543) Brauch‘ ick nich‘ – Vol 6

Ich hab mich ja schon in der Reihe >„Brauch‘ ick nich‘  hier darüber ausgelassen, welch Dinge permanent angeboten werden, ich aber nicht brauche. Dabei ging es im wesentlichen um Geräte und anderen Nonsens, der uns täglich in die Regale gestellt wird. Und da der Bedarf an Hardware irgendwann gesättigt ist, geht’s mittlerweile immer häufiger um „experiences“, also Erlebnisse „just for fun“ oder neue „Lifestyles“ die es zu versilbern geht.

Fangen wir mal an:

Ich bin noch nie an einem Gummiseil kopfüber eine Schlucht hinunter gesprungen, geschweige mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug gehüpft. Ich brauche kein Paragliding, kein Banana-Speedboat am Strand, keinen Escape-Room oder eine Nacht im Knast. Das wird sich auch nicht ändern. Ich werde mich nie in einem Käfig zu den Haien bringen lassen, noch werde ich mit Schlangen oder Spinnen schmusen. Ich muss auch kein Klavier aus dem Fenster schmeißen, um Spaß und Thrill zu empfinden.
Und ich lebe noch

Bislang habe ich noch nicht auf einem E-Roller oder Flyboard gestanden, habe es aber auch nicht sonderlich vermisst. Bin eigentlich froh, dass ich zwei Beine habe. Eine Drohne muss ich nicht fliegen, hier unten gibt‘s genug zu sehen … und zu tun. Habe nie gekifft, noch war ich im Puff, ging auch ohne. Meine Haut ist nicht mit Tinte unterfüttert, habe keinen Ring in der Lippe, noch habe ich riesige Löcher in den Ohren. Die einzigen Löcher, die ich in meinen Ohren habe, sind für die Kopfhörer.
Und ich lebe noch.

Ich habe auch noch nie einen Inder auf einem Fahrrad zu mir nach Hause gebeten, um mir eine Tüte Milch zu bringen, nur weil ich zu faul oder blöd war die selber zu besorgen. Ich habe keinen Spotify-Account, noch eine Alexa, denn ich entscheide lieber selber, welche Musik ich höre oder wer das Licht anmacht. Wenn ich in einen Starbucks gehe, bestelle ich Espresso oder „einfach nur‘n Café“, sonst nix. Ich saß nie in einer Stretch-Limo, nie in einem Hummer, noch in einem Ferrari.
Und ich lebe noch.
Vielleicht auch deswegen.

Mag langweilig und öde klingen, ist es aber wahrlich nich‘.

PS: und dass alles noch ins geliebte Bruttosozialprodukt einfließt … und auch noch Steuereinnahmen beschert … und von einem hohem BSP auch noch Staatsschulden eher für ok befunden werden …  davon will ich gar nicht erst anfangen

> hier gehts zur Reihe „Brauch‘ ick nich


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8 Kommentare zu „543) Brauch‘ ick nich‘ – Vol 6

  1. Du warst noch nie im … Starbucks? Ich wohl einmal, ganz zum Anfang, dann nie wieder. Und wenn ich nach Deutschland komme und in eine Cafeteria oder Coffeeshop oder wie auch immer es sich nennt geh, frag ich nach deutschem Filterkaffee und werde blöd angeguckt.

    1. Oh doch, natürlich war ich im Starbucks, nur bestelle ich da halt „einen normalen Café bitte ohne alles“ und nenne sogar einen fremden Namen für meinen Becher 😉

  2. Das hört sich äußerst sympathisch an 🙂

    Natürlich wird man öfter mal für unnormal gehalten. Aber man kann sich ja meist das Grüppchen suchen, in dem sowas nicht zu haben/machen als normal gilt.

  3. tja, die Kreativität, die Individualisierungswut und der unbändige marktwirtschaftliche Drang irgendwas Neues oder Anderes an Ihn/Sie/Es zu bringen ist schon erstaunlich… und wieviele dabei mitspielen, Hauptsache die Kohle rollt. Erschreckend nur, welche materiellen und geistigen Ressourcen dafür eingesetzt und eigentlich verplempert werden.

    Aber wie Eschbach seinen Roman „Ausgebrannt“ einleitete — „Selbst mit dem letzten Tropfen (Benzin) kann man noch beschleunigen….

    1. Oh ja, das glaube ich allerdings auch. Wenn all das „Brain“, die Kreativität dahinter in konstruktive, problemlösende Innovationen geleitet würde. Meine Güte …

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