oder eine Glatze probieren, dann ist jetzt der ideale Zeitpunkt dafür. Einfach mal sehen, wie man mit Vollbart oder Schnauzbart aussieht? Jetzt machen! Nach Herzenslust Knoblauch futtern ohne sich Gedanken zu machen, ob man morgen Kollegen trifft? Macht es! Großräumig Menschen ausweichen, ohne als soziophob zu gelten? Herrlich! Selbst nur zwei Brötchen mit Karte zahlen? Was für ein Vergnügen in Deutschland!

Dummes: Heute habe ich im Supermarkt ein Gespräch zwischen einer Kundin und ihrer Kassiererin mitbekommen. Darin berichtete die Frau hinter der Kasse auch über manch miese Reaktion, die sie erwidert bekommt, wenn sie auf bestimmte Corona-Spielregeln hinweist. Nur ein Erlebnis frei zitiert „Du blöde Schnepfe, hättest du mal etwas ordentliches gelernt …“ mehr gebe ich hier nicht wieder. Der Wachmann habe wohl schon viele Hausverbote erteilt, erzählte sie weiter. Was hat diesen Mitmenschen nur das Hirn gegrillt? Ist es Corona? Sorgt Covid-19 nicht nur für Verlust des Geruchs-und Geschmacksinns, sondern fördert es vielleicht auch Stumpfsinn, Dumpfsinn, Pöbelsinn oder Größenwahnsinn?

Begrüßenswertes: Anfang März war ich auf einer Veranstaltung, die von unserem Bundesarbeitsminister eröffnet wurde. Als Warm-Up faltete er die Hände und nickte uns im Publikum ein Indisches „Namaste“ entgegen. Berührungsfrei, aber trotzdem herzlich. Jeder, der schon mal in Indien war weiß, dass sich das weitaus besser anfühlen kann, als ein feuchter europäischer Händedruck. Auch Günther Wallraff schlug kürzlich vor, eine neue Art der berührungsfreien Begrüßung zu entwickeln. Großartig! Ich bin dabei. Keine schlaffen Hände mehr schütteln, keine „Hugs and Kisses“ im Job, die ich noch nie leiden könnte (siehe auch Beitrag ->38) Kannst du kniggen). Aber was kann es werden? Nase-Reiben wie die Eskimos? Geht nicht, zu nah. Verbeugen wie die Japaner? Gut gegen Viren, aber für unsere Verhältnisse zu förmlich. Ellenbogen reiben ist albern. Also … dann gern Namaste!

Viele Grüße an Freunde, Kollegen und Blogger in Indien.

Haltet durch!

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