Die 30. Postkarte meiner Serie kommt aus Bukarest. Die Tage waren gut bepackt mit Arbeit, aber es gab auch wieder Skurriles und Nachdenkliches zu entdecken.
Bei Ankunft im Dunklen war aus dem Hotel-Fenster nicht viel zu sehen. Im Morgengrauen dann erschien immerhin eine Silhouette der Umgebung. Bei Tageslicht verwandelt sich die dunkle Masse in die „Kathedrale der Erlösung des rumänischen Volkes“ und dahinter zeigt sich der „Parlaments-Palast.
Letzterer wurde in den 80-er Jahre aus der Erde gestampft, gehört flächenmäßig mit zu den größten Gebäuden der Welt. Diktator Ceausescu erlebte nicht mal den Ablauf der Gewährleistungsfrist für diesen Protzbau, denn sein Volk schickt ihn Ende ´89 in die Hölle. Trotzdem ist das schon ein beeindruckendes Bauwerk. Der Bau reicht fast genauso tief in die Erde, wie er oben herausschaut. Mehr kann man bei Wikipedia nachlesen.
Rund um die Inner-City stehen viele Plattenbauten. Sie scheinen alle zur gleichen Zeit gebaut worden zu sein. Ein Haus sieht aus wie das andere und alle Gebäude bräuchten dringend Spachtel und Farbe. Im Stadtteil Lapinska gab es aber auch ein paar prächtige Altbauten zu entdecken.
Mein Erlebnis der Woche? Ein Auto vor uns kracht mit dem Vorderrad in einen Gulli. Der Gulli-Deckel ist nirgends zu sehen. Vier Männer steigen aus dem Auto, machen ein paar Photos und Selfies. Dann heben sie das Auto aus dem Loch und steigen wieder ein. Ein Mitfahrer ist noch so hell, geht über die Straße zu einer Baustelle, schleppt eine Bake heran und stellt sie vor das Loch. Sehr verantwortungsvoll.
Irgendwer hat mir erzählt, dass Obdachlose und Straßen-Kinder die Gullis öffnen, um darin die kalten Nächte zu überstehen. Irgend etwas wird schon dran sein.
Irgendwie bedrückend…
Siehst du, da funktioniert zumindest etwas, das in Deutschland fast nicht möglich wäre. In welchem Auto sitzen denn hier tatsächlich 4 Personen? Und das mit der Bake ist ja schon richtig fürsorglich.
Sind wir also zu wohlstandsverwöhnt? Ich schätze, ja.
das hast du wohl recht. Und bei uns fährt Einer …. und zwar SUV…. den kann auch keiner mehr anheben. Allerdings gibts bei uns auch keine offenen Gullis in denen Kinder schlafen
Das stimmt. Zumindest nicht in Gullis. Ich habe heute erst in unserer Tageszeitung gelesen, dass die Diakonie hier bei uns vier Schlafplätze mit sozialpädagogischer Betreuung für Obdachlose Jugendliche eingerichtet hat. Und das in einer Gegend, wo ich bisher nicht unbedingt gedacht hätte, das sei ein Problem. Wir sind ja hier kein sozialer Brennpunkt…
Bei mir im Wedding wird so’n Loch gern mit ner Mercedes Felge abgedeckt. Auch gar nicht so selten. Trotzdem fand ich deine Postkarte irgendwie bedrückend