709) Fähig, fähiger, am fähigsten

Wie steigert man das Wort „fähig“?

Fähig, fähiger am fähigsten? Über den Begriff der Fähigkeiten im militärischen Kontext ging es in der „Hotel Matze“-Folge mit Harald Welzer unter anderem auch. Und mir stößt der auch sauer auf. Das wird nicht besser, wenn der Begriff vom Bundesverteidigungsminister und diversen Militärexperten ständig wiederholt wird, wenn es darum geht, Deutschland „wehrfähiger“ zu machen.

Der Begriff „Fähigkeiten“ kommt so nett und konstruktiv daher. Wie eine Gabe, mit der man geboren wurde, eine Prozedur, die man erlernt, oder eine Kompetenz, die man erworben hat. Die kann man dann alle wunderbar in seinen Lebenslauf schreiben und dem Personaler vor die Nase halten.

Im Kontext der Wehrfähigkeit geht es aber um Anschaffungen und personeller Besetzung von Material, Waffen und Aufklärungssystemen, mit dem Ziel … Angriffe anderer „Mächte“ (also Menschen) abzuwehren oder dem „Gegner“ (ebenfalls Menschen) erheblich zu schaden (a.k.a. töten)  oder an der Ausübung ihrer Pläne zu hindern. Kurz gesagt „Aufrüstung“.

Auf der Website des BMVG, liegt eine 130-seitige Broschüre mit dem Titel „Waffensysteme und Großgerät der Bundeswehr“. In Farbe bebildert und detailreich beschrieben.

Das alles erinnert mich an so ein Computer-Spiel, wo man sich für ein paar Spielpunkte ein Zauber-Schwert oder eine Minute Unverwundbarkeit klicken kann.

Klick: Feuerball. Bling.

Klick: Kettenblitz. Bling.

Klick: Eisspeer. Bling.

Klick: Schutzschild. Bling.

Klick: Taurus. Bling.

Klick: Abrams. Bling.

Klick: Drohne. Bling.

Klick: Patriot. Bling.

Zeit über die eigenen Fähigkeiten nachzudenken.

PS: Titelbild via ChatGPT

549) Wenn Wehrpflicht wieder Pflicht wär

Bei den zunehmenden Diskussion zum Wiederaufleben der Wehrpflicht stellen sich mir die Nackenhaare auf und die Fußnägel machen drei Rollen rückwärts. Vergessene Begriffe kommen wieder hoch. Kreiswehrersatzamt, Musterung, Kaserne, Einberufung, Kriegsdienstverweigerung, und, und, und. Erinnerungen an eine permanent nagende Ungewissheit hinsichtlich Ort, Zeit und Verwendung … und wann der nächste Brief vom Amt ins Haus fliegen mochte, der überhaupt nicht mit meiner „Lebensplanung“ damals übereinstimmte. Aber gut, mir kann es ja jetzt Wurscht sein? Nein, es ist mir nicht egal. …

Mittlerweile kann ich einen Sinn darin sehen, junge Menschen für einen zeitweisen „Dienst“ zu verpflichten, aber bitte nicht am „Vaterland“ sondern an der „Gesellschaft“. Jungs und Mädels können da was für sich lernen und sich für andere nützlich machen, statt vom Staat darin ausgebildet zu werden auf andere Menschen zu schießen. Ja, die Bundeswehr muss sich Gedanken machen, wie sie ausreichend Köpfe unter ihre Stahlhelme bekommt, kann ich verstehen, aber es gibt genauso viele zivile Aufgaben hier, bei denen junge Leute anpacken können.

„Na, die können dann ja bestimmt wieder verweigern und dann Zivildienst machen“, mag man da denken, aber genau das stört mich gewaltig. Der default darf nicht „Kriegsdienst“ sein, von dem man sich dann mit einem Seelenstriptease vor einer Kommission befreien lassen darf. Der default muss „Dienst“ sein und der kann dann gleichwertig militärisch oder zivil sein. Und damit die letztverbliebenen Fachkräfte, jetzt nicht auch noch dem Arbeitsmarkt entzogen werden, wären auch flexiblere Konzepte nötig. Damit meine ich jetzt nicht „Schießausbildung im Homeoffice“, aber mindestens Mal eine heimat-und qualifikationsnahe Verwendung, damit die jungen Menschen, nicht durchs halbe Land gurken und Straßen und Schienen verstopfen. Zusätzlich könnte man verschiedene Dienstzeitmodelle andenken (1 Jahr Vollzeit, 2 Jahre Teilzeit o.ä.). Und eine Kombination mit Berufsausbildung oder Sprachförderung macht es vielleicht noch effektiver.

Ich glaube aber, die Wehrpflicht kommt nicht so bald zurück, denn das würde das Verteidigungsministerium und Beschaffungsamt vor extreme Herausforderungen stellen. Seitdem die Wehrpflicht vor zehn Jahren ausgesetzt wurde, hat sich die Gesellschaft mächtig verändert. Sie ist nicht nur lauter und rauer geworden, sondern auch agiler, diverser, individueller, inklusiver und anspruchsvoller.

  • Als erste Challenge käme wohl die Geschlechtergerechtigkeit auf den Tisch und die darauffolgenden wichtigen Toilettenfragen.
  • Dann müssten die Kasernen umgebaut werden, denn Datenschutz und Persönlichkeitsrechte rufen nach Einzelzimmer mit Bad.
  • Die Digitalisierung und Medienlandschaft erfordern WLAN, Netflix und 2 USB-Ladebuchsen auf jeder Stube.
  • Auch in der Ausrüstung müsste nachgebessert werden. In der Gasmaske bedarf es einer Aussparung für das Nasenpiercing, die Feldjacke bekommt eine weitere Außentasche für Vape und die Tagesdosis Cannabis und die Hosenbeine können abgetrennt werden, damit man die Waden-Tattoos besser sehen kann.
  • Auch die unterschiedlichen Religionen der Soldat:innen müssten berücksichtigt werden, auf dem Kasernenhof müssen Kapellen, Tempel und Moscheen gebaut werden.
  • Auch in der Verpflegung hat das Auswirkung, die Feldküche muss künftig vegetarische Kost anbieten, halal und bio, zusätzlich müssen Dauerzufahrtsgenehmigungen für die Bringdienste auf ihren bunten Fahrrädern ausgestellt werden.
  • Auch in der Mobilität und Waffentechnik erwartet der aufgeklärte Bürger entsprechende Anpassungen. Der Panzer muss mindestens mal „plug-in-hybrid“, die Granathülsen sollten wahlweise kompostierbar oder mehrwegfähig sein und zwischen den Baracken kann mit E-Rollern gependelt werden.
  • Der Morgen-Appel wird zum Morgenkreis auf Yoga-Matten umfunktioniert, jeder berichtet ab 09:30 Uhr bei einem Latte Macchiato wie es ihm/ihr/es gestern ergangen ist und wie der Tag gestaltet werden sollte, damit er retrospektiv als „gelungen“ betrachtet werden kann

Ihr seht schon … das wird nix 😉

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