479) Nach den Regeln des Krieges

Auch wenn ich gerade im südlichsten Südböhmen bin, folge ich natürlich der Nachrichtenlage daheim. Dank WIFI und Mediathek kein Problem, großartig. Nur gestern, in der 19:00 Uhr-Ausgabe 27.10.23 von „heute“, da sagte die Moderatorin einen Satz, da musste ich erst einmal schlucken.

„Israel hat auf die Forderungen der EU bislang nicht offiziell reagiert, bekommt aber auch Druck aus den USA, sich an die Regeln des Krieges zu halten, ungeachtet seines Rechts auf Selbstverteidigung.“ What? Ich spulte noch mal zurück. „An die Regeln des Krieges“ … das klang in meinem Ohr wie … „Nach allen Regeln der Kunst“. Das hat sie natürlich nicht gesagt, aber das hallte in meinem Kopf nach. Da war der schon fast lustige Versprecher des geschätzten Journalisten kurz davor fast vergessen, als er auf den französischen Staatspräsidenten „Francois“ Macron referenzierte.

Geschenkt! Passiert, selbst den Profis.

„Regeln des Krieges“. Da hatte ich heute auf der Autobahn nach Österreich genug Zeit drauf herumzukauen.

Gibt es ein Regelwerk für Krieg? Quasi „Das 1×1 des Kriegs“?, „Krieg für Anfänger“?, „Krieg für Fortgeschrittene“?, Kriegsführerschein in zwei Wochen“? Mit Checklist, Übungsblättern und Raum für eigene Notizen?

Und wenn ja, in welchem Regal der Bücherei des Vertrauens steht es dann? Bei den „Klassikern“, bei den „Top-Sellern“ oder bei „Körper & Gesundheit“?

Also, es gibt zumindest einen Grundverständnis an „Spiel“-Regeln: Genfer Konventionen, UN-Charta, Schutz von Zivilisten, Schutz von Kulturgütern, Verbot von Massenvernichtungswaffen etc., soweit so gut.

Leider gibt es hier keine Schiedsrichter auf dem Feld. Kein Video-Assistent aus dem Keller in Den Haag. Das „Match“ kann nicht einfach abgepfiffen werden, von einem Unparteiischen in kurzen Hosen und einer Trillerpfeife im Mund.

Leider, leider geht das nicht. Nicht mal eine Halbzeit gibt es, keine Trinkpause und die Spieler machen auch nicht an vorher gezogenen Linien halt.

Bei all den Konflikten weltweit wundert es mich eigentlich, dass es noch keinen festen Slot in den Nachrichten für „Krieg“ gibt.

„Soweit zu den Nachrichten aus Deutschland, meine Damen und Herren. Wir schalten nun live rüber zur Kriegs-Redaktion, dann folgen die Börsen-News und zum Abschluss wie gewohnt der Sport und das Wetter für die nächsten Tage.
Einen schönen Abend noch.“


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14 Kommentare zu „479) Nach den Regeln des Krieges

  1. Gruß in die „Böhmischen Dörfer“ – man kann den Nachrichten tatsächlich nicht entgehen. Die Kollegen im TV benutzen oft Begriffe, die einen am Kopf kratzen lassen. Mit „Regeln des Krieges“ sind wohl die Haager Landkriegsordnung von 1899 und die Genfer Konvention von 1907 gemeint (Spoiler: fand ich auf Wikipedia :-)). Dort hat man tatsächlich Regeln festgelegt, wie der Kampf zu führen sei, wer z.B. ein Kombatant ist und wer „zivil“. Die Regelungen legen fest, dass Zivilisten und zivile Einrichtungen kein Kriegsziel sein dürfen – nun ja, inzwischen gab es den Nazikrieg, den in Vietnam und aktuell Ukraine etc. Und die Bush-Regierung rechtfertigte Gefangennahmen in Afghanistan mit der Kategorie „unlawful combatants“ = Personen, die in Kampfhandlungen verwickelt sind, ohne zur regulären Armee zu gehören und damit außerhalb der Genfer Konvention bleiben. So konnte man Guantamo rechtfertigen. Ein weites Feld, und zurecht gepflastert mit Gründen für Zynismus. Lass Dir den Urlaub nicht vergrämen. Gute Rückreise in die Heimat!

    1. Toll, dass du dich dazu meldest. Vielleicht ist es ja auch gut so, dass es dieses Werk nicht so eindeutig … in klaren Sätzen …. wie die Fußball-Regeln gibt … denn das ergäbe ja „Räume“ die man legal nutzen könnte. Aber selbst die beim Fußball diskutieren ja ständig, oder?

      1. Ja, man wollte Regeln für den „ehrbaren Kampf unter Männern“ – der Vergleich mit Fußball passt tatsächlich. Damals gab es noch keine Bürgerkriege und Guerillakämpfe, geschweige den Terrorismus, sozusagen die „Fouls“ im brutalen Spiel. Heute ist die Genfer Konvention (die um die Flüchtlingskonvention ergänzt wurde) Grundlage für die Anklage von Kriegsverbrechen. Das sind solche von staatlichen Akteuren gegen die Zivilbevölkerung, Bucha lässt grüßen (oder einst My Lai in Vietnam). Aber auch etwa zum Status von Kriegsgefangenen. Das ist der Grund, warum der ICC in Den Haag so umstritten ist und etwa die USA oder Russland dem Vertrag nicht (!) beigetreten sind. Übrigens auch der Grund, warum Wikileaks und Julian Assange so „gefährlich“ sind. Schluss jetzt – ich habe Dir heute Nacht eine extra Stunde geschenkt.

      2. Danke für dieses Geschenk. Sowohl den Kommentar, also auch die Stunde. Die kam mir sehr gelegen und ich wollte höflich fragen, ob ich die vielleicht jeden Tag haben könnte …??

  2. Die Geschichte mit den Regeln des Krieges erinnert mich irgendwie an Otto von Habsburg, den ehemaligen bayrischen EU Parlamentarier und Nachkommen der osterreichischen Habsburg Dynasty. In einer Fernsehdiskussion schwaermte er von der guten alten Zeit wo die Soldaten auf dem Schlachtfeld nach genauen Regeln sich gegenseitig ermorden durften waehrend Zivilisten weiter unbehelligt ihre Geschaefte verrichten durften ohne vom Kriegsgeschehen behindert zu werden. Vielleicht hatte die Fernsehmoderatorin damals auch von der Rhetorik des Otto von Habsburg gelernt und ihre Weisheit grosszugigerweise an das ZDF Auditorium weitergegeben.

    1. Ja, das mag sein, Solches „fair play“ konnte ich in Kanada auf der Abraham Höhe in Quebec nachfühlen. Da wurden ganze Reihen von Soldaten nach vorn gestellt, sie durften nicht schießen, nur um die Patronen der Gegner zu verbrauchen, und sie zum Nachladen zu zwingen … und als das geschehen war, durften die hinteren Reihen (nun in der ersten Reihe) auch feuern. Widerlich.

  3. Solange es Kriege gibt, könnte es „sinnvoll“ sein, Regeln zu haben. Meiner Meinung nach müsste die allererste aber sein, dass wir alle nur Mögliche tun, um Kriege zu verhindern. Damit hätten sich die Regeln von selbst erledigt. Davon scheinen wir aber mehr und mehr entfernt zu sein:-(

    1. Fußballspieler kriegen heute Prämien wenn sie gewinnen, vielleicht könnte man quasi einen Anti-Sold zahlen an alle Soldaten, die nicht zum Krieg gehen. Auf beiden Seiten natürlich … oh jeh, neuer Blogbeitrag im Kopf. Stress

  4. Bei Regen findet der Krieg im Saale statt. Halt, ich hab’s: Warum eigentlich macht die Digitalisierung Halt vor dieser Sache. Alles ist doch jetzt virtuell möglich: Arztbesuche, Kundengespräche, Flirten, Sex. Vielleicht wäre das einzig Vernünftige, den Krieg im Netz stattfinden zu lassen. Am Schachbrett. Wer verliert, muss einpacken, darf aber weiterleben. Nur nicht an der Macht. Nicht mitspielen ist dann auch einfacher, es reicht, abzuschalten. Und es müssen auch nicht alle Soldaten ihre Zeit verplempern, Krieg spielt, wer ihn anzettelt. Die Chefs. Haben ja nichts Besseres zu tun. Wie klingt das?

    1. Ja, auch eine Idee. Wir machen ne riesige Gaming-Convention … War-ing-Convention auf, trinken Cola und für mich gern ein Bierchen und dann gehen alle heil nach Hause.
      Wie schön wäre das doch und dann liegen wir uns in den Armen.
      „You’ll never walk allone

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