Mitte März, 12°C, die Natur ruft zum Arbeitseinsatz auf die Datscha. Das Schilf am Zaun braucht dringend einen Kurzhaarschnitt und der Bambus muss in seinem Expansionsstreben gehindert werden. Gesagt, getan setzen wir uns ins Auto und folgen der Ausfallstraße B1 gen Osten. Kurz vor dem Bahnhof Lichtenberg fragt die Ministerin für Familie, Kultur und Außenbeziehungen, ob wir denn den auch den Schlüssel für die Hütte dabei hätten.
Was für eine Frage? Selbstverständlich. Ich griff mit der linken Hand ins kleine Fach unter dem Lenkrad. Da, wo der mit Lübzer-Pils-Schlüsselband geschmückte Schlüssel immer ist, damit ich ihn eben nicht suchen muss, und griff … aber …ins Leere.
Shit.
Das kann jetzt nicht wahr sein, oder? Wo zum Henker ist der Schlüssel? Ich war doch erst vor drei Wochen auf dem Grundstück. Hab’ ich den da etwa liegen gelassen? Ist er noch in der Wohnung? Nein, nein, nein, macht alles keinen Sinn. Ich bin mit Schlüsseln eigentlich sehr ordentlich. Eigentlich…
Die Vernunft hält nur zwei Optionen bereit, zurückfahren und die Wohnung auf den Kopf stellen oder weiter zum Grundstück fahren und dort suchen. Da ich aber wirklich nicht den geringsten Schimmer habe, wo ich in der Wohnung suchen soll, entschieden wir uns für die Weiterfahrt.
Die nächste halbe Stunde vertrieb ich mir mit Selbstgesprächen:
Scheiße.
Ich glaub‘, ich werde alt.
Welche Hose hatte ich an? Welche Jacke?
Hatte ich Beutel, Tüten, Kisten dabei?
Welche Wege bin ich dort gegangen?
Was war danach? Wo war ich sonst noch?
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…
Scheiße.
Ich glaub‘ ich werd‘ schusselig.
Passiert das jetzt öfter?
Ist das nicht erst kürzlich geschehen?
Warum sollte ich den Schlüssel überhaupt aus dem Auto mit nach oben nehmen? Das macht keinen Sinn.
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…
Scheiße.
Ich glaube, ich werde blöd.
Irgendwann geht’s los. Meistens geht’s mit Schlüsseln los.
Und was, wenn der weg ist? Dann muss mir der Freund den Zweitschlüssel per Post schicken, aber ganz schnell.
Bevor der Nachbar, dass Wasser andreht und alles geflutet wird.
Ich packe den Schlüssel immer in dieses Fach. Eigentlich…
Am Grundstück angekommen fanden wir den Schlüssel … auch nicht.
Misst, es ist also doch so weit. Noch nicht mal 50 Jahre alt und es geht abwärts. Niedergeschlagen trotte ich zum Auto zurück und durchsuche noch einmal alle Ablagen im Auto, auch das Geheimfach wo sonst der Schlüssel immer liegt. Eigentlich…
Was ist, wenn der Schlüssel vielleicht, aus dem Fach gefallen und irgendwo hinter dem Armaturen-Brett verschwunden ist?? In dem Moment, sah ich zwei Buchstaben, des Lübzer-Pils-Schriftzugs hinter der Klappe um Hilfe rufen. Ich glaub‘s ja nicht. Das ist er ja! Ich lieh mir die schlanken Finger der Ministerin, um das Band samt Schlüssel herauszuangeln
Und ich war heilfroh.
Natürlich, weil der Schlüssel wieder da ist.
Aber ganz besonders, weil ich doch nicht ganz blöd bin.
So, jetzt aber an die Arbeit!
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ich hab die Luft angehalten, bloß gut, dass ihr den schlüssel doch an Bord hattet. Schnauf!
… sonst wäre ich bei dir rangekommen und hätte das große Bestecke geholt 😉
Auweia. Das ging ja gerade nochmal gut.
Gegen Bambus hast du keine Chance, der setzt sich auf lange Sicht immer durch. Da hilft nur rechtzeitig verkaufen…
Ach weil du es gerade ansprichst … hättest du Interessse? See ist fußläufig und ein Tesla-Werk ist auch umme Ecke.
Musst halt den Bambus übernehmen …
Ein Glück! Doch kein Totalausfall auf der Ausfallstraße. 😉
Ich sach‘ dir, also manchmal… da … passieren so Dinge … also früher da so … also ick muss schon sagen … 😉
LG nach Nord-Italien!!
Du: „Meistens geht’s mit Schlüsseln los.“ – ich schaff das auch mit Brillen. Je älter, desto steigerungsfähiger!
Glücklicherweise hab ich dann doch die Brille meistens auf der Nase
Da bin ich ja schon fast froh, dass es mir nicht allein so geht. Manchmal ist es weniger, dass das verloren Geglaubte nicht da ist. Dafür gibt es meist irgendwie Ersatz, sondern dass man so abgrundtief an sich selbst zweifelt. Gut, dass die Welt wieder in Ordnung ist.
Genau, allein der klitzekleine nagende Gedanke daran, dass es an einem selbst liegen könnte, macht einen schon fertig 😉