Gestern fühlte ich mich zeitweise, als wäre ich „Sam“ aus dem 90-er Jahre Film „Ghost“. Der jüngeren Generation wird das vielleicht nichts sagen, also ziehe ich einen weiteren Vergleich. Ich fühlte mich wie Harry Potter. Mit Unsichtbarkeitsumhang.
München, Odeonsplatz. Chaos bei der U3 und U6. Der Bahnsteig ist überfüllt, die eintreffende Bahn ebenso. Ich beschließe, auf die nächste Bahn zu warten, bringe mich und meinen Rollkoffer aber schon mal in eine bessere Position. Ich stelle mich genau dahin, wo vermutlich die Türen der nächsten Bahn sein werden, halte aber noch etwas Abstand zur Bahnsteigkante. Kaum spüre ich den Luftzug der nächsten Bahn, erscheinen plötzlich weitere Menschen und stellen sich auf die kleine Fläche vor mir. Ähm, Hallo? Ich stehe hier doch nicht zum Vergnügen! Ich muss ins Büro.
München, U6. Trotz Koffer-Handicap schaffe ich es noch in die Bahn. Festhalten brauche ich mich nicht, umfallen kann ich eh nicht. Bei einer der nächsten Stationen, wird ein Mädel gegenüber unruhig. Sie will bestimmt aussteigen und hat Angst, dass sie es nicht rechtzeitig bis zur Tür schafft, weil ich ihr den Weg versperre. Ich signalisiere ihr nickend, dass ich verstanden habe und wühle mich in Richtung Tür, um ihr Platz zu machen. Die Türen öffnen sich. Ein breiter Kerl versperrt aber den Ausgang und bewegt sich keinen Zentimeter. Nicht nur weil er über Kopfhörer Musik hört, sondern weil man ihm anscheinend das Rücksichtnahme-Gen entfernt hat. Ähm, Entschuldigung, dürfte ich mal?
München, Flughafen. Airbus 319, Platz 26E. Ich bin auf meinem Platz in der Mitte der Reihe angekommen. Eine Frau kommt dazu, setzt sich selbstsicher auf den Gangplatz neben mir. Kurz danach erscheint ein Typ, scheucht sie wieder hoch, denn er habe wohl den Platz gebucht. Ich stehe schon mal auf, um in den Gang zu treten, damit sie dann zum Fensterplatz durchrutschen kann. Sie erhebt sich auch, bleibt aber in der Fußreihe stehen und schaut mich an. Ähm, wie soll das jetzt laufen? Soll ich durch sie durchgehen oder will die vielleicht über mich drüber krabbeln?
Berlin, Flughafen. Flugfeld Terminal C. Wir verlassen das Flugzeug und laufen zu den Bussen. Es ist wieder sehr voll. Angekommen am Terminal, öffnet der Bus die vorderen Türen. Aus dem hinteren Bereich müssen wir also alle hintereinander durch den Bus laufen, um vorn auszusteigen. Der Menge stur folgend, schupst, schiebt und drängelt es permanent hinter mir. In meinem Nacken spüren ich fremden Atem. Als hätte ich jemanden im Huckepack. Ich schaue über die Schulter und wen sehe ich hinter mir? Die Lady vom Fensterplatz. Jetzt reicht es mir aber. „Rücken Sie mir nicht so auf die Pelle, man!“
Berlin, Bernauer Straße. Ich sitze im Taxi und denke über die Ereignisse nach. War ich wirklich in München? Oder habe ich mir das nur eingebildet? War nur mein Geist in München und mein Körper war den ganzen Tag über noch in Berlin? Oder ist das mittlerweile vielleicht sogar anders? Kommt der Geist neuerdings eher an und der Körper folgt dann später? Ich durchsuche meine Jacken-Taschen nach Beweisen. Ich finde einen Kassen-Bon vom Münchener Flughafen. Ein Helles und eine Brezel. Datiert vom 30. Januar. Es muss so gewesen sein. Ich war in München, auch wenn ich permanent ignoriert wurde. Als wäre ich aus Luft. Als existiere ich gar nicht.
Ist das ein Münchener Phänomen oder liegt es daran, dass immer mehr Menschen ernsthaft glauben, der Planet wäre exklusiv für sie geschaffen worden?
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