Neulich kam ich von einem gemütlichem Kneipenabend und wartete am Alex auf eine Tram. Gedankenversunken starte ich vor mich hin und liess unsere bunte Stammtischdiskussion zu den Themen der Zeit rekapitulieren. Nichtsahnend … erschien plötzlich … ein Soldat … direkt vor mir. Bewaffnet, 2,50 Meter groß, blond und kurze Haare, Blick geradeaus. Stillllllgestandääään!
Drei Dinge „schossen“ mir durch den Kopf:
- Wo kommt der denn auf einmal her?
- Muss ich jetzt etwa aufstehen?
- Holen die mich jetzt doch noch?
Aber der große Blonde stellte sich schnell als Klebefolie heraus und mir fiel ein, dass ich den schon mal in der Stadt gesehen hatte. Aber noch nie stand der so direkt und übergroß vor mir. Die Bahn bimmelte und der große Blonde fuhr wieder ab, genauso wie er gekommen war. Wegtreten!
Ich aber, blieb da auf der Bank sitzen und beschäftige mich mit Erinnerungen:
Mitte der 90-er Jahre … Post vom Kreiswehrersatzamt … Musterung … Wehrpflicht … konnte die Einberufung mit einem legalen Trick herauszögern … aber das würde niemals bis zur möglichen Abschaffung der Wehrpflicht reichen … schrieb dann eine herzzerreissende Begründung für die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer … was letztlich auch klappte.
„ Sie sind berechtigt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Dieser Bescheid ist unanfechtbar“
Das stand da schwarz auf weiß auf einem Papier … welches mich aber umgehend zu anderweitigem Dienst am Land verpflichtete. Und es bestand ja immer noch die Möglichkeit am Kriegsdienst „ohne“ Waffe.
Und warum nun dieser Beitrag hier?
- Ich denke, ein gewisser Dienst an der Gesellschaft (… und ich sag jetzt mal ganz bewusst nicht „Vaterland“) finde ich gar nicht schlecht und würde Jungs UND Mädels gleichermaßen gut tun.
- Ich bin heilfroh, dass die Jungs heute nicht mehr in die Kasernen einrücken müssen, um zu lernen, wie man auf Menschen schießt. Aber, bitte nicht vergessen, die Wehrpflicht ist m.W. nur ausgesetzt, nicht abgeschafft.
- Ich finde es immer noch absolut deplatziert, dass der Flecktarn-Laden mit großflächiger Werbung und markigen Sprüchen an öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Nachwuchs rekrutieren will. Geht meiner Meinung nach überhaupt nicht.
Rührt euch!
Ebenfalls ein staatlich geprüftes Gewissen habend – und als jemand, der dies noch in einer hochnotpeinlichen Verhandlung beim Gewissenstüv belegen musste, weil es die Postkartenlösung zu meiner Zeit noch nicht gab– kann ich Dir nur in allen Punkten zustimmen.
Besonders im letzten, weil ich finde, dass Werbung fürs Waffentragen und Tötenlernen sich einfach nicht gehört.
Und ich fände es zumindest angemessen, dass für den freiwilligen Zivildienst der gleiche Werbeetat zur Verfügung stände, wenn man schon nicht umhin kommt, für den Flecktarnverein die Werbetrommel zu rühren…..
Danke für den Kommentar. Ja, in meiner Generation wurde die Wehrpflicht immerhin mal Stück für Stück verkürzt, es gab Aussicht auf ein Ende und man wurde nicht mehr so drangsaliert, wenn man da nicht mitspielen wollte. Warum allerdings Zivildienst länger ausgelegt war, als der Dienst an der Waffe hat sich mir nie erschlossen. Letztlich lief es dann bei mir auf mehrere Jahre Katastrophenschutz neben dem Job hinaus und hätte ich das aus irgendeinem Grund abgebrochen, hätte ich die volle Zivi-Zeit als Zugabe obendrauf bekommen. Meine Güte…
Das wurde nach dem ersten Versuch beschlossen, die Verweigerung per Postkarte einzuführen:
Die wurde vom Verfassunggericht gekippt, weil die Wehrdienstleietenden ja auch später noch zu Reserveübungen eingezogen werden „könnten“ (was aber in der Praxis kaum der Fall war.)
Daraufhin hat der Gesetzgeber 1978 nachgebessert und beschlossen, den Zivildienst auf 21 Monate zu verlängern, um „Wehrgerechtigkeit“ herzustellen und so die Verweigerung per Postkarte wieder möglich zu machen.
Parallel dazu (oder kurz danach) wurde der übliche Wehrdienst von von 18 auf 15 Monate verkürzt…..
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Mich hat es übrigens damals voll getroffen:
Anfang 1977 per Postkarte verweigert und auch anerkannt gewesen, wurde die Anerkennung im Herbst des gleichen Jahres wieder zurück genommen und ich musste zum Gewissenstüv..
Damit war die Zivildienststelle weg, die ich zum 1.1. 78 hätte antreten können, weil die Verhandlung erst im Oktober 1978 stattffinden konnte,
Eingezogen worden bin ich nach erfolgter zweiter Anerkennung dann erst im April 1979 und durfte damit die vollen 21 Monate abreissen, weil sich das inzwischen auch geändert hatte…..
Aber immerhin hatte ich das Glück, dass ich einen Teil meines Zivildienstes parallel zu meiner Ausbildung als Krankenpfleger machen konnte….. das hatte mein damaliger Arbeitgeber so gedengelt…..
Sonst hätte ich durch den Mist wohl volle drei Jahre verloren….
Wow, was für Zeiten. Zum Glück heute hier unvorstellbar, dass man 21 Monate „ableisten“ muss, aber um so wichtiger doch, dass die Kids das wissen und ihre Zeit sinnstiftend einsetzen.
Ich würde hinsichtlich „sozialer Jahre“ deutlich weiter gehen. Warum sollte nicht jede/r die Möglichkeiten haben, immer mal ein soziales Jahr in das Berufsleben einzuschieben. Von den dort gemachten Erfahrungen würden alle profitieren und die, um die sich dann besser gekümmert würde, auch.
Ja warum nicht. Aber einen Teil sollten wir ernsthaft fordern/erwarten, den anderen Teil fördern, ermöglichen und dazu ermutigen
Definitiv. Es wäre schon gut, wenn sich wieder mehr das Bewusstsein durchsetzen würde, dass man nicht nur von der Gemeinschaft nehmen kann, sondern ihr auch etwas geben muss. Sonst funktioniert das Ganze einfach nicht. Wobei man von so einem sozialen Jahr ja durchaus auch selbst viel mitnimmt
Im Jugendalter fände ich es als Entwicklungsmöglichkeit besonders wichtig/vielversprechend. Ich habe aber auch mal von der Idee gehört, das für den Eintritt ins Rentnerdasein zu machen. Fände ich auch spannend, um für den neuen Lebensabschnitt nochmal grundsätzlich die Ausrichtung zu setzen.
Wäre doch cool, wenn statt Auto, Haus, Fernreisen etc. erbrachte soziale Jahre DAS Statussymbol würden 😉
Ganz ehrlich:
ich könnte mir auch gut vorstellen, das soziale Jahr für alle verbindlich zu machen,die nicht zr Bundewehr gehen.oder beispielsweise Mitglied von Feuerwehr oder Katastrophenschutz sind
Ohne Unterschied von Geschlecht usw., aber mit der Möglichkeit , das innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren ab dem 18. Geburtstag ableisten zu können.
Ich kann mir vorstellen, dass das – so wie früher – für einige Leute eine gute Entscheidungshilfe auch in Richtung eines sozialen Berufes wäre.