636) Auswärtsspiel – 2

Seit >Auswärtsspiel – 1 sind schon sechs Jahre vergangen. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Gesten trug es uns nach Berlin-Spandau. Eine kleine Weltreise in derselben Stadt.

Diesmal sind die Dinge etwas anders, als beim letzten Mal in 2019. Die vier Jungs sind alle 1,80 m groß, riechen gut, ihre Stimmen kratzen und hüpfen. Sie nennen sich gegenseitig alle „Digger“, das macht es mir als Fahrer leichter. Ich muss nicht auf Namen achten. 

Sie sind aufgeregt und auch angespannt. Die gegnerischen Spieler wurden gestern bereits übers Internet gecheckt. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei immer aufs Alter gelegt, auf die Breite ihre Kreuze und deren Bartwuchs, um daraus abzuschätzen, wie lädiert man nach Hause kommt. Eine weitere Komplikation an diesem Spiel wird sein, dass unser Torwart nicht einsatzfähig ist, es muss ein Feldspieler in den Kasten. Die Jungs befürchten daher ein Schieß-Buden-Spiel, aber mal sehen was draus wird.

Wir fahren wir über den Bezirk Wedding nach Spandau. Das ganze dauert wegen diverser Baustellen über 50 Minuten und so lausche ich ihrer Unterhaltung. „Sicher … Digger … Freunde der Sonne … checks‘t du‘s … ich check‘s nich‘ … ich check‘s Digger.

Zum Glück verwenden sie noch das Wort „geil“ recht häufig, dadurch komme ich noch ganz gut mit und verstehe worum es geht.

Beim Auflauf der Gegner werden unseren Spielern (und dem hier schreibenden Vater und dessen Bruder) die Knie weich. In Spandau scheinen Jungs in dem Alter größer und breiter zu sein. Im Spielfeldrand finden sich zusätzlich zwölf halbstarke Anhänger der gegnerischen Mannschaft ein. Sie balzen und rangeln untereinander, sie sind laut, ich verstehe kein Wort, vielleicht auch ganz gut so.

Es war ein raues Spiel, der Schiri war vom Gegner gestellt und stand immer 80 m weit weg vom Geschehen, es wurde viel beschwert und diskutiert. Die Jungs haben gekämpft und haben ganz schön gelitten, aber sie haben 8:0 gewonnen, durch Technik und Köpfchen! Während des ganzen Spiels knisterte es über dem Platz und jeden Moment drohte das Ding irgendwie zu eskalieren. Ich war zwar als „Verstärkung“ mitgekommen, aber üblicherweise kämpfe ich ja mit Worten und bin im Nahkampf absolut ungeeignet.

Nach dem Abpfiff wurde es dann bei den Kabinen noch mal etwas brenzlig. Ich zeigte da einfach nur Präsenz und guckte mürrisch drein, das kann ich ganz gut. Und dann aber ganz schnell zum Auto und ab nach Hause. Und natürlich noch ein Stop beim nächsten Burger-Bräter, die Gemüter abkühlen und die Akku‘s auffüllen.

Glückwunsch Jungs, gut gemacht und verdient gewonnen, aber irgendwann kommt wohl der Tag, an dem es mal kracht.

PS: Titelbild via ChatGPT

545) GPT – Im Gemeindienst gegen Aggressivität

Dass man mit ChatGPT und ähnlichen generativen KI‘n erstaunliche Ergebnisse erzielen kann, ist quasi schon ein alter Hut. Und dass der Ton unter den Menschen lauter, rauer und aggressiver wird auch. Und da kam mir gestern in einem Meeting der Gedanke, ob man nicht grob formulierte Aussagen eines Teilnehmers einfach mittels GenAI nach „freundlich“ übersetzen könnte. Gleiches ließe sich natürlich auch in Outlook, Zoom, WhatsApp, Telegram oder sogar bei Facebook und X nutzen. Jemand blafft einen anderen an, das System übersetzt dann in realtime nach „freundlich“, der Empfänger fühlt sich gut behandelt und der Absender konnte seinen Frust loslassen.

Hier drei fiktive Beispiele, mit denen ich ChatGPT bat, die mal in „extrem freundlich“ zu übersetzen.:

ICH: „Ey du Blindfisch da vorn, grüner wird es nicht. Jetzt schieb deine Karre aus dem Weg, sonst mach ich dir Beine!“
GPT: „Oh, hallo dort! Entschuldige bitte die Störung, aber ich habe bemerkt, dass du ein bisschen im Verkehr feststeckst. Ich wollte nur freundlich darauf hinweisen, dass die Ampel grün ist und wir uns alle darauf freuen, weiterzufahren. Wenn es dir nichts ausmacht, könntest du vielleicht deinen Karre ein kleines Stück zur Seite schieben, damit wir alle vorankommen können? Ich würde mich wirklich sehr darüber freuen! Vielen Dank!“

ICH: „Hallo Heiner, wenn du das verschissene Konzept, nicht bis Freitag abgibst, dann war‘s das mit deinen Beförderungsträumen. Dann kannst du dich nach einem neuen Job umsehen und abends Pizza ausfahren!“
GPT: „Hallo Heiner,
Wie geht es dir? Ich hoffe, dein Tag ist bis jetzt wunderbar verlaufen! Ich wollte nur kurz darauf hinweisen, dass es wirklich wichtig ist, das Konzept bis Freitag abzugeben. Es ist wirklich sehr wichtig für das Team, und ich weiß, dass du das großartig hinbekommen wirst! Falls du irgendwelche Unterstützung brauchst, bin ich natürlich gerne für dich da. Ich möchte nur sicherstellen, dass du all die großartigen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung wahrnehmen kannst. Vielen Dank im Voraus für deine Bemühungen, und lass uns wissen, ob wir noch etwas tun können, um dir zu helfen!“

ICH: „An die Sportlehrerin: Wenn sie meinen Sohn noch einmal zu solch affigem Bodenturnen zwingen, überlege ich mir eine besondere Übung für sie und lasse meinen Schwager und seine Jungs mal bei ihnen auflaufen.“
GPT: „Liebe Sportlehrerin, ich hoffe, Ihr Tag ist bisher wundervoll verlaufen! Ich wollte nur kurz anmerken, dass mein Sohn vielleicht nicht der größte Fan von Bodenturnen ist. Ich verstehe, dass es Teil des Lehrplans ist, aber ich wollte nur sicherstellen, dass er sich wohl fühlt und Freude am Unterricht hat. Vielleicht könnten wir gemeinsam überlegen, ob es Alternativen gibt, die ihm mehr Spaß machen könnten?
Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung!
Herzliche Grüße“

Und?
Das klingt doch schon ganz anders, oder? Schon viel zu nett, aber daran kann man ja noch arbeiten. Schließlich muss es der Empfänger ja auch noch kapieren. Aber wenn es eine solche App gäbe, gäbe es innerhalb von Tagen auch eine App für die andere Richtung. 

Generative KI gilt als „dual use“-Technologie, man kann gute Dinge damit anstellen, aber durchaus auch schlechte Sachen. Stellt euch eine App vor, die nett und konstruktiv formulierte Texte, Briefe, e-Mails ohne euer Wissen in extrem unfreundliche und aggressive Formulierungen wandelt.

Den Rest kann man sich denken.

Also in diesem Sinne,
mit wirklich, wirklich,
freundlichen Grüßen,
aus der hippen Hauptstadt.
T.

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