257) Radio me!

Heute möchte ich den Beitrag >My Radio von Anke weiterspinnen. Sie schrieb über ihr Auto-Radio, welches sie neulich mit dem Vornamen ansprach.

In einer Welt, in der die Menschen immer mehr zum absoluten Unikat streben, zur „personalized user experience“, will ich heute mal über das Radio der Zukunft nachdenken.

Also sieben Ideen, wie ein Radio künftig sein könnte:

  1. Natürlich wird das Radio uns persönlich kennen und ansprechen. Mit Name, Geburtstag und sonstigen Daten, die wir ja freiwillig den Datenkraken in den Hals werfen.
  2. Die Musik ist selbstverständlich voll auf unsere Hörgewohnheiten und Likes in den Streaming-Diensten und Social Media-Plattformen abgestimmt.
  3. Bei den Nachrichten kommen nur Nachrichten ins Ohr, die wir auch „hören wollen“, unbequeme Details werden herausgefiltert, geschnitten und geglättet.
  4. Werbung ist logischerweise voll auf uns zugeschnitten. Unser Radio-Sender hat Zugriff auf unsere Anfragen bei Suchmaschinen und Lieferdiensten. Kennt unsere digitalen Einkaufslisten und Kurznachrichten a la „Kannst du bitte noch Brot mitbringen?“.
  5. Da wir ständig posten, dass wir „gerade losgefahren“ und dann auch „gleich da sind“, begleitet uns das Radio mit Informationen durch die Stadt. „Achtung Ampel-Ausfall in der So-und-So-Straße“ und „Nur noch 32 Brötchen und 7 Brote beim Bäcker nächste Ecke links“.
  6. Die Krankenkassen kaufen sich auf den Radio-Sendern ein und sorgen dafür, dass die Temperaturen grundsätzlich kälter angesagt werden und die Winde böiger.
  7. Die Arbeitgeber lassen unterschwellige Nachrichten an die Empfänger senden, die noch immer offline sind. „Guten Morgen Berlin, ein weiterer Start ins Homeoffice!“ oder „Millionen User-Accounts wurden gehackt, versorgen Sie sich schnellstens mit Updates“.

Wenn man das zu Ende denkt, würde das letztlich zu 80 Millionen Radio-Sendern in Deutschland führen. Kinder und Hochbetagte mal eingerechnet. Das Tuning-Rad am Gerät bräuchte man eigentlich nicht mehr, ebenso keine Speichertasten oder Favoriten, denn jeder hat genau den einen … seinen … Sender. Einfach 80 Millionen Bubbles, quasi.

Aus aktuellem Anlass: Mein Auto-Radio hat sich in die ewigen Äther-Gründe verabschiedet. Es macht nichts mehr, außer die Auto-Batterie leersaufen, was auf Dauer ein ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis darstellt. Als mir die Werkstatt den Preis für ein neues Gerät recherchierte, bin ich fast umgefallen. Soll ich jetzt echt meinen Diesel verkaufen, der noch locker 100.000 km fahren würde wenn man ihn lässt, nur weil sich das elektrische Radio verabschiedet hat?

Mhm … das stimmt mich etwas nachdenklich

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