124) Kaffee-Dialoge

Wir tuckern mit reduzierter Geschwindigkeit über die Autobahn. Irgendwo zwischen Brandenburg und Meck-Pomm werden meine Augenlider schwer, ich brauche einen Kaffee. Also fahren wir rechts raus, stellen die Karre ab und machen uns auf die Suche nach einer Kaffee-Bar. Beim Betreten des Gastro-Tempels, macht sich Ernüchterung breit. Keine Kaffee-Bar, keine dampfenden Maschinen, kein Italo-Flair, kein Klappern von Espresso-Tassen. Nur ein Tresen, eine Dame hinter Corona-Plastik und ein paar Automaten der Marke Prallmeier in ihrem Rücken. Mhm, nicht so prall, aber ich brauche jetzt ein koffeinhaltiges Heißgetränk. Hilft nichts.

Ich steige in einen Kaffee-Dialog ein

„Hallo, was darf‘s sein?“
„Guten Tag, einen kleinen Kaffee zum Mitnehmen bitte.“
„Wie hätten‘sen den gern. Als Crema oder Filter.“
„Oh bitte Crema“, sage ich, als sich vor meinem inneren Horror-Auge eine Glas-Kanne mit abgestandenem Filter-Kaffee aufbaut.
„So bitte, macht soundso viel und einen schönen Sonntag noch.“
„Danke, ihnen auch. Ähm. Zucker und Milch … stehen …?“
„Dort“, sagt sie und zeigt auf die Seite.
„Alles klar, danke“

Ich optimiere meinen Kaffee mit Milch und Zucker.

Ein weiterer Kaffee-Dialog beginnt

„Hallo, was darf‘s sein?“
„Ick muss ers‘mal gucken …“, stammelt sie.
„Schauen Sie nur“
„Is‘ ja nur Prallmeier hier, wa? Jib‘s och janz normalen Kaffee?“
„Was meinen Sie mit normalem Kaffee, wir haben verschiedene ….“
„Ja aber nur von Prallmeier, richtich?“
„Ja, wir haben alles von Prallmeier“, sagt die Dame hinterm Plastik.“
„Ick such‘ ja eher wat janz normalet. So‘n Filta oder so wat.“
„Filter-Kaffee? Ja den kann ich ihnen auch machen.“
„Jut, dann zwei Filta … oder Heinz?“ Heinz …?
„Na wo is‘n der jetz’e hin? Da red‘ ick‘ mit dem und der is‘ ja nich‘ mehr da. So wat aba och. Da kann ick ja lange reden man.“
„Haaaaiiiiinz, wo bist du? Haaaaaaaiiiiiiiiiiiiiiinz!

Ich greife mir meinen Kaffee. Abmarsch, wir müssen weiter.

58) Zeitung

Ich mag den Geruch von Zeitung. Warum eigentlich? Ist es die Druckerschwärze? Sind es die Erinnerungen an die Zeit, in der ich für ein paar Mark das Berliner Abendblatt in hunderten Briefkästen verteilte? Egal. Soll ja auch nur eine Einleitung sein.

Am Wochenende gönne ich mir gern so ein Old School Raschel-Werk, oft komme ich aber erst am Sonntag dazu, einen Blick hineinzuwerfen, auch wenn die Nachrichten damit den Stand von Freitagnachmittag haben. Hübsch gefaltet liegt der Papierstapel nun vor mir. Jeder mag so seine eigene Lesestrategie haben. Manche blättern von vorn nach hinten, manche von hinten nach vorn, andere suchen erst einmal die Bianca in der Mitte und entscheiden dann, wie es weiter geht.

Ich demontiere meine Zeitung …

  • Als erstes entnehme ich den Immobilien-Teil. Den kriegen die Kinder sofort als Mal-Unterlage. Mir bringt der nichts, weil wir glücklicherweise ein Dach über dem Kopf haben, weil mich nicht interessiert ob in Spandau 50 Town-Houses hochgezogen werden, weil ich den grinsenden Immo-Makler mit Fiffi auf Arm und Kopf schon Millionen Male gesehen habe.
  • Die große Theater-und Bühnen-Beilage für die nächsten sechs Monate kriegen die Kids gleich noch mit dazu. Das Bunt-Papier von Teppichland, Küchenstudio und Polsterwelt fliegt sofort in die Altpapier-Kiste. Schade um‘s Papier und die Farbe. Wieviele dieser Beilagen werden nicht einmal „aufgefaltet“, sondern landen direkt wieder in der blauen Tonne? Muss das für den Designer nicht super-frustrierend sein?
  • Der Berlin-Teil scheint mir da ganz interessant, jedoch ist auch die Hälfte des Abschnitts mit dem Fernsehprogramm bedruckt, zusätzlich eingerahmt von gigantischen „#wirbleibenzuhause“ oder „#berlinengegencorona“-Initiativen der Bundes-und Landesregierung. Reflexartig forme ich mit den Armen ein Spitzdach über meinem Kopf. Mit dem Feuilleton konnte ich noch nie etwas anfangen. Vielleicht noch eine Mal-Unterlage für die Kids?
  • Der Service-Teil ist heute nicht so der Knaller. Reisen in Corona-Zeiten, Fremdsprachen in Corona-Zeiten, Homeoffice-Ausstattung in Corona-Zeiten, Autofahren in Corona-Zeiten, …. ich kann es nicht mehr hören. Dann noch eine Anzeige des Job-Centers. Die sind für mich da. Und gemeinsam schaffen wir das! Aber deren „Liegenschaften“ sind geschlossen, ich solle den eService nutzen. Verstanden. Zu guter Letzt der Börsenteil (Aktien sind doof) und  das Kreuzworträtsel (sollte ich jemals dafür Zeit haben). Nein, Danke. Mal-Unterlage!
  • Und weiter gehts mit Europa-Wetter (brauche ich nicht, is‘ ja von Freitag und Reisen darf ich eh nicht), Traueranzeigen (da kenne ich zum Glück keinen), Fußball in Corona-Zeiten (der Ball ruht … was sonst). Auch Mal-Unterlage. Drei Viertel der Zeitung habe ich nun bereits zur Mal-Unterlage erklärt. Können die Kinder überhaupt jemals so viel malen?

Aber es gibt Hoffnung: Kolumnen, Essays, Leserbriefe und das Magazin liegen noch vor mir. Das Beste zum Schluss. Eigenartig oder? Wie so‘n Blog. Riecht nur besser 😉