46) Späti

Sorry liebe Leser, ich muss mal wieder schimpfen. Ich versuche, es auch kurz zu machen. Seit ein paar Wochen fällt mir auf, dass unsere beliebten Berliner Spätverkaufsstellen (Späti’s) nun am Sonntag wieder geschlossen sind.

  • Ja, ich weiß, dass das Ladenschluss-Gesetz auch in Berlin gilt.
  • Und ja, die Späti’s haben sich vermehrt wie die Guppies.
  • Und verdammt noch mal ja, die verkaufen mittlerweile weit mehr als Reisebedarf.

Na und?

Wen es stört, der muss ja nicht hingehen! Aber lasst doch dieser Stadt dieses „Kultur-Gut“. Warum versuchen irgendwelche lokalen Wichtigtuer, die Stadt wieder in die Wilmersdorfer Piefigkeit der frühen Achtziger Jahre zurückzukatapultieren?

Etwas sachlicher stellte man diese Frage kürzlich einem Befürworter des Ladenschlussgesetz im Radio-Interview. Und der sagte sinngemäß so etwas wie „ na weil es ein Gesetz ist, muss es eben auch eingehalten werden …“.

Also mit der gleichen Gründlichkeit, mit der auch alle anderen Gesetzesverstöße hier geahndet werden? Ich lach‘ mich schlapp. Haben Ordnungsamt, Polizei und Gewerbeaufsicht nichts Wichtigeres zu tun hier? So etwas Albernes. Wir hätten auch Drogenhandel, Menschenhandel, Kinderporno-Handel und viele andere Formen von üblem Handel hier im Portfolio, die etwas mehr Aufmerksamkeit bräuchten. Stattdessen geht man nun dem Sonntäglichen „Bier,-Kippen,-Butter,-Waschmittel,-Brötchen,-TK-Pizza und Mango-Handel“ an die Substanz.

Wer steckt dahinter?

  • Sind es die Investoren, die ihr Asset pflegen und gedeihen lassen wollen? Als es noch der Attraktivität der Stadt diente, hatte man die Zügel noch lockerer gelassen.
  • Sind es die Gewerkschaften, die sich ums Wohle der mehrheitlichen Türkischen Shop-Betreiber und deren Familien sorgen?
  • Steckt die Kirche dahinter, die ihr Haus am Sonntag nicht mehr voll bekommt, weil die Leute stattdessen im Späti ihren Halt finden?
  • Oder sind’s die großen Handelsketten, die den Umsatz lieber am Samstag oder Montag bei sich verbuchen wollen?

Zum Ende des Interviews drohte der Mensch im Radio dann auch noch den Tankstellen, demnächst viel strenger hinzusehen. Also bald gibt‘s da nur noch Sprit, Zündkerzen und Öl.

Ist das nicht piefig?

zur Klarstellung:
In Nord -und Ostdeutschland bedeutet „piefig“ so etwas wie altmodisch, verzopft, steif oder spießig.
Im Westen Deutschlands kennt man es wohl auch als missmutig, stänkernd, unfreundlich.

Je nach Perspektive passt aber beides, oder?

Frühere Beiträge zu Shops und Einkauf:

6) Shop-Gebläse

Der Einzelhandel muss sich etwas einfallen lassen, um langfristig gegen den Versandhandel bestehen zu können. Das ist allgemein bekannt. In Shopping-Centern versucht man es mit Modenschauen, Kinderbetreuung und irgendwelchen D-Promis, die Autogramme schreiben. Bei den klassischen Ladengeschäften in Fußgänger-Zonen tut sich hingegen in der Richtung nicht viel. In manchen Shops wummert zwar Musik, in anderen gibt es eine Warte-Couch für die Herren und einige Läden bieten freies WLAN an. Das war es im Prinzip schon. Immer noch gibt es lange Warteschlangen an der Umleide und an der Kasse. Schnäppchen gibt es meistens nur in Größe S oder XXXL, wer konkrete Vorstellungen, hat verliert schnell die Orientierung und geht wieder frustriert nach Hause. Mit Anfahrt, Parkplatz-Suche, Laufwegen und Rückfahrt sind schnell drei Stunden Lebenszeit vergangen und das, was man eigentlich kaufen wollte, gab es nicht. Da sollten sich die Shop-Strategen mal etwas mehr einfallen lassen, um Kunden anzuziehen und irgendwie einladend zu wirken. Neuester Trend scheint hier der „Tag der offenen Tür“ zu sein. Und zwar sechs Tage die Woche. Die Türen der Shops stehen sperrangelweit offen, viele Läden haben schon gar keine Tür mehr, sonder nur noch faltbare Glas-Fronten. Draußen herrschen Minusgrade und aus dem Shop bläst die warme Luft hinaus. Kommt man gerade vom Friseur könnte man sich dort die Haare föhnen. Selbst ein Olivenbaum würde dort im Winter Früchte tragen und stünden dort ein paar Liegestühle, fühlte man sich wie beim Shoppen in Phuket Town. Es würde mich echt mal interessieren, wie das mit einer Wärmebildkamera aussieht. Was is’n das für ein energetischer Unsinn? Häuserwände müssen heute mit dicken Dämm-Platten zugenagelt werden, Fenster sind mittlerweile doppelglasige Hightech-Produkte geworden und unten im Erdgeschoss hängen die einfach die Tür aus? Ich meine, es muss ja nun nicht mehr unbedingt der dicke Leder-Vorhang sein, in dem man sich früher verloren hatte, als man einen Laden betrat und die Glocke über einem bimmelte. Aber irgendetwas kreatives muss den Ingenieuren doch da einfallen. Oder machen das die Shop-Betreiber nur, damit sie dieser Tage vor der Tür keinen Schnee schieben müssen?

Frühere Beiträge zu Einzel-und Versandhandel:

33) Kiezladen

Den Bötzow-Kiez habe ich noch ganz anders in Erinnerung als er heute ist. Baufällige Häuser, Einschuss-Löcher in den Fassaden, Etagen-Klo und Kohlenheizung überall. Kopfsteinpflaster auf der Straße, ein Kohlenhandel auf der Ecke und ein Kinderzahnarzt im Vorderhaus (knarrende Treppe, zweite Etage links. Gruselig.) Heute ist das aber ganz anders. Fast alle Wohnungen sind mittlerweile saniert, oft findet man wunderschönen Stuck an den Wänden und nach Kohle riecht es schon lange nicht mehr. Und auch die Struktur der Läden hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Ein paar Geschäfte von damals halten sich noch immer wacker. Die tragen auch noch keine künstlichen Namen über dem Schaufenster, sondern nur ein Schild mit der Aufschrift „Frisör“, „Bäcker“ oder „Farben-Handel“. Auch die Kneipe gegenüber gibt es immer noch. Neu hinzu gekommen sind sehr exklusive Geschäfte, in denen man aber nur selten wirklich Kundschaft sieht. Ein Lampen-Geschäft bietet edle Designer-Lampen an, eine Holz-Manufaktur fertigt Möbel auf Maß und ein Wasser-Geschäft verkauft Wasserflaschen. Für mich alles etwas fragwürdig, aber gut. Immerhin kann man da noch etwas kaufen und es dient dem Stadtbild. Viel bedenkenswerter finde ich allerdings, dass die Ladenkultur dort immer mehr von „Services“ ersetzt wird, die einzig und allein dazu da sind, unseren körperlichen und seelischen Verfall zu bremsen. Oder auch unserem Nachwuchs, Business und Eheleben etwas auf die Beine zu helfen. 

Läuft man die Bötzow-Straße vom Kino her bergauf, findet man dicht an dicht die folgenden „Anbieter“: 

  • Nummer 10: Naturheilkunde, Ernährungsberatung, Akupunktur
  • Nummer 12: Physiotherapie
  • Nummer 14: Ingwer-Bar… es gibt dort auch „health“ und „wellbeing“
  • Nummer 24: Naturkosmetik, Körperarbeit, Massagen
  • Nummer 28: Kunststoffblenden für die nicht mehr ganz so hübschen Zähne 
  • Nummer 28: Vollkeramische Lösungen nach der Probefahrt mit den Kunststoffblenden auf den alten Zähnen
  • Nummer 28: Führungs- & Team Coaching, Eltern & Familiencoaching, Gründercoaching
  • Nummer 36: Logopädie & Ergotherapie
  • Nummer 41: Anti Aging, Lifting, Ultraschall, Wimpern und vieles mehr

Das kleine Nähgeschäft hat erst kürzlich dicht gemacht, das Kaffee mit der Spielecke schon etwas länger. 

Ich bin gespannt, welche neuen „Provider“ dort nun einziehen.

  • Vielleicht eine Vermittlung freier Seniorenheim-Plätze am Goldstrand
  • Eventuell regelmäßige Performance-Gespräche für Erst-Klässler?
  • Möglicherweise doch noch eine Konfliktberatung für Haushaltsroboter und deren Eigentümer?

Ich werde berichten und wage vorherzusagen, dass es hier in zwei Jahren die ersten Wochenend-Gutscheine für den Bötzow-Kiez zu kaufen gibt. 

„Lassen Sie ich ein Wochenende lang verwöhnen oder mal etwas restaurieren! Für nur 1.999 EUR genießen Sie Messer, Nadel, Botox und eine inspirierende Tasse Tee mit dem Coach ihrer Wahl. Kinder unter 10 Jahren zahlen die Hälfte. Bei Nichtgefallen gibt’s Geld zurück.“

Frühere Beiträge zum Thema Stadtleben:

 

15) Automaten

Eine neue Form von Beeinflussung und Bevormundung ist, wenn Personal immer mehr durch Automaten eingetauscht wird. Keine Sorge, das wird jetzt keine gewerkschaftlich klingende Argumentation gegen Automaten. Ganz im Gegenteil, ich habe nichts gegen den Self-Service an sich. Ich mag Self-Service. Und zwar dann, wenn es mir einen zeitlichen Vorteil oder Freiheit verschafft. Ist das jetzt auch schon egoistisch? Zum Beispiel stört es mich überhaupt nicht, selber zu tanken. Auch im Supermarkt suche ich mir meine Dinge selbst zusammen. Ich möchte auch gar nicht an einem Tresen meine lange Einkaufsliste vorlesen müssen. Auch die Shopping Portale sind letztendlich Self-Service-Automaten. Sie funktionieren zu jeder Tageszeit und machen mich unabhängig von Öffnungszeiten. In letzter Zeit halten aber Automaten Einzug, die anscheinend nur den Unternehmen einen Vorteil verschaffen und mir aber nur Nachteile. Nehmen wir die Flaschen-Automaten. Früher haben Studenten oder Schüler die Flaschen in meinem Korb gezählt. Es war eine sehr ehrliche Arbeit und sie haben damit Geld verdient. Der Vorgang ging ziemlich schnell und am Ende hielt man einen Bon in der Hand, den man dann an der Kasse versilbern konnte. Diese netten Menschen wurden abgeschafft. Ausgetauscht. Weg-automatisiert. Heute stehen dort stattdessen rote Automaten mit einem Loch in Augenhöhe. Sie gelten allgemein hin als ein Bakterien-Herd, sind elend langsam und mega-pingelig. Kaum ist die Flasche mal geknautscht, ein Stück des Etiketts fehlt oder man schiebt sie mit dem Hals zuerst in den Schlund, nervt die Kiste und belehrt die richtige Handhabe. Häufig wird man die Flasche nicht los. Ätzend. Und warum? Die Firma optimiert ihre Personalkosten und Fehlerfälle, ich mache letztendlich deren Arbeit und wirklich preiswerter sind dadurch die Produkte nicht geworden. Die Kinder finden es großartig, den Flaschenautomaten zu füllen, auch wenn ich davon kein Freund bin. Jeder Haut-Kontakt zu dieser roten Kiste verspricht eine fette Erkältung oder Durchfall. Zudem sind Automaten super schlecht gebaut. Dadurch, dass man die Flaschen mit dem Boden zuerst in das Loch stecken soll, läuft einem manchmal der restliche Inhalt der Pulle in den Hemdärmel. Ekelhaft. Ein weiterer Vertreter dieser Gattung sind Self-Service-Kassen. Gerne anzutreffen bei IKEA oder Decathlon. Hier soll der Kunde sein Zeugs selber scannen. Wo früher noch vier Kassen mit Personal waren, gibt es heute nur noch vier Self-Service-Kassen, im besten Fall noch einen Studenten der hilft, wenn Scanner oder Kunde überfordert sind. Abgesehen davon, dass ich nun die Arbeit des Unternehmens mache, sind diese Stationen auch sehr dürftig ausgestattet. Da gibt es einen Scanner, dann einen Monitor, dann ein Kartenlesegerät und noch ein Schreibfeld auf dem man unterschreiben soll. Alle vier Komponenten sind von unterschiedlichen Herstellern in unterschiedlichem Design und Sprache, ein Grauen für alle die, die beruflich mit User Experience zu tun haben. Liebe Einzelhändler hört auf mit diesem Unsinn! Ich benutze gern Automaten wenn ich selbst davon etwas habe! Ich will aber nicht eure Arbeit machen! Und wenn ich das schon tun soll ,dann erwarte ich von euch einen kleinen Discount auf meinem Bon! Nun wird es aber Zeit, Egoismus und Ignoranz in und aus den Familien zu beleuchten.

Frühere Beiträge zum Thema Kaufen und Verkaufen:

10) Drogerie

Wenn ich Drogerien aufsuche, um zielgerichtet ein paar Kleinigkeiten einzukaufen, könnte ich mich regelmäßig aufregen. Insbesondere wenn ich einen kurzen Aufgaben-Zettel im Kopf habe und mit ganz klarer Vorstellung den Palast der Cremes betrete. Schnell wird mir dann aber klar, dass dieser Laden nicht zum Einkaufen gedacht ist. Die Gänge sind nicht in einem klassischen Fischgrätenmuster angelegt, in dem man sich doch sehr schnell orientieren kann. Normalerweise folgt man einer Hauptstraße und geht dann links oder rechts in kleine Nebenstraßen und wird meistens schnell fündig. Jeder Baumarkt ist so aufgebaut, viele Supermärkte auch. In Drogerien jedoch ist es komplett anders. Kaum hat man die duftende Halle betreten, ist man mit schräg organisierten Gängen konfrontiert. Es gibt keine Hauptstraße. Die Produkte in den Gängen sind kaum einsehbar, Hinweisschilder die zu den Tuben und Töpfchen führen, kann man nur lesen, wenn man bereits vor ihnen steht. Häufig bleibt nichts anderes übrig als die schrägen Gänge nacheinander abzulaufen und zu interpretieren, was sich der Laden-Designer bei für die Platzierung der Ware gedacht hat. Vor kurzem stand für mich eine Dienstreise nach Asien an. Aus diesem Grunde wollte ich mir ein paar Feuchttücher mitnehmen. Eigentlich sollte das schnell erledigt sein. Aber nicht, wenn man diese bei den großen Drogerie-Ketten suchen muss. Zunächst ging ich in Richtung Baby & Co. Denn das ist vermutlich die sauberste Ecke im ganzen Laden. Fehlanzeige. Keine Feuchttücher mit desinfizierender Wirkung. Ich stolpere weiter durch die Gänge und entdeckte ein Schild mit der Aufschrift Hygiene. Super. Ich scannte die Schachteln darunter, fand jedoch nur Tampons und Binden für Damen. Als sei das die einzig vorstellbare Hygiene auf dem Planeten. Als nächstes steuerte ich die Ecke der Toilettenpapiere an, insbesondere der feuchten Varianten dieser Art. Wenn ich Ladenbesitzer wäre, würde ich diese Feuchttücher direkt neben den nassen Klo-Papieren platzieren. Falsch gedacht. Ich lief gefrustet alle Gänge rückwärts im Zick Zack bis zur Kasse, stellte mich dort in die Schlange und fragte den Kassierer wo ich diese berühmten Feuchttücher fände. Er antwortet: „Na da hinten bei den Seifen“. Logisch. Wo sonst. Was hier vielleicht sehr witzig klingt oder ein typisches Männer-Problem ist, ist in meinen Augen eine absolute Frechheit. Durch Aufbau der Drogerien klaut mir dieses Unternehmen Lebenszeit. Das ist Beeinflussung und Bevormundung in höchstem Maße und grenzt schon an Freiheitsberaubung. Und ich habe keine Lust eine Viertelstunde netto ohne Kasse in einer Seifenhalle zuzubringen. Zu was soll das denn führen? Soll ich mir etwa Feuchttücher bei etwa Amazon bestellen, für 2,50 € + 3 Euro Versand? Ist es das was wir hier wollen? Soll das der bröckelnden Ladenkultur dienen? Irre. Aber bevor wir uns zu lange bei der Privat-Wirtschaft aufhalten, schauen wir doch bei uns Mitmenschen vorbei. Das ist bestimmt alles anders, oder etwa nicht?