394) Besuch aus Indien 5 – Realitäten

Wie schon in >Teil 4 angekündigt, habe ich für die Reise mit „meinem Inder“ alle möglichen deutschen Verkehrsmittel vorgesehen … denn das sorgt immer für Erlebnisse. Wenn hier jemand neu dazu gekommen ist und sich fragt, was es denn nun mit „meinem Inder“ auf sich hat, dann vielleicht besser bei >Teil 1 starten.

Aber hier nun, wie besprochen, ein paar Highlights der letzten Woche: 

  • Amal … so nennen wir ihn heute mal … und ich überqueren eine große Straße in der Nähe unserer Wohnung. Auf einmal springt die Fußgänger-Ampel von grün auf rot. Er zuckt zusammen, schaut panisch links und rechts und drängt vorwärts. Ich beruhige ihn. Denn hier steht es ausnahmsweise mal 1:0 für Deutschland, bei uns erreicht man die andere Straßenseite meist noch lebend … selbst wenn das Licht auf rot springt.
  • Am Sonntag versuchen wir unsere Koffer an der Gepäckaufbewahrung des Nürnberger Bahnhofs unterzubringen. Großartig. Er mit seinem Riesen-Koffer, ich nur mit ein paar Münzen in der Hosentasche. Kreditkarte hätte ich zwar … aber der Kofferautomat … will nur deutsche Taler. Passend. 3 EUR each.
  • Wir irren durch den Münchener Ostbahnhof. Die Angaben in der MVG-App stimmen nicht ganz mit den Anzeigen im Bahnhof überein und ich bin etwas „lost“, muss mich auch erst etwas orientieren. Amal wird etwas unruhig und fragt mich doch glatt „Couldn’t we just ask the Station Master“. Da musste ich im kurz erklären, dass man in diesem Land erst einmal grundsätzlich alles selber macht. Denn wenn du einen Station Master suchst … und dann vielleicht findest … versteht der eh nix oder … ist nicht zuständig.
  • Der Bahnhof Marienplatz ist groß … und unterirdisch. Wenn man halbwegs zielgenau an die Oberfläche will, wird man mit Buchstaben für die Ausgänge konfrontiert und mit Straßennamen … die mir aber herzlich wenig sagen. Amal zeigt auf einen roten Knopf an einer MVG-Sprechsäule und fragt „May I push this one“. Wie in Zeitlupe werfe ich mich vor die Säule und sage „Nooooooo, don‘t push that …“. Zum Glück drückt er nicht. „We will find our way, trust me Amal. In Germany … Amal … you do all yourself … never ask another … you know … as already said“.
  • Spätestens ab Dienstag mag ich die MVG-Tickets nicht mehr für uns beide zahlen. Da werde ich ja arm bei. Ich überrede ihn, eine Streifenkarte zu kaufen, die kann er über die Firma abrechnen. Er wackelt nett mit dem Kopf und fragt …
    Er: „And how does it work?“
    Ich: Ähm, you know … you have 10 Streifen … stripes I mean … you need 2 stripes for long distance in M-Zone, but only one stripe for short trip … and short trip means 2 Stops with S-Bahn oder U-Bahn, but 6 Stops with Bus or Tram … but only one direction … no round trip … which is similar to Berlin … but more expensive … and then they have Zones … which you need to consider and count on the „Streifenkarte“ before you enter the Station … and then you fold it that way … and push it into the … don’t know the name actually …, stamping machine … and they know that you payed and then you … just need … to … .
    Ich: Can you follow me?
    Er: Not really
    Ich: I see
    Er: And how do I put it in?
    Ich: Na ja, with the stripe to the top … you know … because the stamp comes from the top … most of the time … at least as I did it last time.
    Er: Ok. Got it.
    Ich: I mean the Streifenkarte is actually a cool thing, because you just need … one paper … and then you can … ahhh forget it.
    Er: Say again please.
    Ich: Not relevant, forget please. But if you want to go to the Airport, you need seven of the Streifen, because you pass Innercity-Zone M, plus further 5 Zones. Got it? And don‘t leave at „Flughafen Besucherpark“, never! Stay on Train until Flughafen/Airport until all other travelers leave the train…
    Ich fühle mich so schlecht.
  • Noch viel schlechter fühlte ich mich Freitagmorgen, Samstag und Sonntag.
    Eigentlich wollte ich ihn Freitag 06:30 in die S8 zum Flughafen München setzen, damit er seinen Flieger mit viel Puffer 12:00 nach Frankfurt schafft. Auf der Anzeige war aber „Flughafen“ durchgestrichen und zeigte nur „Johanneskirchen“ an … worauf ich ein paar Stationen mitfuhr … mit dem Plan B im Kopf, ihn notfalls entlang der Strecke in ein Taxi zu setzen, um dann zurück zu meinem ICE in Richtung Berlin zu gurken.
  • Um es kurz zu machen.
    Die Deutsche Lufthansa hat ihn in München schmoren lassen, wie ein Chicken-Curry, worauf er erst drei Stunden später in Frankfurt landete und sein Flieger nach Indien dann doch nicht mehr warten konnte. Gegen 15:00 Uhr war er am LH- Serviceschalter, gegen 20:00 hatte er die Hälfte der Schlange geschafft, gegen 22:30 Uhr lag er mit neuem Ticket in den Händen, in einem Overlay-Hotel in Niederrat …, um dann am Sonntag mit erneut 2-stündiger Verspätung endlich abzuheben.
  • Und der Knüller? 
    Die Kranich-Air hat den Koffer verschusselt…
    Ich geh‘ kaputt…
    Da schimpf mal noch einer auf die Bahn. Mach‘ ich nicht mehr.

<— Besuch aus Indien 4 – Perspektiven

Ende der Reihe

393) Besuch aus Indien 4 – Perspektiven

Tja, war etwas ruhig hier in den letzten Tagen, oder? Dabei war ich eigentlich gar nicht abgetaucht, sondern habe mich eine Woche lang um meinen Job und „meinen Inder“ gekümmert. Mehr zu den Hintergründen findet ihr in >Teil 1 der Reihe. Wie angekündigt, möchte ich möchte ich ein paar Erlebnisse der gemeinsamen Reise notieren und dabei geht es gar nicht so sehr um ihn … heute nenne ich ihn hier mal Vinod … , sondern eher um uns Deutsche und unsere Eigenarten.

Los geht’s mit Missverständnissen und Erklärungsnöten:

Ich habe versprochen, ihn am Flughafen abzuholen und habe ihm gesagt, er soll bitte „behind customs“ and „behind glass door“ nach rechts gehen. Da würde ich dann stehen. Damit meinte ich natürlich im Gebäude. So stand ich da, aber ein Vinod kam nicht aus der Glastür. Er schrieb per WhatsApp, dass er mich ungern warten ließe, aber er muss noch auf den Koffer warten. No issue. Wieder kam ein Schwung Menschen aus der Kofferausgabe, auch ein paar Inder waren dabei, aber keiner bog rechts ab. Allerdings bog einer links ab, der Ähnlichkeit mit Vinod hatte und der lief in Eile und mit einem Riesenkoffer auf den Ausgang zu … und stand dann auf einmal bei -1° in der Brandenburger Pampa. Ich rannte ihm hinterher. Wir fielen uns in die Arme und ich schlug vor, dass wir doch besser im Gebäude zum Parkhaus gehen, statt draußen. Das hat er sofort eingesehen.

Kurze Zeit später saßen wir dann in meinem Auto und fuhren die Stadtautobahn in Richtung Neuköln. Vinod zeigte auf all die Schriftzüge an den Schallschutzwänden und fragte, was es mit denen auf sich hätte. Also musste ich ihm erklären, dass mancher unserer Kids einfach zu viel Geld haben und die Kohle dann in Graffiti-Spray investieren. „But what are all those mean?“, „I don’t know Vinod. No clue“. Wir rechneten gemeinsam aus, dass er seine Familie vom Preis einer Sprüh-Dose fürstlich … maharadscha-ich … zum Essen ausführen könnte. Wir verquatschen uns und ich verpasse die Abfahrt nach Treptow, auf einmal waren wir mitten in Tempelhof, später in Kreuzberg, Kottbusser Tor … wem das was sagt und ich komme schon wieder in Erklärungsnöte. In Prenzlauer Berg, zeigt er auf ein gelbes Schild und fragt, um welche Hochzeit es sich denn da handele. Zunächst kapierte ich gar nicht was er meinte, dann nahm ich den Wegweiser in den Stadtbezirk „Wedding“ war.

Ich setzte ihn im Hotel ab, half beim CheckIn und sagte, dass ich ihn 16:30 Uhr wieder „hier“ abholen würde und zeigte dabei auf den Boden. Punkt 16:30 Uhr war ich da, 16:35 Uhr war kein Vinod zu sehen, gegen 16:40 Uhr immer noch nicht. Ist er vielleicht eingeschlafen oder telefoniert kurz mit Gott? Da will ich ja auch nicht stören. Also schrieb ich dann mal vorsichtig eine Nachricht: 

Ich: „All good Vinod?“
Er: „Yes, I am ready all when you are“
Ich: „We are here in the Lobby“
Er: „I didn‘t knew. Coming“

Typisch Deutsch, dachte ich.

Eigentlich macht er das genau richtig. Warum soll er sich auch in einer Lobby die Beine in den Bauch stehen, wenn der Abholer vermutlich eh im Bengaluru-Traffic feststeckt.

In den nächsten Tagen erlebten wir einige spannende Momente in deutschen Verkehrsmitteln … aber mehr dazu im nächsten Teil. 

<—Besuch aus Indien 3 – Pläne

—> Besuch aus Indien 5 – Realitäten

384) Besuch aus Indien 1 – Intro

Ja, es ist bestätigt! Mein Inder kommt!

Nein, ich bin nicht übergeschnappt, keine Sorge. Aber solch reißerische Schlagzeilen ziehen heutzutage einfach mehr, sieht man ja überall 😉

Um es gleich klarzustellen, der junge Mann „gehört“ natürlich nicht mir. Nein, der Kollege arbeitet für mich und mein Team und er kommt Mitte Dezember nach Deutschland, so dass wir uns nach Jahren das erste Mal persönlich treffen werden. Und das ist natürlich super-aufregend für ihn (der weite Flug, das Wetter, das Essen, die Kultur), aber auch für mich und meine Familie, denn ich möchte ihm neben der reinen Arbeit auch einiges von unserem Leben hier zeigen.

Und ich habe da so die leise Ahnung, dass aus der gemeinsamen Zeit im „kalten“ Deutschland auch Stoff für meinen Blog herausspringen wird. Dabei soll es gar nicht so sehr um ihn gehen, ich will mich nicht über ihn lustig machen. Auf keinen Fall. Es soll um uns Deutsche und unsere Spezialitäten gehen … und da kann man ich mich gern lustig machen;-) 

Also was habe ich vor?

Ich habe mir überlegt, dass ich Situationen kommentieren will, in denen wir zusammen auf „typisch deutsche“ Situation treffen. Ich will mir seine Augen und Ohren leihen und mir dann überlegen, vielleicht auch fragen, was er in dem Moment wahrnimmt. Das werden bestimmt mal lustige Momente sein, sicher auch Pannen oder Irritationen, Missverständnisse vielleicht. Wer weiß, was in der Woche alles passieren wird.

Beispielsweise habe ich vor ein paar Tagen mit ihm zusammen eine Fahrt mit der Deutschen Bahn gebucht. Er saß in dem Moment in Bangalore und ich in Berlin. Wir wollten zwei Plätze nebeneinander bekommen. Ein Erlebnis. Aber das werde ich im nächsten Beitrag berichten und dann schauen wir mal, was sonst noch draus wird 😉

Bis dahin kann ich mir noch überlegen, untern welchem Pseudonym ich ihn führe. Vielleicht nehme ich einfach jedes Mal einen anderen Indischen Vornamen 😉

Namaste …. Kumar!

—> Besuch aus Indien 2 – Bahnticket