305) Corona-Lektionen 117

Eigentlich wollte ich ja die Auftritte des Corona-Virus hier etwas sanktionieren, aber es gab in den letzten Tagen zwei Entwicklungen, die mich sehr beschäftigen und bei denen ich bei bestem Willen und Nachdenken kein Verständnis finden kann.

Fallender Mund-Nasen-Schmuck

Es war wirklich nicht als Aprilscherz gedacht. Die Masken dürfen fallen. Im Supermarkt, in der Kneipe, im Fußball Stadion. Da können sogar zehntausende Fans wieder dicht an dicht stehen und ihre Vereine anfeuern. Ein befremdliches Bild. Auch im Klassenraum dürfen die Kinder im Prinzip wieder „oben ohne“ lernen. Lehrer appellieren an die Vernunft und bitten darum, noch ein paar Tage durchzuhalten, denn schließlich sind bald Ferien. Und da appelliere und applaudiere ich gleich mit, denn Ende Mai will ich vereisen und da habe ich echt keine Lust, dass wir uns kurz vorher noch das Virus einfangen, gegen das wir uns nun zwei Jahre lang erfolgreich gewehrt haben.

Mit Herz, Hirn und Hygiene

Mitte März erhielten wir Post von der Zahnärztin der Kinder. „Bis zur letzten Minute hatte ich gehofft, dass dieser Brief nicht geschrieben werden muss“ … so beginnt ihr Schreiben und informiert anschließend, dass sie den gemäß §20 Infektionsschutzgesetz nötigen Immunitätsnachweis nicht erbringen kann und deshalb ihre Zahnarztpraxis schließt.

„In den letzten zwei Jahren waren wir mit Herz, Hirn und Hygiene uneingeschränkt für Sie da ….“ setzt sie dann fort. Ursprünglich hatte ich an dieser Stelle weitere Zitate vorgesehen, aber ich kürze das ab. Ich möchte mich nicht daran abarbeiten, es macht müde.

Sie macht ihren Laden nun also dicht, es ist ihre Entscheidung. Ja, es ist ihr gutes Recht, diesen Weg zu wählen, aber m.E. auch genauso verantwortungslos. Ihre Mitarbeiter können nicht mehr arbeiten und Patienten müssen sich anderweitig umsehen. Noch mehr ärgert mich eigentlich, dass die Ärztin seit der Verfügbarkeit von Impfstoffen, also seit über einem Jahr, anderen Menschen körpernah im Gesicht rumgefummelt hat. Meinen Kindern übrigens auch.

Ist das reiner Zufall, dass ihre Formulierung „Mit Herz, Hirn und Hygiene“ abgekürzt ein „3H“ ergibt oder will sie uns damit erklären, dass sie bereits weiter denkt, als wir, die seit Monaten treudoof dem „herkömmlichen“ 3G-Modell hinterhertrotteln? Wenn es beabsichtigt war, dann war sie immerhin bei der Wortfindung sehr kreativ oder sie hat das aus irgendeiner Community übernommen, was ich noch mehr bedenklich finde.

Ich werde nun immer mit 100 km/h an Berliner Schulen vorbei rasen, denn ich fahre seit knapp 30 Jahren unfallfrei und halte mich für einen versierten, vernünftigen und vorsichtigen Fahrer. Also bin schon bei 3V.

Schönen Sonntag

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251) Corona-Lektionen 104

Meine Güte, da habe ich mal sechs Tage die Corona-Tasten ruhen lassen und schon überschlagen sich die Ereignisse. Kaum ist 2G in Berlin eingeführt, gehts nun in Richtung ((2G+(MASK)OR(TEST)OR(DISTANCE) x 10 Sprachen / 4 Millionen Einwohner), die das hier noch kapieren und vor allen Dingen mitmachen müssen.

Nicht falsch verstehen, ich will die Maßnahmen nicht durch den Kakao ziehen, aber es fällt mir als aufmerksamer Pandemie-„Follower“ mittlerweile schon schwer, nahe am aktuellen Regelungsgeschehen zu bleiben.

Ein paar Gedanken der letzten Tage:

Machtvakuum
Die eine Regierung winkt bereits zum Abschied in die Kameras, die andere ist noch nicht mal richtig im Amt und dieses Virus macht es sich genau in dieser Nische bei 7°C Außentemperatur gemütlich. Kuschel, Kuschel. Gekommen um zu Bleiben, zumindest für die nächsten fünf Monate, fordert es einen ständigen Klappsitz im Bundestag. Es überlegt aber noch, bei welcher Fraktion es lieber sitzen mag.

Hektik
Es kommt Dynamik ins Impfgeschehen, keiner weiß so genau ob‘s die Booster-Interessenten sind oder die Impf-Debütanten. Impfzentren wurden im Sommer mangels Arbeit geschlossen, nun werden Hausärzte überrannt. Schlau. Shopping-Center veranstalten Impf-Events und Impf-Busse versuchen den Stoff in die „Quartiere“ zu bringen. Ich habe es schon mal in einer früheren Corona-Lektion vorgeschlagen: Überlasst das vielleicht einfach den Lieferdiensten 😉

Frust
Es ist alles nur schwer zu ertragen. Natürlich versucht man immer Konsens herzustellen hier zu Lande, deshalb dauert alles viel länger, als anderswo. Ist ja irgendwie auch gut. Aber ich kann das Kollegen im Ausland kaum noch erklären. Deutschland war maßgeblich an der Entwicklung von Impfstoff beteiligt, hatte dann aber keinen abbekommen. Dann war der Stoff endlich da und man konnte sich um einen Termin „bemühen“. Irgendwann wollte das Zeug aber keiner mehr haben, da legte man es auf Halde oder verklappte es vor dem Verfallsdatum im Klo oder Ausland. Nun haben wir genug davon vorrätig, die Leute (egal warum) wollen & sollen es kriegen, aber nun mangelt es an Personal. Und an Tests mangelt es auch.

Nahezu gleichzeitig feiert man Karneval oder lädt zu Bundesliga-Spielen vor ausverkauftem Haus ein. Kapiere ich alles nich‘.

Mann des Tages
Das war für mich heute der Herr Wieler vom RKI, mit einer ganz einfachen Mathe-Rechnung. Liebe Kinder bitte aufpassen: Bei 52.000 Infektionen und einer aktuellen Case Fatality Rate (klingt besser als „Sterben“) von 0,8% sind das ca. 400 Tote. Pro Tag. Überschlage ich das mal bis Weihnachten sind das circa 12.000 Menschen. Mindestens. Schöne Weihnachten! Das hat er nicht gesagt, aber ich fand sein Statement an die Ministerpräsidenten sehr gut und deutlich:

Auszug:

„Aber die alle, da sterben 400 von in den nächsten Wochen, da kann keiner mehr was ändern, mit bester medizinischer Versorgung nicht.“ (…) „Also bitte haben Sie das immer im Kopf, da können wir nichts mehr dran ändern. Wir können nur noch nach vorne gucken … (…)

Ich hoffe, dass unsere geschäftsmüdende Regierung zugehört hat … und alle Impfgegner auch.

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152) Corona-Lektionen 55

Einleitung … Einleitung …? Nee, heute nich‘. Eher Verleitung … Fehlleitung … Irrleitung … und so. Schluss mit Wortspielen, wir steigen gleich ein.

Meinungsfreiheit
Für das Geschehen letzten Mittwoch, im Berliner Regierungsviertel und im Bundestag, fehlen mir immer noch die Worte. Da krakeelten Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen zusammen mit Spinnern und Rechtsextremen und ließen sich dabei durch mitgebrachte Kinder vom Einsatz der polizeilichen Wasserwerfer schützen. Wie feige ist das denn! Und wer waren die überhaupt? Waren das wirklich die Leittragenden, deren Geschäft oder Existenz bedroht ist? Waren das die Kleinkünstler, Freiberufler, Kneipiers oder Kino-Betreiber, denen es aktuell wirklich nicht gut geht? Ich habe da so meine Zweifel. Vor die Kamera schafften es eigentlich nur zwei Gruppen von Teilnehmern. Die ach so „normal“ wirkenden Mitbürger, die aber nur dummes Zeug labern, dass man am liebsten abschalten würde. Und die gefährlichen Scharfmacher, die sich „geschickt“ am Vokabular dunkelster deutscher Vergangenheit bedienen und auch geschichtliche Ereignisse völlig verdrehen und für sich instrumentalisieren. Das ist so widerlich und einfach zu durchschauen. Wenn man nur hinhört. Also hört in! Auch wenn es schwerfällt.

Nachstehend ein Foto von einem Flugblatt, dass ich im Kiez gefunden habe. Ich habe eine Weile überlegt, ob ich diesem Blödsinn hier eine Bühne geben sollte oder besser nicht. Ich habe mich dafür entschieden, nicht weil ich das irgendwie gutheiße, sondern eher um vorzuführen, wie billig da Stimmung gemacht wird. Bloß gut, dass der Wisch gleich neben dem orangen Mülleimer hängt. Denn da gehört er hin.

Apropos Bühne
Ich hatte Gelegenheit, die jüngsten Auftritte von Grebe, Sträter, Böhmermann und Co. zu sehen. Schön, dass die wieder auf der Bühne sind, auch wenn ich das nur aus der Video-Tube genießen konnte. Aber bei all dem Geblöke da draußen, tun deren scharfsinnige Formulierungen und ihr intelligenter Humor echt gut. Da macht es durchaus Freude zuzuhören!

Einen schönen Sonntag!
T.

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