260) Framing

Es wird viel diskutiert über den Einfluss von „den Medien“ und den häufig aus dem Zusammenhang gerissenen, stark verkürzten Wiedergaben von Statements öffentlicher Personen. Da werden dann zusätzlich noch Umfragen zitiert, Statistiken und wissenschaftliche Untersuchungen herangezogen, die man als „Otto Normalverbraucher“ kaum nachprüfen kann. Und fertig ist „die Nachricht“ und eine nette Geschichte drumherum.

Ich will mit dem Beitrag heute gar keine Mega-Diskussion starten, ganz und gar nicht. Stattdessen möchte ich nur ein völlig harmloses Beispiel aus der Berliner Morgenpost (27.11.2021) bringen. Völlig unpolitisch und Corona-frei kommt die Nachricht daher, zeigt schnell die Diskrepanz zwischen Überschrift und Inhalt. Und sie macht sensibel darüber nachzudenken, was wir lesen, wie wir die Informationen aufnehmen und welche Thesen im Kopf letztlich hängen bleiben. Ob der Text nun Substanz hat oder nicht.

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Und gemerkt?

Zunächst kommt eine saloppe Headline, die lädt zum Verweilen ein und provoziert den Leser etwas. Dann folgt textliche Spachtelmasse, gefolgt von etwas Datensalat, um den Beitrag zu untermauern. 2.000 Führungskräfte, 11 Länder … LinkedIn … ui ui ui … mein lieber Scholli … da muss ja was dran sein.

Da „befürchten“ also 37% der Chefs „negative Auswirkungen“. Sind das die deutschen Chefs? Und welche Auswirkungen denn? Auf was? Und der „Durchschnitt liegt bei 30%“. Sind das die anderen 10 Länder? Also sind die Deutschen 7% skeptischer oder verstehe ich das falsch? Das hätte ich auch vorhersagen können, ohne 2.000 Chefs zu nerven, denn der Deutsche ist von Hause aus mehr Schisshase und Bundesbedenkenträger

Und überhaupt, was hat das alles mit der Headline zu tun? Wurde in der Umfrage überhaupt nach Vertrauen und Bummelei gefragt oder ist das nur eine Behauptung des Verfassers. Wir wissen es nicht und ich verstehe auch, dass man in der Kürze nicht die ganze Umfrage abdrucken kann. Aber genauso, hätte man den Artikel auch weglassen können. Denn er hinterlässt keinen Wert, sondern lässt mich nach knapp zwei Jahren Dauerhomeoffice und Milliardengewinnen in der Branche nur die Augen und den Mausarm reiben.

Und wieso können sich 2.000 Chefs eigentlich mit so einem Blödsinn beschäftigen? Oder meint die Headline gar nicht „ihre Beschäftigten“, sondern vielleicht …?

Ei, ei, ei … ich ahne.

172) Corona-Lektionen 67

Ich erspare mir heute eine Einleitung. Ich gehe sofort aufs Thema dieses Beitrags:
Medien und informationelle Fremdbestimmung in diesen Zeiten.

Eigentlich halte ich mich für jemanden, der gerne Informationen aufsaugt, Nachrichten hört/schaut und auch den politischen Diskurs verfolgt. Jetzt will ich hier wirklich nicht zum Medien-Bashing aufrufen, aber das, was aktuell ins Volk getrötet wird, ist nur schwer zu ertragen. Während die einen die Pandemie nahezu komplett aus dem Programm heraushalten, diskutieren sich die anderen zu Tode. Wenn uns der Virus nicht dahinrafft, dann wohl der Informationelle Burnout. Weil aber auch wirklich jeder seinen Senf dazugeben muss. Schon schlimm genug, dass Corona die Nachrichten und Diskussionsformate beherrscht, aber auch das Programm zwischendurch wird ständig vor die Corona-Kulisse gezogen. Ich glaube, die Leute sind nicht unbedingt Corona-müde aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung, sondern eher weil sie es nicht mehr hören können. 

Und das halte ich für gefährlich, denn Menschen ziehen sich dann aus dem Geschehen zurück und machen es sich in ihrer Blase gemütlich. Oder sie gehen Hetzern auf den Leim.

Da ist zum einen die schiere Menge der Informationen. Aber auch mein Eindruck, dass das wenigste wirklich eine Relevanz hat, etwas konstruktives beiträgt oder zum aktuellen Moment passt. Nähert sich beispielsweise der Mittwoch, wo das „Corona-Kabinett“ tagt, wird sich spätestens ab Sonntag davor, das Maul zerrissen. Kaum verlässt die Kanzlerin die Pressekonferenz, regt sich schon irgendwer auf, dass beim Thema Schule kein bundesweiter Konsens herrscht. Muss es denn? Ist es denn so ein Drama, wenn Bayern da anders agiert als Berlin? Spielt das infektionstechnisch irgendeine Rolle? Nein! Aber es wird geredet und geredet. Wertvolle Zeit mit Nebensächlichkeiten vergeudet. Dann wird mal jubelnd erklärt, dass Firma x und Firma y nun gemeinsam Impfstoff produzieren. Super! Durchbruch! Rettung naht! Die Euphorie beim Hörer wärt aber nicht lange. „Das geplante Werk kann Ende 2022 mit der Fertigung beginnen“. Na großartig. Ich finde es ja gut, wenn positive Nachrichten übermittelt werden, aber ist diese Information jetzt nötig? Schürt das nicht noch mehr Zweifel und Medien-/Politik-Verdrossenheit?

Was hätte eigentlich die Nachrichten bestimmt, wenn Corona nicht in unser Leben getreten wäre? Vermutlich hätten wir übers Klima gesprochen. Ach stimmt, Klima haben wir ja auch noch. Oder über flüchtende Menschen. Ja, auch die gibt‘s noch und sie hausen in übelsten Lagern, während wir diskutieren, ob Friseure wieder öffnen und Fußpflege nicht auch zur Menschenwürde gehört. Wahrscheinlich hätten wir auch mal erörtert, wie sich Digitalisierung langfristig auf die Beschäftigung auswirkt. Digitalisierung ist etwas mehr als Homeoffice und fehlendes WLAN an den Schulen. Und wahrscheinlich hätten wir jeden Morgen irgendwelche Twitter-Ergüsse des Mannes mit den orangen Haaren erlebt. 

Na immerhin, doch noch etwas positives an Corona gefunden…

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33) Digital Detox in der Cloud

Good Morning, Your captain speaking … bla bla … flight time to Munich today will be one hour and ten minutes. Enjoy your flight!

Was, ein Inlandsflug?? Pfui! Hat der etwa keine Flugscham? Doch doch, ich schäme mich. Schon wieder. Aber dazu bald mal ein anderer Beitrag hier auf‘m Blog.

Eine Stunde und zehn Minuten Zeit nur für mich, das ist ein wahrer Luxus. Was kann ma da alles schönes anstellen?

  • Einen Blog-Beitrag verfassen?
    Logisch, das geht auch hier oben über den Wolken, aber dazu fehlt mir gerade eine Inspiration
  • Schlafen?
    Besser nicht, dann fühle ich mich in München wie gerädert und trage das den ganzen Tag mit mir herum
  • Auf dem Handy daddeln?
    Ja, kann man machen, aber ohne Netzanbindung kann ich nur alte Nachrichten lesen. Das Vergnügen ist irgendwie endlich
  • Magazine auf dem Tablet schauen?
    Hätte ich zwar offline dabei, aber um 06:45 Uhr fühle mich noch nicht ganz so aufnahmebereit für komplexere Informationen
  • Musik oder Hörbuch hören?
    Auch ´ne Idee, Musik lenkt aber von Gedanken ab und Hörbücher machen mich, zumindest im Sitzen, müde
  • Fotos aussortieren?
    Eine wunderbare Aufgabe für den Flieger, aber auf dem kleinen Bildschirm auch nicht gerade optimal. Außerdem saugt das den Akku leer
  • Im Board-Magazin blättern?
    Ist irgendwie immer dasselbe. Start Up-CEO‘s Mitte 20 geben ihren Senf ab, es werden Städte vorgestellt wo ich schon war und Prominente zeigen, welche Gadgets sie in ihren Koffern mit sich herum tragen
  • Im Shopping-Katalog blättern?
    Ganz nett zum inspirieren, aber so viele tragbare Lautsprecher, Adapter, Uhren, Mäh-Roboter, Saug-Roboter und Powerbanks kann ich niemals brauchen

Und nun?

Ich bestelle mir einen Premium-Krümel-Kaffee, packe den ganzen Medien-Kram beiseite, schaue aus dem Fenster und lasse den Gedanken freien Lauf.

Frühere Beiträge zu Fliegerei und Medien: