Nach fünf Wochen Indien, heißt es nun erst einmal wieder Abschied nehmen. Sicher nicht für immer, aber neue Pläne gibt es erst einmal nicht. Zuletzt war ich in 2019 im Land und wieder haben sich Dinge verändert oder sind mir aufgefallen.
Über den Straßen-Verkehr habe ich schon einiges geschrieben. Bengaluru hat hier ein massives Problem und daran wird auch die neue Metro nicht viel ändern. Vermutlich gehts nur über Zuteilung und Einschränkung des Individualverkehrs. Dann wird hier aber was los sein. Trotzdem ist es aber immer wieder erstaunlich, wie der Verkehr dann trotzdem funktioniert … wie ein Fischschwarm. Jeder hält 5 cm Abstand zum anderen und so kommt man dann doch irgendwann an. Obwohl sich niemand an Regeln hält … habe ich keinen Unfall gesehen, zumindest keinen der Aufsehen erregt oder einen Polizeieinsatz zur Folge hatte, denn das will man unbedingt vermeiden.
In einigen Dingen, ist uns Indien weit voraus.
Das Smartphone ist hier kaum mehr wegzudenken. Jeder hat eins, mit Internet. (Laut „brand eins“, Heft 01/24, 1,2 Mrd Menschen). Vom Büro-Heini bis zum Tuk-Tuk-Fahrer, denn das Gerät ist weniger Status-Symbol hier, sondern Arbeits-/Existenzgrundlage. An der Kreuzung nahe dem Hotel hockte den ganzen Tag eine Familie unter dem Dach einer Bushaltestelle. Mutter fummelt Rosen zu Sträußen zusammen, Vater verkauft die Blumen zwischen den stauenden Autos und das Kleinkind hockt im Dreck, atmet den Mief der Autos ein und daddelt auf dem Handy. Und das ausgesprochen günstig. Meine indische SIM lässt sich aufladen, 28 Tage, 1,5 GB pro Tag, nur 2,65 EUR in total. Wir sind knapp 2.000 Kilometer durch die Bundesstaaten Karnataka, Tamil Nadu und Kerala gefahren. Viele Kuriositäten sind mir dabei begegnet, ein Funkloch allerdings habe ich nicht bemerkt.
Bezahlen tun sie mit einem Telefonnummer-basierendem Bezahlsystem. Und das funktioniert überall. Von der Tankstelle bis zum Cocos-Nuss-Verkäufer am Straßenrand. Ausländer können allerdings nicht so einfach daran teilnehmen, man braucht wohl ein indisches Konto. Meine deutschen Kreditkarten, wurden in einfachen Restaurants mehrmals abgelehnt, also lief ich dann doch mit einem Bündel Papier in der Hosentasche rum. Der Geldautomat warf mir nur 500 INR- Scheine aus, jeder ca. 5,50 EUR wert, da kommt viel Papier zusammen. Allerdings kann man mit 500 Rupien auch eine Menge anstellen, zum Beispiel gut essen gehen.
Und noch etwas ist den Indern gelungen, an dem Deutschland immer noch knabbert. Laut „brand eins“ Heft 01/24 gibt es eine „Aadhaar-Karte“, über die der der Staat Leistungen oder Mikro-Kredite an die Menschen im Land auszahlen kann. „Im November 2023 waren knapp 1,4 Mrd Aadhaar-Karten verteilt – und damit fast die gesamte Bevölkerung versorgt.“, heißt es im Heft. In Deutschland ist es bislang nicht möglich, Geld-Leistungen über einen Kanal auszuzahlen (Stichwort Energiepauschale, Klimageld, etc). Da müssen dann Krankenkassen, Arbeitgeber oder gar Energie-Dienstleister einspringen. Unser Finanzministerium tüftelt noch an der perfekten Lösung. Technisch nicht vor 2025 möglich, vermutlich erst im Jahre 2027. Sorry, Leute, aber das kann doch nicht wahr sein.
Indische Kühe furzen zwar auch Methan in die Luft, aber eben nicht, um auf dem Grill zu landen, sondern nur für Produktion von Milch und Erhalt ihrer Heiligkeit. Der Anteil der Vegetarier ist sehr hoch und vegetarisch essen fällt hier auch gar nicht schwer, weil man hier nicht den Eindruck hat, dass nur Fleisch „weggelassen“ wurde. Jedes Mal wenn ich in Indien bin, begeistert mich die Wortwahl bei der Unterteilung von Speisen. Wenn wir in deutschen Kantinen eher in „normal“ und „vegetarisch“ unterscheiden, unterscheiden sie hier zwischen „veg“ und non-veg“. Ganz einfach. Die Plastiktüte ist verboten, darauf wird bereits im Landeanflug hingewiesen. Das wurde auch dringend Zeit.
Aber natürlich gibt es hier auch noch Einiges zu tun. Ich will hier nicht kritisieren oder schlaumeiern, bin ja schließlich zu Gast hier. Also formuliere ich es mal in Form von Wünschen:
Ich wünsche mir, dass das Land die Müll-Problematik in den Griff bekommt, speziell im öffentlichen Raum (Straßen, Grünflächen, Kanäle … selbst in Mangroven-Wäldern, National-Parks).
Ich wünsche mir, dass sie trotz anhaltendem Bevölkerungswachstum mal die Ellenbogen etwas einfahren, denn das ist mitunter schon etwas anstrengend. Eine Menschenschlange löst sich nicht dadurch auf, in dem man meinen Rücken bearbeitet. Und wenn ich an einem Schalter stehe, um etwas zu klären, da brauche ich nicht drei weitere Menschen um ich herum, die auf den Mitarbeiter vor mir einreden.
Ich wünsche mir, dass sie weiter an der Gleichberechtigung von Frauen und an den Freiheiten junger Paare arbeiten. Denn das ist im Jahr 2024 immer noch schwer zu verstehen (arrangierte Ehen, Einzug der Braut ins Elternhaus des Bräutigams, Wohnen in mehreren Generationen und damit Küchendienst für die Braut, während die Herren über Dinner und Tee sitzen. Der sehr traditionelle Vater meines Kollegen fragte mich, was ich darüber denke, dass „Kinder“ (gemeint ist sein Sohn mit Anfang 30, nebst Gattin und Tochter) noch bei ihnen wohnen … (sollen). Was soll ich da sagen? Ich bin ausgewichen, habe gesagt, dass ich meine Kindern unterstützen werde, wenn sie in der Ferne ihr Glück suchen wollen.
Also mach‘s gut Indien, wir sehen uns bestimmt wieder und dann mal sehen, was es dann Neues gibt.


































