107) Zölle nach Augenmaß!

Die „alte“ kommt wohl in die Jahre. Schrammen, Geräusche, Verkalkung, erste Anzeichen von Inkontinenz. Also muss sie getauscht werden. Schnell war eine neue bestellt, ähnliche Bauart, deutlich jünger und etwas schlanker. Mitte der Woche wurde die Mischbatterie dann geliefert. 

Heute vollzog ich dann erste Versuche, die „neue“ in die familiäre Einbauküche zu integrieren. Bereits 13:00 Uhr begonnen, um noch bei Tageslicht zum Ende zu kommen, musste ich dazu zunächst die Frontplatte des Spülschranks entfernen, was für eine Fummelei, scheiße … ritsch … Daumen weh getan …. meine Güte … gib mir Maus und Tastatur … und eine andere Aufgabe bitte!

Dann galt es, auf dem Rücken krabbelnd in dem Unterschrank zu verschwinden, um die „alte“ mal von unten zu inspizieren. Ich nahm das Handy mit, um Bilder mit Blitzlicht von ihr zu machen und stellte mit Grauen fest, dass sie sich an einem riesigen, sechskantigem Überwurf-Dings-Bums festhielt. Also marschierte ich in den Keller, nach einem passenden Maulschlüssel suchen. Aber Fehlanzeige, so einen „Großen“ habe ich nun mal nicht … keine Kommentare bitte … . Eine Rohrzange hätte ich da noch … aber mit so etwas grobem, wollte ich der „alten“ nun auch nicht zu Leibe rücken.

Der Baumarkt des Vertrauens hat „aus Gründen“ an Sonntagen natürlich geschlossen, also kroch ich wieder in den Schrank, um wenigstens die Zeit nutzen, die Größe des nötigen Bestecks zu ermitteln.

Und flugs die KI befragt:

„Die Maulschlüssel-Größe entspricht dem Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden, parallelen Flächen der Mutter (→ Schlüsselweite / SW).“

Man du Schlaumeier aus dem Silicon Valley, da kommt ich überhaupt nicht dran, um das auszumessen! Nicht mal ein Gynäkologe könnte das da vermessen!

Besorg mir eine andere Formel, aber flott, in zwei Stunden wird es dunkel!

„Selbstverständlich kein Problem … „Schlüsselweite (SW) = Eckenmaß ÷ 1,155“ … damit müsstest du die Größe des Schraubenschlüssel berechnen können.“

Eckenmaß? , vergiss es „Chatti“ Ich kann maximal eine Kantenlänge vermessen … vielleicht 20 mm … plus … minus … und mein Rücken tut mir schon weh. Mach hinne, Mensch!

„Kein Problem, hier eine andere Möglichkeit, die Schlüsselweite über die Seitenlänge zu berechnen: Schlüsselweite =  Seitenlänge × √3.“

Man, die Abiturientin ist außer Landes … der Stammhalter büffelt für Politik & Geschichte … ich liege hier im Spülschrank und Arbeiten über Kopf sind nun wirklich nicht mein Ding!

Also Abbruch, Escape, CTRL+Z, ALT+F4, die „alte“ muss es noch eine Woche machen, ich probiere es nächsten Samstag wieder, die „neue“ ans Laufen zu bringen.

Fortsetzung nicht ausgeschlossen …

726) Sturzhelm auf Chatbot-Tour?

Dass KI-Chatbots erstaunliche Produktivitätssprünge ermöglichen können, ist kein Geheimnis mehr. Man muss nur wissen, wie, und natürlich muss es auch zur jeweiligen beruflichen oder privaten Situation passen. Ansonsten bleibt es Spielerei, was ja völlig in Ordnung ist.

Die meisten Sprachmodelle haben jedoch die Eigenart, dem Nutzer nach dem Mund zu reden. Der Nutzer ist üblicherweise der „Größte“, hat die besten Ideen, und selten kommt die KI in die Position, das, was der Nutzer schreibt, wirklich herauszufordern.

Solange man nur Positives im Sinn hat, ist das nicht dramatisch. Problematisch wird es, wenn ein Chatbot Menschen bestätigt, die ein überdrehtes Ego haben oder mental nicht stabil sind. KI-Chatbots verstärken oft die eigenen Neigungen, sofern man ihnen nicht ausdrücklich sagt, das zu unterlassen.

Man denkt dabei schnell an Hacker, Phisher, Bombenbauer oder Autokraten, die sich neue Einfuhr-Zölle ausdenken. Doch auch ganz normale Menschen mit düsteren Gedanken, mit dem Hang, sich selbst etwas anzutun oder ständig an sich zu zweifeln, können genauso in ihrem Verhalten bestärkt werden. Das kann böse enden.

Chatbots wissen nun einmal nicht, wann sie motivierend sprechen sollen („Mach weiter, du bist auf dem richtigen Weg“) oder abraten sollten („Das ist keine gute Idee, lass das“), es sei denn, man bringt es ihnen vorher bei. Aber wer? Die Provider? Vermutlich nicht, denn die müssten gezwungen werden oder selber weiter ethische Standards entwickeln. Die Anwender … nun ja, glaube ich nicht dran … denn denen gefällt es ja vielleicht gerade in diesem Rabbit Hole

Vielleicht muss man also über virtuelle Anschnallgurte, Helme, Spurassistenten, Bremsassistenten oder Abstandswarner für den Umgang mit KI nachdenken?

Schwierig ….

PS1: Titelbild via ChatGPT

PS2: Inspiration von KI-Podcast vom 09.12.25. Macht weiter so!

136) Postkarte von der See (feat. Kraftwerk)

Im Oktober / November zog es mich gleich zweimal an die Küste.

Für‘n „bisschen gucken“, Familientreffen und Musik.  

In Stralsund traut man seinen Augen nicht, wenn man aus der Kneipe kommt.

In Wieck bei Greifswald liegt Standup Paddling nun auch voll im Trend. Und der Trend  „bekloppte Sicherheits-Schlösser an Geländer hängen“ auch. Aber mit System.

Die Elektro-Musiker von Kraftwerk waren zu Gast in Rostock und feierten 55-jähriges Band-Jubiläum.

In Warnemünde ist die Mittel-Mole endlich durchgängig begehbar und eröffnet neue Perspektiven.

Bis dann eine gigantische Wolkendecke heranzog.

In Nienhagen rätseln die Bäume mal wieder, wer wohl als nächster dran ist.

Anders als die anderen Kinder Deutschlands lernen die Kinder hier recht früh, bloß nicht immer auf wem Weg zu bleiben.

Denn manchmal ist der Weg einfach weg.

Auf diesem Wege, schönen zweiten Advent … uuups …. schon ? … war nicht erst Ostern?

 

725) Der große und der kleine W.

Der große W. hatte eine riesige Wohnung. Vielleicht nicht grad die beste Einrichtung, aber er hatte Platz, viel Platz. Die Wohnung war nach Osten ausgerichtet und bekam nur am Morgen Sonne ab, manche Zimmer waren aber unbewohnbar. Dafür flossen in seiner Wohnung Wasser, Strom und Gas einfach so aus der Wand. Er wusste gar nicht wohin mit so viel Energie, deshalb verkaufte er sie im ganzen Wohnviertel, und die Nachbarn steckten ihm zum Ausgleich Geldscheine in den Briefkasten.

Der kleine W. hatte die deutlich kleinere Wohnung nebenan. Sie war nach Westen ausgerichtet, das bekam seinen Pflanzen gut, und er war erfolgreich im Gartenbau. 

Seine Wohnung verfügte sogar über einen Steg, der zum Wasser hinterm Haus führte. Der kleine W. versuchte seit Jahren, in den Rat der Hausgemeinschaft aufgenommen zu werden, aber die verlangten immer weitere Anstrengungen von ihm.

Der große W. und der kleine W. hatten schon immer ihre Zwistigkeiten, keine Frage. Der große W. wollte mal wieder die ganze Etage für sich und auch wieder den Zugang zum See. Den hatten seine Vorfahren schon einmal. Da könnte er sich ein paar Boote hinstellen und müsste nicht immer mit dem Auto durch die Stadt fahren.

So kam es dann, dass der große W. eines Tages die Wohnung des kleinen W. aufbrach und schlimme Verwüstungen anrichtete. Der kleine W. und seine Familie versuchten, sich zu wehren, aber es war klar, dass sie keine Chance hatten. Denn der große W. hatte viel mehr Geld und obendrein seinen ganzen  Stamm verpflichtet, ihm zu helfen, um den kleinen W. aus dem Haus zu jagen.

Obwohl der kleine W. noch kein offizielles Mitglied der Hausgemeinschaft war, bat er die Nachbarn um Unterstützung. Manche schlossen die Türen, einige griffen ihm wenigstens mit Worten unter die Arme, andere halfen mit Material und alten Waffen aus dem Schuppen. Aber keiner von ihnen wollte einen Fuß in die Wohnung des kleinen W. setzen, denn das hätte den großen W. unkontrollierbar erzürnt.

Immerhin beschlossen viele, kein Gas mehr beim großen W. zu kaufen. Soll er doch darauf sitzenbleiben. Einige Mitbewohner unterliefen das jedoch und steckten ihm weiterhin Geldscheine in den Briefkasten des großen W. . Das gefiel der Hausgemeinschaft aber gar nicht und irgendwann sperrte sie den Briefkasten mit einem Vorhängeschloss ab. Der große W. kam nun nicht mehr in dieses Geld heran.

Die Hausgemeinschaft rief schließlich den schwergewichtigen Vetter D. aus dem Nachbarort um Hilfe. Der war reich und hoch verschuldet zugleich, aber er hatte ein riesiges Firmennetzwerk und einen prall gefüllten Waffenschrank. Die ersten Waffen verschenkte Vetter D. noch, Ehrensache natürlich, für die Freiheit.

Doch er verlor bald das Interesse und verwies das Problem zurück an die Hausgemeinschaft. Gerne stellte er weiterhin kräftige Waffen bereit, aber die sollten bitte bezahlt werden. Das tat die Hausgemeinschaft zögerlich, und stellte sie dem kleinen W. auf den Fußabtreter.

Irgendwann bekam Vetter D. dann auch Wind vom gut gefüllten Briefkasten des großen W. und dachte sich, dass er sich doch diese Batzen Geld doch einverleiben könnte.

Und wenn der Streit zwischen dem großen und dem kleinen W. endlich mal  beendet ist und der kleine W. endlich auszieht, will Vetter D. dieses Geld gern gewinnbringend in der kaputten Wohnung investieren und mit dem großen W. weitere Projekte finanzieren. Denn ihre Beziehung soll gestärkt werden.

Und die Hausgemeinschaft guckt zu und wird wohl die Schatulle öffnen.

Tja und wenn sie nicht gestorben sind, dann grinsen sie noch heute

Ende

PS: Titelbild via ChatGPT

724 ) Blick auf die Uhr

Uhren gehören vermutlich zu den meist betrachteten Objekten der Neuzeit. Jeder hat gleich mehrere im Umfeld oder weiß zumindest, wo die nächste zu finden ist. Vielleicht nicht auf den abgelegenen Inseln der Andamanen oder Papua-Neuguineas, aber selbst die Menschen dort haben irgendeine Art von „Uhr“, sei es der Mond, die Sonne oder die Gezeiten. Auch wenn sie kein Netflix haben oder um 5:30 Uhr den Bus kriegen müssen, werden sie doch wahrscheinlich ihren Tag mit bestimmten Zeitimpulsen strukturieren.

Tja, und dann schauen wir also alle mehrere Dutzend Male am Tag auf Uhren, ganz beiläufig, nur eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk oder dem Augenwinkel. Die Gründe und Emotionen, die damit einhergehen, sind jedoch völlig verschieden.

  • Da wird ein Kleinkind zur Mittagsruhe verdonnert, schaut alle paar Minuten auf die große Uhr am Swimmingpool und wartet darauf, dass die Kinderanimation endlich wieder öffnet.
  • Ein Vater packt das Nötigste ins Auto und wirft einen Blick auf die Tacho-Uhr, denn nur noch eine letzte Fähre wird die Insel vor dem großen Sturm verlassen.
  • Eine Raucherin sitzt auf Platz 14A und starrt auf die Anzeige im Sitz vor ihr. Von sechs Stunden Flugzeit ist erst eine Stunde geschafft.
  • Ein Manager wacht nachts auf, geht ins Bad, wirft einen Blick auf die Uhr über dem Spiegel und kriecht mit einem Lächeln wieder unter die Bettdecke.
  • Ein Paar steht verliebt am Bahnhof; bald werden sie für längere Zeit getrennt leben müssen. Sie klammern einander, schmusen und zwischendurch wandern ihre Blicke immer wieder hoch zur Bahnhofsuhr.
  • Eine Abiturientin sitzt über viel Papier gebeugt und blickt auf die Uhr über der Tür. In wenigen Minuten wird die Aufsicht die Prüfungsblätter einsammeln.
  • Eine Astronautin sitzt festgeschnallt an der Spitze einer Rakete. Der Countdown läuft, unter ihrem Sitz beginnt ein heftiges Vibrieren.
  • Ein Patient tritt aus der Klinik, schaut auf die Uhr und atmet tief aus. Er war am Morgen mit größter Angst gekommen und geht nun erleichtert nach Hause.
  • Eine Großmutter lehnt am Fensterbrett und sieht zur Kuckucksuhr hinüber. Morgen sollen die Kinder zum Kaffee kommen.
  • Eine Musikband gibt ein Abschlusskonzert, klitschnass und erschöpft. Das Stadion tobt. Der Drummer hebt die Sticks und eröffnet den letzten Song der Tournee.

Jeder schaut anders auf die Uhren und was die Menschen dabei letztlich empfinden, können wir nur erahnen … und wir können uns auch täuschen.

PS: Titelbild via ChatGPT

 

723) Besinnungsloses Couch-Einkommen

Der hochbezahlte Amazon-Chef hat mal wieder etwas zu KI und der Auswirkung auf die Arbeit gesagt: Hier ein Abriss auf Spanisch (https://www.eleconomista.es/) und hier auf Deutsch (https://www.msn.com)

Beide sagen aber im Prinzip in Kurzform:

„Routine- und Ausführungsaufgaben sind gefährdet, aber menschengemachte Kreativität und Erfindungsgeist bleiben unersetzlich.“

Also, um so ein flaches Ding rauszuhauen, da muss man kein Multi-Milliardär sein, da hätte ich auch noch hingekriegt.

Natürlich hat er recht, dass KI deutliche Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben wird. Ganze Berufe oder Tätigkeitsfelder werden ersetzt, da besteht gar kein Zweifel. Aber das ist auch nicht gleich morgen der Fall und ganz so neu ist das dann auch alles wieder nicht. Gezielte Automatisierung, besonders in der (Serien-)Fertigung, gibt’s seit Jahrzehnten schon, natürlich wird heute kein Auto mehr per Hand aus einem Stück gemeißelt, das machen Roboter, mit viel besserer Qualität und höherer Stückzahl. Und standen die Kfz-Schlosser am nächsten Tag alle beim Arbeitsamt? Nein, weil das ein Prozess ist, der sich hinzieht und im besten Fall geht er synchron mit dem Ausscheiden älterer Arbeitnehmer einher. In Büro’s gab es auch schon immer Automatisierung, seit Erfindung der ersten Großrechner oder PCs erledigt Software repetitive Tätigkeiten. Niemand wird diese Errungenschaften ernsthaft zurück drehen wollen.

Die generative KI, die nun auf der Matte steht, ist dahingehend besonders, weil sie einen extremen Wissensschatz hat, sehr wortgewandt ist und eigene Lösungsstrategien entwickeln kann. Und auch die Robotik wird lern-und selbständiger und macht erste Schritte auf unbekanntem und chaotischem Terrain. Ihr könnt ja in der Suchmaschine des Vertrauens mal nach „Unitree* Roboter“ suchen

Damit steigen die Chancen, nach Fensterputz-und Saugrobotern und auch endlich einen Socken-Robo, Geschirrpül-Bot und Bügel-Assistant zu bekommen. Dann gibts nur noch was für die Kreativen zu tun, der ganze Rest  kriegen endlich das Grundeinkommen und kann sich den ganzen Tag durch die Shopping-Portale klicken.

PS1: Unitree Robotics ist eine Roboter-Firma. Ich kriege keine Geld von denen oder stehe in irgendeiner Beziehung zu dem Laden. Zumindest noch nicht …

PS2: Titelbild via ChatGPT

722) Geschichten vom Techno-Dino – Vol 3

What? Seit >Geschichten vom Technodino – Vol 2 zwei sind nun schon wieder zweieinhalb Jahre vergangen? Wow. Die Zeit rennt, die Technik erst recht, aber manche Dinge bleiben eben auch stehen.

Heute geht’s mir darum, wie Technik unsere Sprache, aber auch unsere Gesten, Symbole und Gewohnheiten, noch bis heute beeinflusst. Selbst wenn sie längst nicht mehr existiert. 

„Jemanden an die Strippe bekommen“ bedeutet immer noch, jemanden telefonisch zu erreichen, obwohl die meisten Telefone längst keine Strippe mehr haben. Das private Festnetztelefon ist seit Jahren schnurlos. Schon allein der Begriff Festnetz

Man verspricht gern, später noch einmal „durchzurufen“ oder sich zu „melden“. Auch das ist völliger Blödsinn. Man muss weder die Hand heben, noch die Dame vom Fernmeldeamt bemühen, und „rufen“ muss man erst recht nicht, obwohl manche Fahrgäste in der Bahn immer noch glauben, dass es hilft.

Wenn ich jemandem wortlos signalisiere, dass ich ihn anrufen werde, spreize ich Daumen und kleinen Finger ab und halte diese Geste ans Ohr, wie ein alter Telefonhörer. GenZ hingegen hält sich ein imaginäres Knäckebrot an den Mund. Andere Zeiten, andere Hörer.

In Outlook spricht Microsoft immer noch von Postfächern. Der Speichern-Button in Office wird weiterhin durch ein Diskettensymbol dargestellt. „Was ist eine Diskette?“ fragen mich die Kids. Es ist schwer zu erklären.

Wenn man einer Schrift mehr Kraft verleihen soll, dann macht man sie „fett“, ein Begriff, den man heute kaum noch unkommentiert stehen lassen kann. Und das Gegenteil heißt dummerweise auch noch „normal“, und nicht etwa „dünn“. Auweia, zum nächsten Punkt bitte.

Die Festplatte heißt immer noch C:. Und das C steht natürlich nicht für Cloud, sondern schlicht deshalb, weil A: und B: früher für Diskettenlaufwerke reserviert waren. Also blieb C:. Logisch.

Ich spreche weiterhin von Bookmarks, während die jungen Leute um mich herum von Favoriten reden. Für mich ist das ein riesiger Unterschied: Ein Lesezeichen bedeutet nicht automatisch, dass es auch ein Favorit ist. Jemanden zu kennen, heißt schließlich auch nicht, ihn zu bevorzugen.

Bevor ich mich in Excel oder Word auf die nervige Suche nach Buttons mache, die Microsoft mal wieder verschoben hat, feuert mein Gehirn zuverlässig etwa 30 Shortcuts ab. Urgedächtnis aus frühesten Windows-Jahren.

Und während Kollegen mit Zweit- oder Drittmonitor arbeiten, sitze ich mit nur einem Bildschirm da und hüpfe fröhlich mit ALT+TAB durch die Anwendungen – eine Tastenkombination, die ich schon aus Windows 3.11 kenne. Das gab es auch noch keine vermüllten Desktops, weil es keine Desktops im Computer gab.

So, ich mach jetzt mal Feierabend

Alt+F4

Rundgang durchs Museum. Abteilung Techno-Dinosaurier:

721) Fleischbeschau

Ab dem nächsten Jahr dürfen junge Männer wieder den ungewissen Gang zum Briefkasten antreten, um nachzusehen, ob Post vom Kreiswehrersatzamt darin liegt. Das ist ein unangenehmes und anhaltendes Gefühl, ich erinnere mich noch gut daran.

Auch der längst vergessen geglaubte Begriff der Musterung kehrt zurück. Nein, es geht nicht um ein Musterhaus oder den Versand von Tapeten- und Teppichmustern. Es geht um die Fleischbeschau junger Männer: einen Body-Check, bei dem geprüft wird, wie es um deren körperliche Verfassung steht – und wie man sie im militärischen Konfliktfall wohl am besten einsetzen könnte. Schon den Begriff »Musterung« finde ich widerlich. Es ist im Grunde eine Bestands- … oder besser Schadensaufnahme … der defense capabilities an der Gen Z und Alpha. Wir werden sehen, was bei rauskommt. Es wird der fleischgewordene PISA-Test, das Aufmaß der Militärhandwerker, die Inspektion, die Sichtung, die Erfassung der jungen deutschen Verteidigungs- und Abwehrmasse.

Zum Glück gehöre ich nicht mehr zur Zielgruppe, und vermutlich würde ich ohnehin durchfallen. Dieser mittelalte Sack kann nicht lange sitzen, nicht lange stehen, müsste zwischen Nah- und Fernkampf die Brille wechseln, und auch im Kopf hat er nicht mehr alles so beisammen. Allerdings kommt ihm die Bundeswehr sogar entgegen: Dort tragen alle ihren Namen auf der Brust, das würde ihm gefallen und die Chefs da haben immerhin klare Vorstellungen wohin sie wollen. Auch das wirkt sehr attraktiv.

Für die jungen Männer tut es mir wirklich leid. Ich weiß genau, wie unangenehm es ist, ständig im Hinterkopf zu haben, dass da noch etwas kommen könnte. Und ich weiß, wie ungerecht es sich anfühlt, wenn man Pläne fürs eigene Leben schmiedet und plötzlich jemand anderes mit am Amboss steht und kräftig draufhaut.

PS: Titelbild via ChatGPT

720) Nicht auf meinem Schreibtisch erleichtern!

Der November hat etwas Seltsames: Er ist weder Anfang noch Ende, aber irgendwie beides.

Man schaut zurück, zählt, vergleicht – und merkt, dass das Jahr doch wieder schneller war als gedacht.

Und genau dann beginnt sie, die große Schieberei: Aufgaben, Projekte, Restziele.

Alles, was liegengeblieben ist, sucht plötzlich ein neues Zuhause – bevorzugt auf den Schreibtischen derjenigen, die ohnehin kaum noch freie Fläche haben.

Also Freundchen

Du bist zu faul, selber den Kopf anzuschalten und deshalb versuchst es bei mir abzuladen? Geh weiter.

Du hast festgestellt, dass das Jahr im Prinzip fast vorbei ist und aber deine Ziele nicht erreicht und deshalb kommst du nun zu mir? Ich halte mir die Ohren zu.

Du hast beim letzten Meeting mal wieder nicht zugehört und willst dann eine Zusammenfassung von mir?  Vergiss es, selber hören, macht glücklich.

Du denkst, du machst dir einen schlanken Fuß und schickst eine AI generated Meeting Minute an mich, damit ich daraus meine Tasks ableite? Vergiss es.

Du schickst ein Meeting, was für 5 Stunden ausgelegt ist, an 30 Teilnehmer? Ich werde definitiv nicht kommen. Meldet euch bei mir, wenn ihr wisst, was ihr wollt.

Du schickst mir ein Excel ohne Kontext und schreibst: „Kannst du mal schauen?“ – Ja, kann ich. Aber ich will nicht.

Du willst „nur kurz brainstormen“, aber meinst eigentlich „mach du mal einen Plan“? Dann nenn’s bitte, was es ist: Delegation in Tarnfarbe.

Du denkst, wenn du mich in CC setzt, hab ich automatisch Verantwortung?
Falsch gedacht. CC heißt Can’t Care.

Und du meinst, im November „noch schnell was anzustoßen“ – hast ein schönes Timing. Aber leider ohne mich.

Du willst dich erleichtern?
Mach’s, aber bitte nicht auf fremden Schreibtischen.

Schön, zu lesen, dass KI anscheinend dieselben Probleme hat.

PS1: kursive Teile von ChatGPT, Rest ist von mir. Es ist auch mal schön, was bei jemand anderem abladen zu können.
PS2: Titelbild, via ChatGPT
PS3: fast alles eingesprochen, die Tastatur kaum benutzt

719) 10 in 1

Das 2 in 1 Duschgel, was für eine großartige Erfindung das war.

Nur noch eine Schmiere für Kopf und Körper!

Schluss mit den Zeiten, wo man im Bad noch lesen können musste. Schluss mit den Zeiten, wo man gezwungen war, die Augen des einshampoonierten Kopfes zu öffnen, um nach der anderen Flasche zu greifen. Auch musste man nicht mehr überlegen, ob gewisse Körperregionen eher in die Kategorie „Körper“ oder „Haar“ fielen.

Aber selbst diese Innovation wird nun noch übertroffen.

Das 5-in-1-Duschgel wirbt mit folgender Aufschrift:

„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur und Feuchtigkeit.“ Genial.

Aber da geht doch noch mehr, oder?

Das 6-in-1:
„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur, Feuchtigkeit und Zähne.“

Das 7-in-1:
„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur, Feuchtigkeit, Zähne und Parkett.“

Das 8-in-1:
„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur, Feuchtigkeit, Zähne, Parkett und Flächen.“

Das 9-in-1:
„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur, Feuchtigkeit, Zähne, Parkett, Flächen und Auto.“

Das 10-in-1:
„Für Körper, Gesicht, Haar, Rasur, Feuchtigkeit, Zähne, Parkett, Flächen, Auto und Garten.“

Nun braucht man nur noch einen Universallappen und alles riecht frisch nach Minz-Kirsche-Honig-Sommerfrische

Und man sollte besser gleich einen Fünf-Liter-Kanister zu Hause haben.

Denn wenn die Pulle mal leer werden sollte …

steht man plötzlich ganz dumm da.