440) Brace-Brace zum Weißweingeschnatter

06:00 Uhr in der Frühe, wir lassen uns auf unseren Plätzen nieder. Aua. Das wird kein Vergnügen, das sind keine Sitze, dass sind Plastik-Bretter mit Stoffbezug. Ich Schlau-Fuchs habe mir ja extra ein schmales Kissen für diesen Zweck besorgt. Aber wie ich es auch knautsche, es ist einfach zu prall gefüllt, ich sitze nicht gut, das merke ich sofort.

Merke: Flocken rausnehmen.

Einige Familien und Paare in der Kabine scheinen sich zu kennen, fliegen gemeinsam zum Ziel. Hochzeit, Geburtstag irgend solch ein Anlass, alle sind aufgeregt. Die Damen unter ihnen, sind für die Uhrzeit alle ganz schön aufgetackelt. Sagt man das so? Sie haben einen Tuschkasten im Gesicht und manche wirken frisch renoviert und neu gespannt, als kämen sie gerade von der Schönheits-OP.

Merke: Stehe zu deinen Falten.

Alle Fluggäste scheinen an Board zu sein, es kann losgehen. In Reihe 2 vor uns ist noch auffällig viel Platz, da stolpert noch eine Familie für den Reisen-Verbund durch die Tür. Ganz außer Atem mit viel Getöse, stehen sie nun mit ihren vier Koffern im Gang und glotzen die geschlossenen Overhead-Locker und den Percer fragend an. „Sie trauen sich was, kommen so spät und dann mit soviel Gepäck“, tut er scherzhaft, meint es aber ernst…haft. „Ähä … die Pässe …“, gackert die Mutter des Haushalts und hat die Hände voller Gebäck … in Tüten.

Merke 1: Sammle deinen Scheiß weiterhin am Abend zuvor zusammen.
Merke 2: Plane immer etwas Reserve ein. Für den Bäcker … oder so.

Die Botox-Gänse in Reihe 1 und 2 tauschen die Plätze, damit es sich leichter schnattern lässt. Mietwagen, Wetter, Hotel, Preisvergleiche … ich stopfe die Kopfhörer in die Ohren und drehe die Musik lauter. Nach zwei Stunden kommen noch weitere Gänse aus den hinteren Reihen angeflogen und gesellen sich zur Schnatterschar. „Wir wollten euch doch mal hier in der ersten Klasse besuchen … ha ha … glucks …quieck … gacker.“ Das ist nicht die erste Klasse, man! Das ist die Plastik-Klasse und man sitzt hier wir auf den Klappsitzen der Berliner S-Bahn.

Merke: Steißknochen entfernen lassen (… wollte >ich schon einmal machen, dann aber wieder vergessen).

Das blond gefärbte Federvieh hat viel Gesprächsbedarf. Die Müdigkeit scheint vergessen. Gegen 08:30 Uhr kommt eine Gans auf die Idee, eine Runde Perlwasser zu schmeißen. „Sekt, Rosé, weiß? Manuela? Und du? Manja? Darf man denn schon? Ach is’ doch egal. Janine? Claudia? Du auch?“ Man, bestellt euch lieber eine Flasche Rotwein, dann ist hier bald Ruhe! Die Kabinenbesatzung macht den Umsatz des Tages und das Geplapper dringt immer noch in meine Gehörgänge.

Merke: Neue Kopfhörer kaufen. Solche für Hubschrauberpiloten oder Baustellenpersonal.

Jose der Flugbegleiter … und neuerdings auch Weinverkäufer … wird gebeten, ein Foto von der Gacker-Runde zu machen. Da ich in Reihe 3 sitze, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mein hübsches Faltengesicht mit darauf zu sehen ist. „Da können wir ja eine WhatsApp-Gruppe anlegen und dann all die Fotos … oh ja … tolle Idee Maria.“ Ich nehme freiwillig die Brace-Brace-Position ein und verschwinde hinter der Sitzreihe 2. Ich will nicht in ihrer WhatsApp-Gruppe zu sehen sein.

Merke: Beim nächsten Mal besser Basecap, Sonnenbrille einpacken und den 5-Tage-Bart auf 10-Tage reifen lassen.

„Ach … ich kriege ja schon aufsteigende Hitze … hi hi … ihr auch?“
„Ich verschwinde noch mal.“
„Ich geh‘ dann auch noch.“
„Oh ja, gute Idee.“
„Ich auch.“

 

Leider können die im Flieger nicht zusammen verschwinden.

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68) Hintenrum

Keine Sorge, der Beitrag bleibt jugendfrei. Ich will einen Gedanken aufgreifen, den Annuschka mit einem Beitrag bei mir getriggert hat. Es geht um nervige Zeitgenossen, die gern von hinten nerven (sei es auf der Straße oder an der Kasse), aber auch von vorn ein Mega-Hindernis darstellen können.

Zwei Situationen:

Mit der Klima-Diskussion, wachsender Ü40-Vernunft und wertvoller Lebendfracht an Bord, fahre ich auf Autobahnen seit einiger Zeit etwas langsamer. Da mag man jetzt die Schultern heben und fragen, was denn daran so besonders sei. Nun ja vielleicht seid ihr da schon eher zur Erkenntnis gelangt, bei mir hat‘s halt länger gedauert. Insofern ist das für mich schon eine „Entwicklung“. Aber darum geht’s heute nicht. Es geht um das Schauspiel, welches sich dann teilweise hinter mir abspielt, wenn ich flüssig aber eben gemäßigt über die Bahn tuckere. Könnt ihr euch vorstellen. Meine Karre wirkt recht breit und die dunkle Heckscheibe versperrt zusätzlich die Sicht, was solche Nervbacken an den Rand des Wahnsinns treibt, während ich nach meinem Ruhepuls suche 😉

Wo ich einen Tobsuchtsanfall kriege ist, wenn ich zum Beispiel auf einem Supermarktgelände rückwärts ausparke und denn ständig hinter dem Auto irgendwelche Menschen durchhuschen müssen. Ganz schnell noch. Husch, husch! Mit Einkaufswagen, Kindern, Hunden. Am besten von schräg hinten, wo man sie wegen der C-Säule nicht sehen kann. Dann drehe ich mich wie ein Flug-Radar und werfe Augen wie ein Kobold-Maki. Autos hinten links, Menschen hinten rechts, Autos hinten rechts, Menschen hinten link, Blick nach vorn und das Ganze wieder von vorn. Weil diese „Schnellnochvorbeihuscher“ nicht mal eben diese 20 Sekunden Zeit haben, mein Manöver abzuwarten, riskieren sie, dass sich sie aus Versehen anfahre. Schuld hätte ich natürlich, die Verletzung tragen sie aber davon.

Aber natürlich bin ich auch Fußgänger, komme mit vollgepacktem Wagen aus dem Supermarkt und möchte zu meinem Auto. Und wenn ich da sehe, wie ein Kleinwagen rückwärts ausgeparkt wird wie ein XXL-Truck, werde ich auch unruhig und neige zum „Schnellnochvorbeihuschen“ aber ich mahne mich dann zur Ruhe. Manchmal gebe ich dem Fahrer auch einen Wink, damit er sicherer wird (…und sein Aktion schneller über die Bühne bringt). 

Bis ich dann selber von einem anderen „Schnellnochvorbeihuscher“ überholt werde. Kopfschüttelnd fragt der sich, warum ich denn da so doof herumstehe und setzt dann zum Vorbeihuschen am Heck des Kleinwagens an. Dessen Fahrer vertraut aber darauf, dass er für einen Moment freie Bahn hat, was dann dazu führt, dass er den Vorbeihuscher fasst umnietet, der dann wiederum auf die Heckklappe trommelt und sich auf Berliner Art echauffiert.

  • Hey, Tomaten uffe Oogen?
  • Biste blind oda wat?
  • Man, da park ick doch‘n Panza aus!
  • Stell dia nich so an man!
  • Wo hast‘n dein Führaschein jemacht?

Ach, die Welt könnte so schön sein.

Oh, ich muss Schluss machen, der Einkauf wartet.

69) Wortwahl: Ich, Ich, Ich (Nr. 500 ;-)

Et voilà, Mein 500. Beitrag 😉
In 3G! Gedacht, Geschrieben und Gepostet.

Dieses Ereignis kündigt sich für mich schon seit ein paar Tagen an, also überlegte ich, ob ich etwas Besonderes machen sollte. Ein Best-Off? Ein Rückblick in Sepia? Ach, nee … besser nich‘.

Stattdessen will ich zu den Wurzeln dieses Blogs zurück, denn der entstand schließlich im Kontext des >Alltags-Egoismus in unseren Breitengraden. Die anderen >Kategorien (… die mir mittlerweile auch mehr Spaß machen …) kamen erst danach hinzu.

Aber nun zum heutigen Thema:

Vor einiger Zeit kam mir die Wortkonstruktion „Gerechtichkeit“ in den Sinn.

Nein, diesmal kein Schreibfehler 😉 Bewusst so entschieden und mit „ich“ geschrieben.

Aber als ich die Datenkrake danach befragte, musste ich lernen, dass es den Begriff Gerichtichkeit schon gibt, allerdings nur sehr selten und es stand auch kein Trademarkzeichen dahinter, also bin ich mal so frech und reite heute ein wenig darauf herum.

Warum beschäftigt mich nun diese „Gerechtichkeit“?:

Tja, es geht um das kleine gesprochene „ich“, denn das kann ja zwei Intentionen haben.

  • Zum einen, dass man eher sich selber, also das eigene „ich“, als Empfänger, Profiteur oder Nutznießer des Strebens nach Gerechtichkeit im Kopf hat.
  • Zum anderen, könnten wir es ja auch so denken, dass es von uns selber, also vom „ich“ abhängt, ob es gerechter, besser und friedlicher auf der Kugel zugeht.

Das Wort Gerechtichkeit wäre noch exakt das gleiche, es kommt aber darauf an, wie man dieses kleine „ich“ denkt.

Und es gibt noch viel mehr solcher Wörter, über die man mal nachdenken kann:

  • Persönliche Freiheit
  • Bürgerliche Rechte
  • Selbstlosichkeit
  • Chancengleichheit
  • Ausgeglichenheit
  • Unabhängichkeit
  • Impfpflicht, Sicherheit
  • Rücksicht, Nachsicht, Verzicht,

Also Schönen Abend, euer Stammtich-Philosoph!

PS: Alle Schreibfehler sind voll beabsichtigt!

67) Das merkwürdige Verhalten gestörter Großstädter

Ich habe lange nichts mehr über das merkwürdige Verhalten gestörter Großstädter:Innen* geschrieben, fällt mir auf. Woran kann es liegen? Bin ich abgestumpft, habe keine Lust mehr mich daran aufzureiben? Ist schon alles gesagt? Oder sind die Aufregbarkeiten so rar geworden? Keine Sorge, es gibt sie noch.

Drei Situationen aus den letzten Monaten:

  1. Pfingstsonntag um die Mittagszeit, ich freunde mich mit dem Gedanken an, mal für einen Moment die Augen zu schließen. 12:45 Uhr beginnt ein Honk im Haus zu bohren. Mit dem großen Besteck. Weder will ich im Haus den Spießer geben, noch habe ich einen besonderen Draht „nach oben“ an diesem Tag und es fehlt mir auch nicht an eigenen Bohrstellen. Aber ich würde die Maschine nicht um 12:45 Uhr anschmeißen, schon gar nicht an einem Sonntag, schon gar gar gar nicht an einem Feiertag.
  2. Im Sommer sitzen wir auf einer Bank, schlecken unser Prenzlauer-Berg-Bio-Regio-Fair-Vegan-Eis und glotzen dabei auf eine Grünfläche mit alten Eichen direkt vor uns. Weiter links sitzen zwei Frauen, um sie herum wuselt ein kleines Mädchen. Dem Mädchen drückt die Blase, es wird ermuntert, sich doch an die Eiche vor uns zu hocken. Nicht das drumherum genügend Büsche wären. Also entledigt sich die Prinzessin ihrer Klamotten da wo nötig und strullt mir direkt vor mein hippes Kürbiskernöleis. Na lecker. Nachdem ihr Geschäft erledigt ist, wirft sie Sand auf die Fläche, streichelt den Baum und rennt auf unsere Bank zu. Mein Blick war deutlich. „Wehe!“
  3. Ich sitze mit Sohn und Schulfreund im Biergarten. Kühles Getränk, heiße Pizza, alles sehr friedlich. Die Fahrradhelme der Jungs liegen zu unseren Füßen. Auf einmal kommt ein kleiner Bengel angewackelt und interessiert sich merklich für die Helme der Jungs. Er hebt sie auf, dreht sie, setzt sie auf, probiert sie beide sabbernd durch. „Ähhm, was macht der?“ fragen mich die Jungs. „Ähhm, zu wem gehört der überhaupt?“ schaue ich fragend in den Biergarten. Irgendwann bemüht sich ein Struwwelkopf-Kopf-Papa mit Hose unterm Hintern zu uns und dann folgte das, wo ich schnell rot sehe:
    • „Oh, was hast du denn da schönes gefunden Cornelius-Balthasar?“
    • „Hast du die schon probiert, ja? Gefallen sie dir?“ Ja?
    • „Das ist ein Helm, weißt du? H-E-L-M. Ein HEEEEEEEEELM! Sag‘ mal Helm.“
    • „Wollen wir die den Jungs zurückgeben? Wollen wir? Ja?
    • „Neeeeeeeeiiin, meiiiiineee“. Plärr, tropf, lutsch, schnief … corona … schmier“
       —> „Papa, der soll meinen Helm nicht anfassen“, empfange ich über die Vater-Sohn-Leitung. Mit erhöhter Dringlichkeit.

Ich greife zum Handy und stehe auf. „Jungs, ihr müsst jetzt los zum Fußball.“

„ZAAAAAAHLEN!.“

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*) die adulten Vertreter natürlich

137) Corona-Lektionen 45

Also warum eigentlich, wird an den Menschen, die das mit Corona etwas lockerer nehmen, immer so herumnörgelt?

  • Sie feiern doch extra in Parks und auf Plätzen, um das Infektionsrisiko klein zu halten und unser aller Gesundheitssystem zu schonen.
  • Dem Kleingewerbe helfen sie auch durch die Krise, in dem sie beim Späti fleißig Bier, Schnaps und Kippen kaufen.
  • Sollten sie nachweislich erkranken, laufen sie noch schnell in all die Clubs der Stadt, um ihre Freunde zu warnen.
  • Und wenn sie im Bus keine Maske tragen, dann doch eigentlich nur, weil sie den anderen Menschen welche übriglassen wollen.
  • Sie kommen uns oft sehr nahe, um genau das zu tun, was doch immer gefordert wird. In schwierigen Zeiten dichter zusammenrücken, dem anderen die Hand reichen und füreinander da sein

Also, das ist doch alles sehr selbstlos und sozial, oder 😉

<— Corona-Lektionen 44

—> Corona-Lektionen 46

59) Neujahrsvorsätze radikal

Zwischen dem fetten und süßen Essen der letzten Tage, hat bestimmt der Ein oder Andere über ein paar Vorsätze für 2020 nachgedacht, oder? Ich vermute mal, dass sich viele Menschen ähnliche Dinge vornehmen. Neulich kam mir so die Frage in den Kopf, wie solche Vorsätze wohl klingen würden, wenn man sie ins andere Extrem umkehrt, sie radikalisiert und mit Wut garniert.

Vermutlich stehen Sport und Bewegung wieder recht weit oben auf dem Zettel:
„Ich nehme mir vor, meine neuen Laufklamotten und Schuhe, direkt in die DRK-Kleidertonne zu werfen und fortan keinen Sport mehr zu machen. Horizontal bewege ich mich nur noch mit einem E-Scooter, vertikal nutze ich ausschließlich Fahrstühle und Rolltreppen. Sport ist Mord!“

Aber auch die Ernährung ist mit Sicherheit unter den Vorsätzen vertreten:
„In 2020 will ich deutlich mehr Fleisch essen. Vorzugsweise pupsendes Rind aus Argentinien. Dieses ganze Gemüse ist eher was für den Bio-Diesel und das angebumste Obst aus’m Bio-Laden ist zu mickerig, viel zu teuer und nur etwas für die Neo-Hippies aus dem Prenzlauer Berg. Fleisch ist das neue Gemüse!“

Bestimmt stehen auch Umwelt und Klima auf der Liste:
„Im neuen Jahr werde ich meinen liebgewonnenen Diesel jeden Tag ausfahren. Alles über 300 km Strecke werde ich mit dem Flugzeug fliegen. Dieses ganze Klima-Gerede der kleinen Schwedin geht mir am Auspuff vorbei. Unsere Kinder sollten Freitags wieder in die Schule gehen und was fürs Leben lernen. So wie wir damals. Oberprima statt Kinder-Klima!“

Achtsamkeit und Mitmenschlichkeit sind bestimmt auch dabei:
„Ab nächstem Jahr werde ich verstärkt auf mich achten. Die Spenden an die Hilfsorganisation stelle ich ein, der Typ an der Tür zur Spasskasse kriegt keinen Cent mehr. Der soll besser mal besser arbeiten gehen, statt mir nur seinen Papp-Becher für mein hart verdientes Kleingeld hinzuhalten. Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht!“

Und der Umgang mit Social Media fehlt bestimmt auch nicht:
„Für’s neue Jahr nehme ich mir vor, mehr im Netz aktiv zu sein und da auch meine Meinung laut kundzutun. Ich werde klicken, liken und posten bis der Akku qualmt. Den Fernseher verkaufe ich, Bücher entsorge ich und dann tobe ich mich anonym im Internet aus, beschimpfe die anderen Idioten da draußen, „bashe“ und „hate“ wie es mir beliebt. Wird man ja wohl mal sagen dürfen!“

Na, wie liest sich das?

39) Wie aus Luft

Gestern fühlte ich mich zeitweise, als wäre ich „Sam“ aus dem 90-er Jahre Film „Ghost“. Der jüngeren Generation wird das vielleicht nichts sagen, also ziehe ich einen weiteren Vergleich. Ich fühlte mich wie Harry Potter. Mit Unsichtbarkeitsumhang.

München, Odeonsplatz. Chaos bei der U3 und U6. Der Bahnsteig ist überfüllt, die eintreffende Bahn ebenso. Ich beschließe, auf die nächste Bahn zu warten, bringe mich und meinen Rollkoffer aber schon mal in eine bessere Position. Ich stelle mich genau dahin, wo vermutlich die Türen der nächsten Bahn sein werden, halte aber noch etwas Abstand zur Bahnsteigkante. Kaum spüre ich den Luftzug der nächsten Bahn, erscheinen plötzlich weitere Menschen und stellen sich auf die kleine Fläche vor mir. Ähm, Hallo? Ich stehe hier doch nicht zum Vergnügen! Ich muss ins Büro.

München, U6. Trotz Koffer-Handicap schaffe ich es noch in die Bahn. Festhalten brauche ich mich nicht, umfallen kann ich eh nicht. Bei einer der nächsten Stationen, wird ein Mädel gegenüber unruhig. Sie will bestimmt aussteigen und hat Angst, dass sie es nicht rechtzeitig bis zur Tür schafft, weil ich ihr den Weg versperre. Ich signalisiere ihr nickend, dass ich verstanden habe und wühle mich in Richtung Tür, um ihr Platz zu machen. Die Türen öffnen sich. Ein breiter Kerl versperrt aber den Ausgang und bewegt sich keinen Zentimeter. Nicht nur weil er über Kopfhörer Musik hört, sondern weil man ihm anscheinend das Rücksichtnahme-Gen entfernt hat. Ähm, Entschuldigung, dürfte ich mal?

München, Flughafen. Airbus 319, Platz 26E. Ich bin auf meinem Platz in der Mitte der Reihe angekommen. Eine Frau kommt dazu, setzt sich selbstsicher auf den Gangplatz neben mir. Kurz danach erscheint ein Typ, scheucht sie wieder hoch, denn er habe wohl den Platz gebucht. Ich stehe schon mal auf, um in den Gang zu treten, damit sie dann zum Fensterplatz durchrutschen kann. Sie erhebt sich auch, bleibt aber in der Fußreihe stehen und schaut mich an.  Ähm, wie soll das jetzt laufen? Soll ich durch sie durchgehen oder will die vielleicht über mich drüber krabbeln?

Berlin, Flughafen. Flugfeld Terminal C. Wir verlassen das Flugzeug und laufen zu den Bussen. Es ist wieder sehr voll. Angekommen am Terminal, öffnet der Bus die vorderen Türen. Aus dem hinteren Bereich müssen wir also alle hintereinander durch den Bus laufen, um vorn auszusteigen. Der Menge stur folgend, schupst, schiebt und drängelt es permanent hinter mir. In meinem Nacken spüren ich fremden Atem. Als hätte ich jemanden im Huckepack. Ich schaue über die Schulter und wen sehe ich hinter mir? Die Lady vom Fensterplatz. Jetzt reicht es mir aber. „Rücken Sie mir nicht so auf die Pelle, man!“  

Berlin, Bernauer Straße. Ich sitze im Taxi und denke über die Ereignisse nach. War ich wirklich in München? Oder habe ich mir das nur eingebildet? War nur mein Geist in München und mein Körper war den ganzen Tag über noch in Berlin? Oder ist das mittlerweile vielleicht sogar anders? Kommt der Geist neuerdings eher an und der Körper folgt dann später? Ich durchsuche meine Jacken-Taschen nach Beweisen. Ich finde einen Kassen-Bon vom Münchener Flughafen. Ein Helles und eine Brezel. Datiert vom 30. Januar. Es muss so gewesen sein. Ich war in München, auch wenn ich permanent ignoriert wurde. Als wäre ich aus Luft. Als existiere ich gar nicht.

Ist das ein Münchener Phänomen oder liegt es daran, dass immer mehr Menschen ernsthaft glauben, der Planet wäre exklusiv für sie geschaffen worden?

Frühere Beiträge zum Thema:

38) Nervensäge in der Luft

Es ist Sonntag 06:45 Uhr, ich besteige meinen Flieger und freue mich auf eine Stunde Ruhe. Der Wecker hat heute schon 04:15 Uhr geklingelt, das ist echt zu früh fürs Wochenende, also vielleicht kann ich über den Wolken noch etwas schlafen. Nach dem ich es mir auf meinem Platz halbwegs gemütlich gemacht habe, betritt eine Großfamilie den Flieger. Auf einmal herrscht viel Getöse, ich verstehe kein Wort von dem, obwohl der Vater so laut ruft, als befehlige er eine ganze Kompanie. Die Meute läuft hintereinander den Gang entlang und sucht die Sitzplätze. Umso weiter sie das Flugzeug erobern, umso lauter quäkt es aus einem schlechten Lautsprecher. Irgendwelche Kinder-und Monsterstimmen schreien sich an, scheinen sich zu jagen. Ich kann das noch gar nicht zuordnen.

Der Vater hält abrupt an der Reihe vor mir und stoppt den Zug. Och nöö, bitte nicht. Hinter mir ist doch auch noch viel Platz. Hinter dem breiten Vater wird der Rest der Sippe sichtbar. Alle genauso übergewichtig, ganz wie ihre bunten Koffer, die sie als „Handgepäck“ hinter sich herziehen. Ein dicker Sohn um die 14 Jahre, eine dicke Tochter so um die 10 und dann noch ein kleiner Sohn, 5 Jahre alt würde ich mal sagen. Nicht dick. Noch nicht. Er hält Handy an sein Ohr, aus dem diese Stimmen schreien. Hat der Bengel denn keine Kopfhörer?

Sie verteilen ihre Roll-Schränke in den oberen Fächern, der größte von ihnen guckt noch 10 Zentimeter aus dem Fach heraus. Als eine Flugbegleiterin den Vater darauf hinweist, dass die Klappe so niemals zugeht, tut der so als kapiere er das nicht. Das Handy des kleinen Sohns schreit pausenlos, ringsherum schütteln Passagiere schon mit dem Kopf. Aber keiner schreitet ein. Ich auch nicht. Gilt man dann gleich als Kinder-Hasser, wenn man da mal etwas sagt? Wird der Fratz dann noch lauter und dreht erst recht durch, wenn er nichts mehr aus dem Sprechkasten hören darf? Als der Flieger auf den Runway einbiegt, schalten sie das Gerät zum Glück ab. Es wird plötzlich ruhig vor mir in der Reihe. Vielleicht ist er jetzt ja müde und schläft noch mal ein? Ich vielleicht auch?

Aber kaum ist der Flieger in der Luft und es gongt, will der kleine auf die andere Seite des Ganges zu seiner Mutter wechseln. Neben ihr ist noch ein Platz frei, den der Racker lautstark erklimmt. Das Flugzeug ist noch in Schräglage, die Anschnallzeichen leuchten, aber die Nervensäge hält Sitz und Rückenlehne für eine Hüpfburg mit Rutsche. Die Eltern unternehmen nichts. Als der Tyrann auf diese Weise keine Aufmerksamkeit erlangen kann, nimmt er sich seinen Vordersitz vor. Klapp-Tisch runter, Klapp-Tisch rauf, Klapp-Tisch runter, Klapp-Tisch rauf, Trommel-Wirbel mit den Schuhen gegen die Lehne vor ihm. Sein Vordermann bekommt kein Auge zu, würde er aber gern, so wie er aussieht. Nach 15 Minuten kommt endlich der Getränkewagen, das lenkt das nervende Balg etwas ab. Der Steward fragt die Familie nach ihren Getränke-Wünschen ab. Zwei Cola, zwei Fanta und eine Sprite für den kleinsten. An einem Sonntagmorgen um 07:15 Uhr. Na Großartig, dann kriegt der jetzt noch einmal einen Energie-Schub.

Nachtrag, Mittwoch, 16. Januar, Dubai:

Mein Kollege und ich gehen zum Frühstück. Wir suchen uns einen ruhigen Platz am Fenster. Kaum sitzen wir, schreit und quietscht es schon wieder aus einem Lautsprecher. Ich zucke zusammen. Ist die Familie aus dem Flieger etwa auch hier abgestiegen? Aber nein. Am Nachbartisch sitzen 3 Erwachsene und ein Kind. Alle vier Frühstücken. Einer von ihnen spielt dabei lautstark auf dem Handy. Wer?

14) Tiefgarage

Mit der neuen Wohnung, sollte sich endlich die Möglichkeit ergeben, einen festen Parkplatz zu erhalten. Großartig. Nieder wieder Kreise im Kiez drehen auf der Suche nach weißen Rückfahrleuchten, die sich langsam auf die Straße schieben. Auf dem Bauplan für die Tiefgarage waren die Parkplätze im Wesentlichen so angeordnet, dass immer drei Parkplätze nebeneinander folgten und dann eine Säule. Mit viel Respekt vor den Säulen und der Angst vor Beulen im eigenen Blech, wählten wir den Mittelplatz von den drei Plätzen. Mir schien das sehr durchdacht. Also entschieden wir uns für diesen Platz und machten ihn zum Teil des Kaufvertrags. Leider war das ein Fehler, wie sich aber erst im Alltag herausstellte. Benennen wir hier unseren mittleren Platz zum besseren Verständnis als „Nummer zwei“. Den Platz rechts von uns nennen wir einfach „Nummer drei“. Diese „Nummer drei“ gehört einem Niederländer. Leider haben Niederländer, zumindest dieser eine, höllische Angst vor Beton-Säulen. Also hält er ordentlich Abstand von seiner rechten Säule und drückt dabei deutlich in Richtung Platz „Nummer zwei“. Also unserem. Den Platz links von uns nennen wir hier mal „Nummer eins“. Auf Platz „Nummer eins“ steht üblicherweise ein Passat Kombi. Dessen Eigentümer kann durchaus gut parken und kommt auch mit der Säule zu seiner linken ausreichend klar. Normalerweise würde der Besitzer vorwärts einparken damit er den Platz hinter der Säule als Schwenkbereich für seine Fahrertür nutzen kann. Blöderweise steht hinter der Säule immer ein Moped. Und das gehört dem Eigentümer des Platzes zu seiner Linken. Nennen wir ihn hier „Platz null“. Daraus lässt sich nun eine sehr einfache Gleichung für meinen täglichen Ärger aufstellen. Wenn das Moped von „Platz Null“ hinter der Säule steht, kommt der Besitzer von „Platz eins“ schlecht aus seinem Auto. Also parkt er rückwärts ein. Da er wegen seiner Kinder auch nicht mit der Beifahrerseite allzu dicht an den Pfosten will, rutscht er etwas in Richtung „Platz zwei“. Dass der A4 Kombi aus Holland grundsätzlich zu weit in Richtung „Platz zwei“ rückt, habe ich oben schon ausgeführt. Aus der Situation rechts und links von unserem Platz ergibt sich konsequenterweise, dass ich es mit meinem Auto durchaus noch auf meinem Platz passe, leider müsste ich aber im Auto übernachten oder komme am frühen Morgen kaum noch in mein Auto hinein. Dieses offensichtliche Missverhältnis muss auch den Fahrern von „Platz eins“ und „Platz drei“ bewusst sein. Das geht gar nicht anders. Das ist offensichtlich. Vermutlich denkt Besitzer von „Platz drei“, dass Besitzer von „Platz eins“ etwas für mich tun könnte. Der Besitzer von „Platz eins“ schiebt die Verantwortung dem Holländer auf „Platz drei“ in die Holz-Schuhe. Vielleicht denken auch alle an das blöde Moped von „Platz null“. Der ist ein großer Mitverursacher dieses Konflikts. An mich aber denkt keiner.

Frühere Beiträge zum Thema Wohnen:

13) Hausordnung

Weitere wunderbare Aufregbarkeiten ergeben sich aus Hausordnungen. Der Begriff klingt wie eine Legende aus dem letzten Jahrtausend. Vermutlich wurden Hausordnungen in Deutschland oder Österreich erfunden, die einzigen beiden Länder auf der Welt, deren Einwohner solche Regelwerke in den Eingangsbereich der Wohnhäuser nageln. Ich finde diese Werke eigentlich gar nicht so dumm, insbesondere dann, wenn sie mit Augenmaß formuliert sind. Kurz nach dem Einzug in unsere neue Wohnung, hatte ich auf einer Eigentümerversammlung die einzigartige Gelegenheit, an der Schaffung einer solchen Hausordnung mitzuwirken. Ein Wahnsinnsgefühl. So als würde man die Verfassung eines frisch gegründeten Staates erschaffen. Die Haus-Verwaltung moderierte diesen Prozess und erklärte zunächst Sinn und Zweck einer solchen Werkes und was im Normal-Fall darin geregelt wird. Ein durchaus nachvollziehbares Anliegen der Hausverwaltung, war der Verbot von sämtlichen Brandlasten in den Fluren und in der Garage. Gemeint waren Schuhe oder kleine Regale vor den Wohnungstüren und Chemikalien oder Reifen in der Garage. Ich fand das in Ordnung, man kann die Dinge sicherlich woanders unterbringen. Ein weiterer Paragraph zum Verschluss von Kellertüren und Garagenzugängen hätte für meinen Geschmack nicht sein müssen. Jeder ist eigentlich alt genug zu wissen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, wenn man nicht vor geknackter Keller-Tür stehen will und in die leeren italienischen Wein-Kartons blicken möchte. Anschließend fragte die Hausverwaltung, was der Eigentümergemeinschaft denn sonst noch wichtig wäre. Ich hatte noch ein sehr unbeliebtes Thema auf der Zunge, hielt es aber noch etwas zurück. Vielleicht gab es ja noch wichtigere Dinge der anderen Teilnehmer. Die erste Wortmeldung folgte: „Das Grillen im Hof sollte doch bitte erlaubt sein, natürlich nur in Maßen“. Na prima, das sind also die Themen, die unsere Nachbarn bewegen. Per Mehrheitsbeschluss wurde die Regelung in die Hausordnung Ordnung formuliert. Egal, auch das wird nicht jeden Tag sein. Nun war es Zeit mein Thema anzubringen. Mir war es durchaus wichtig, aber auch klar, dass ich damit nicht zum Held des Abends werde. Unweit neben mir saß eine junge Mutter, sie schien auch ein Anliegen zu haben aber sie brachte es nicht raus. Also nutzte ich die Gelegenheit. Ich fragte, wie ist denn um Ruhezeiten stünde. Sofort ging ein Raunen durch die Menge. Wir seien „ja nicht im Kindergarten“. Die junge Frau unweit von mir nickte aber eifrig und deutete ihre Unterstützung für meinen Vorschlag an. Na prima, das ist ja ein toller Einstand hier. Nach einigem Gerangel, ließen wir uns auf eine Mittagsruhe am Wochenende herunterhandeln. Bedingung war aber, dass die mit dem Einzug verbundenen Bauarbeiten in den Wohnungen noch nicht dieser Hausordnung unterliegen. Also konnten die Bosch-Bohrhammer noch viele weitere Löcher bohren. Das war für mich in Ordnung, denn auch ich hatte noch genügend Bohraufträge meiner Ehefrau vorliegen. Und wie ist es nun circa fünf Jahre nach Einzug? Bitte raten! In den Fluren stehen Schuhe, manchmal kleine Holzregale oder Skate Boards. In der Garage stehen Winterreifen, Öl-Flaschen und Schlitten. Die Tür zum Keller ist meistens unverschlossen, die Garagen-Tür eigentlich immer. Wenn es um die „hart erkämpfte“ Ruhezeit geht, drehen die Bosch-Bohrhammer ihre Runden.  Vorzugsweise nach dem IKEA Einkauf am Stamstag ab 13:00 Uhr oder kurz vor dem Tatort am Sonntagabend.