Das Jahr geht vorüber, es war ein spezielles Jahr, dass wir so nicht mehr vergessen werden. Die Jahresrückblicke sind alle schon gelaufen. Zur Vorspeise wurden Hauptstadtflughafen, Stadtschloss und Tesla-Werk gereicht. Danach kam der sehr kräftige Hauptgang komponiert aus frittierten Corona-Viren auf US-Wahl-Gemüse, angereicht an etwas Brexit-Mus. Als faule Nachspeise gab’s noch querdenkendes Fallobst mit aufgewärmter brauner Sauce. Würg.
Zwischen den Gängen war aber noch viel mehr zu besprechen. Hotels, Restaurants, Bars, Kneipen, Clubs, Theater, Bühnen und Musikhäuser sind dicht. Der Barber-Shop verkauft nun 400 EUR-Gutscheine für nur 200 EUR und versucht seinen Umsatz vorzuziehen. Das Traditionskino lockt mit 139 EUR für‘s komplette erste Halbjahr 2021. Oder es ist schon gar nicht mehr da. Wer weiß. Das Eis-Café ein paar Meter weiter lädt auch zum Räumungsverkauf.
Das Jahr wird überall verflucht, viele wollen es so schnell wie möglich vergessen, in der Annahme, dass das Jahr 2021 schlagartig besser wird.
Und nun ist auch noch der Böller dran. Die letzte Bastion maskulinem Kriegsspielzeugs ist nachhaltig getroffen. Selbst das friedliche Bleigießen gibt es nicht zu kaufen, nicht einmal die weniger giftige Variante aus Wachs. Auch Wunderkerzen gibt es nicht. Schluss mit lustig.
Morgen um Mitternacht gehen wir also auf den Balkon und schreien aus unseren Kehlen:
- „PENG, Verschwindet ihr Corona-Geister!“
- „PAFF, Willkommen 2021, prost Neujahr!“
Wir brüllen gegen diesen Scheiß-Virus an, der mittlerweile 1.000 Tote pro Tag fordert.
Jetzt will ich euch hier aber gar nicht so runterziehen. Jeder hat bestimmt auch ein paar positive Effekte aus der Zeit mitgenommen, oder?
- Also zum Beispiel, bin ich noch nie so wenig Auto gefahren. Beim geplanten Öl-Wechsel, hat mich der Kfz-Meister wieder nach Hause geschickt. Ich soll erst wieder kommen, wenn die Lampe leuchtet. Ich war seit Mitte März auf keiner Dienstreise mehr, ich habe meinen CO2 Footprint der letzten Jahre etwas abgebaut und bin laut Schrittzähler 1.000 Schritte täglich mehr gelaufen als in 2019.
- Der 7-Tage-Homeoffice-Bart hat sich endlich etabliert und man hat zum Chef eine ganz andere Haltung, wenn er das Zielerreichungsgespräch im Lila Strickpulli und Halskettchen führt. Zum Glück fand der Blurry-Mode zügig in die Video-Konferenzen, damit musst man nicht mehr auf die verkramten Regale der Kollegen blicken. Die beste Erfindung seit der Küchenrolle!
- Ich habe noch nie so viel gelesen wie in den letzten Monaten, noch nie so viele Podcasts und Hörbücher gehört, als während meiner Freigänge durch den Stadtpark. Die Sohlen der Wanderschuhe sind abgelatscht, dabei war ich nicht einmal in den Bergen. Und ich habe mehr geschrieben als sonst, knapp 150 Blog-Beiträge sind so entstanden.
- Und wir haben viel über unsere Grundrechte diskutiert. Jeder wird hoffentlich für sich erkannt haben, welche ihm/ihr wichtig sind. Bewegungs-und Reisefreiheit und eine vielfältige Medienlandschaft stehen bei mir ganz oben auf der Liste.
So, liebe Leser. Nun drücken wir mal die Daumen, dass auch die letzten Mitmenschen verstehen, dass der Begriff Lockdown vom Englischen „to lock“ kommt und noch nichts mit „Lockerung“ oder „Verlockung“ zu tun hat und schon gar nicht mit „Sunblocker“ 🙂
Guten Rutsch morgen in ein gesundes neues Jahr 2021!
… ganz speziell an die gute S. aus HD am N. die keine Neujahrswünsche empfangen will 😉