294) Wahrheiten

Folgt man den aktuellen Entwicklungen in Ukraine und Russland, dann kommt man zwangsläufig bei den Themen Pressefreiheit, Kontrolle des Internets und Verbot von unabhängigen Medien raus. Ich glaube, die meisten Menschen bei uns, können sich nicht vorstellen, wie das ist, NUR gelenkte Medien vorgesetzt zu bekommen. Viele Ex-DDR-Bürger können sich dran erinnern, aber selbst da gab es je nach Wohnort noch Zugang zu „Westfernsehen“ oder „Westradio“, denn Funkwellen machten ja nun mal nicht an der Grenze halt. Aber selbst wenn man solch „andere Nachrichten“ empfing, hieß das ja noch lange nicht, dass man die auch als „Wahrheit“ verstand. Das war halt eine „andere Betrachtungsweise“ und die Obrigkeit tat alles dafür, diese Nachrichten als „Lüge“ zu deklarieren. Lange mit „Erfolg“, aus deren „Perspektive“.

Lebte man dagegen in einem Tal oder weitab des nächsten Senders, wurde das schon schwieriger. Da ging es dann nur von Mund zu Mund, über Weitergabe verbotener Zeitschriften oder vielleicht mit Handzetteln. Twitter, Facebook und Telegram waren noch nicht erfunden, man konnte quasi nur drucken und flüstern, aber immerhin. Heute, mit Kabel-TV und Internet, sieht das ganz anders aus. Schnipp, disabled. „Error 404. Page not found“. Dunkel. Ahnungslos.

Und dann hören wir dieser Tage, wie kreativ russische Oppositionelle und Bürgerrechtler doch werden, wenn sie „Wahrheiten“ anderweitig verstecken und so ihren Lesern spontan zugänglich machen. Das finden wir dann gut, vollkommen richtig, nachvollziehbar und vor allem auch „wahr“.

Oder am Montag, als eine Journalistin hinter der Nachrichtensprecherin des russischen Staatsfernsehens mit einem Poster in der Hand ihre „Wahrheit“ verkündete. Riskant. Meine Hochachtung!

Und weil es solch mutige Menschen gibt, macht uns das dann Hoffnung und wir gehen davon aus, dass das russische Volk, die „Wahrheit“ dann doch bald zu Gesicht bekommt. Denn das kann „man“ ja nicht mehr übersehen, „glauben“ wir dann. Das erzeugt ja mindestes mal „Zweifel“, oder? Aber so einfach ist das nicht! 

Warum?

Das kann jeder für sich selbst überprüfen:

    1. Erinnern wir uns an die Corona-Hochphase. Die großen Medienhäuser in Deutschland (egal ob öffentlichrechtlich oder privat) berichteten im Prinzip dasselbe. Inzidenz, Krise, Einschränkungen etc. Stolperte ich in dem Kontext ungewollt über „andere“ Nachrichten in Social Media, dann waren die Verfasser eher zweifelhafte Schwurbler und Unruhestifter.
    2. Oder wir gehen auf eine Demo, mit dem Hauptanliegen der Veranstaltung sind wir im Prinzip fein, aber dann stecken uns „komische Typen“ irgendwelche Zettel zu, wo alternative „Meinungen“ draufstehen.
    3. Und dann stellen wir uns mal vor, eine Aktivistin hüpft heute Abend hinter den Sprechern des Heute Journals, der Tagesthemen, oder bei n-TV und RTL mit einem Plakat vor die Kamera, auf dem dann stünde so etwas wie …

„Klimawandel = Lüge“
oder
„Impfen macht impotent“
oder
„NATO ist Schuld“

Dann würden wir das vermutlich nicht automatisch für „wahr“ halten, oder? Vielleicht sogar für etwas irre?

Genau darum.

Eine Nachricht oder Auffassung wird noch nicht zur Wahrheit, weil sie gegen den Mainstream ankämpft. Das gilt im Guten wie im Bösen. Zumal ja „gut“ und „böse“ auch abhängig von der jeweiligen individuellen und mehrheitlichen Auffassung sind. Schwindelig?

Also, ja … mir ja.

(Titelbild: Deckblatt Berliner Morgenpost 12.03.22, von mir manipuliert und der Realität angepasst)

162) Corona-Lektionen 61

Gestern Abend gab’s die erste Pressekonferenz der Kanzlerin und der Länder im neuen Jahr. Mittlerweile dürften die Ergebnisse auch in den Ländern und Städten kommuniziert sein. 

Willkommen im Lockdown V2.3!

V2.3?? Da ich im IT-Umfeld arbeite, werde ich die von nun an für mich einfach mit Versionsnummern nummerieren. 

Rückblick auf bisherige Versionen:
Die Version 1 wurde im Frühjahr „gelaunched“.
Die Version 2 startete im Spätherbst und ist über die Zwischenversionen 2.1 „Soft“, 2.2 „X-Mas/New Year“ nun bei 2.3 „Kater“ angekommen. Zwei neue Features dieser Version nennen sich „15-er Regelung“ und „Family+1“. Diese Features sollten alle ausprobieren, denn das könnte durchaus positive Effekte haben.

Distanzunterricht:
Die Schüler hocken wieder zu Hause und müssen sich den Stoff selbst beibringen. Von Distanzunterricht kann bei uns noch keine Rede sein. Die Aufgaben werden zwar nun mehr über Plattformen verteilt und weniger über E-Mail, das ist aber auch die einzige Veränderung. Einzelne Lehrer_Innen hängen sich voll rein und versuchen mehr über Video-Konferenz zu machen. Macht weiter so! Genauso gut gibt es Lehrer, die seit der Vorweihnachtszeit, die Deutsch-Hefter bei sich zu Hause zur Korrektur liegen haben und sich jetzt wundern, wie die Kids da nun rankommen sollen. Soviel dazu. Bei digitalem „Unterricht“ sind wir noch lange nicht. Da kann man schon mal fragen, was eigentlich seit März 2020 erreicht wurde. Siehe hier >Corona-Lektion 3 vom 17. März 2020.

Realitäten:
Wie schon in >Corona-Lektion 6 und >Corona-Lektion 34 angesprochen, wundere ich mich so über verschiedene Realitäten.

Wenn ich mal wieder durch die TV-Sender zappe, habe ich den Eindruck, dass Corona da überhaupt nicht angekommen ist. Mal abgesehen von Nachrichten und Politik-Talk, in denen man nervöse Politiker und gut gelaunte Rodler am Winterberg sieht, scheint Corona bewusst negiert zu werden. Stattdessen laufen Filme aus der Konserve, da wird Trödel verhökert oder Kuchen gebacken. Es sind zwar mehr Glasscheiben verbaut und die Menschen stehen weit auseinander, aber trotzdem will man anscheinend den Virus partout nichts in Programm lassen. Will man die Leute damit beruhigen? Ihnen eine Corona-freie Unterhaltungsblase geben? Vielleicht kommt so manch lockeres Verhalten auch daher, dass in vielen Sendungen eben nur die Welt „vor Corona“ vorgegaukelt wird, so dass der Eindruckt entsteht, das ist alles halb so wild?

Sollen sie doch mal zeigen, wie es auf der Intensiv so abgeht,
wie Menschen an Schläuchen hängen, 
wie sie regelmäßig gedreht werden,
wie sie sauber gehalten werden,
wie sie auf eine Maschine angewiesen sind.
wie künstliche Ernährung so schmeckt,
wie die wochenlang im Bett liegen,
und um ihr Leben kämpfen.

Zeigt das doch mal! Ich meine so richtig echt. Kamera an und filmen. Ganz nah ans Gesicht ranzoomen. Voll drauf! Ohne Verpixelung der Augen bitte. Eine ganze Nacht durch, auf allen Kanälen. Alles live! Ohne Werbung. Auch bei Netflix, Amazon und YouTube. Chips und Bier sind ausdrücklich erlaubt. Lasst‘s euch schmecken!

PS: Sorry, für die drastischen Bilder hier, aber vielleicht muss das mal sein, damit‘s auch der letzte kapiert.

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128) Corona-Lektionen 37

Nächste Woche beginnt die Schule hier wieder, mit Abstand und Maske, aber ohne sonstige Limitierung. Ob das wohl gut geht? Aber ehrlich, das ist eigentlich  alles bescherrschbar, da macht mir anderes mehr Sorgen. Und da sind wir schon beim Thema dieses Beitrags.

Die Demo letzten Samstag in Berlin wirkt immer noch in mir nach. Ich bin entsetzt und möchte daher heute über „Bilder“ nachdenken und wie sie Menschen beeinflussen können.

Dazu habe ich mir „Schulz“, einen durchschnittlichen Berliner ausgedacht. Schulz folgt den Corona-Maßnahmen zwar, ist aber auch etwas genervt davon. Aber lest selbst:

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Samstag wird eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen stattfinden. Schulz kann sich nicht aufraffen dahin zu gehen. Er hat gehört, da gehen nur Rechtsradikale und Aluhut-Träger hin. Als Rechter will er im Fernsehen nicht gesehen werden, als Spinner schon gar nicht.

Also bleibt er zu Hause und macht sich über weitergeleitete Video-Schnipsel und Social Media sein eigenes Bild von der Welt da draußen.

Video 1: Das ganze System sei korrupt und lügt, rufen die Menschen da. Die Wahrheit läge woanders. Corona gäbe es gar nicht, alles sei nur Fake, die RKI-Daten wären gefälscht, der Staat wolle nur von seiner Pleite ablenken. Krisen-Gelder fließen in die Taschen von Oligarchen, beim kleinen Mann käme nichts an.

Schulz: Mhm, so habe ich das noch gar nicht betrachtet. Klingt irgendwie nachvollziehbar. Da könnte ja glatt was dran sein, ich kenne keinen der Corona hat.

Video 2: Das stehen Teilnehmer von Jung bis Alt, auch kleine Kinder sind dabei, Transparente sind zu sehen, Kostüme auch. Sogar aus anderen Bundesländern sind sie angereist. Kaum einer trägt eine Maske. „Kinder des Lichts“ werden die Demonstranten von der Bühne aus angesprochen. “Heute feiern wir einen neuen Nationalfeiertag“ ruft der Redner. Die Sonne scheint, es ist warm, Sommer in Berlin.

Schulz: Ach, schöne Atmosphäre dort im Tiergarten. So friedlich irgendwie. So einig. So gemeinsam. So überzeugend und irgendwie auch einfach.

Video 3: Die Leute sind eher normal gekleidet, es sind keine offensichtlich Rechtsradikalen zu sehen, keine Punks, keine Vermummten in schwarzen Klamotten, keine Islamisten, keine Junkies, keine Hooligans, keine Clans. Auch Steine oder Flaschen fliegen nicht.

Schulz: Na das sieht ja gar nicht so aggressiv aus, wie immer behauptet wird. Da muss ja echt was dran sein, wenn da so viele normale Bürger hingehen.

Video 4: Organisatoren hüpfen euphorisch durchs Bild und sprechen mal von 800.000, 1,8 Mio, 1,3 Mio Teilnehmern. Die Frage aus dem Off, woher denn die Info käme, wird von einer anderen Stimme aus dem Off beantwortet: „Kam gerade rein, is‘ offiziell“.

Schulz: Also wenn das offiziell wirklich schon 1,3 Million sind? Da muss ja was dran sein. Das scheint ja echt ein kommende Bewegung zu sein. Die können ja nicht alle irren.

Video 5: Eine Bildmontage fängt die verschiedenen Rufe der Demonstranten ein. „Lügen-Presse“, „Kamera aus“, „Wir bleiben hier“, „Schämt euch“, „Sagt die Wahrheit“ und „Wir sind das Volk“.

Schulz: Ja also wenn das so ist. Ich bin ja auch „das Volk“. Kein Zweifel. Die Wahrheit muss endlich ans Licht.

Die Demo wird am Nachmittag aufgelöst. Am Samstag-Abend zappt Schulz durch die TV-Programme und streift kurz die Nachrichten. RTL berichtet von 20.000 Teilnehmern, ARD von 17.000. ARD spricht über eine bunte Mischung aus Rechtsgesinnten, Esoterikern, Impfgegnern, Corona-Leugnern und Verschwörungstheoritkern. RTL hält sich da etwas zurück.

Schulz: Kann ja alles nich‘ sein. Das war ganz anders. Es waren 1,3 Millionen und ganz vernünftige Leute da. Ich habe es ja selbst gesehen. Fake News! Lügen-Presse!

Ende

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Kommentar des Verfassers:

Liebe Leser, der oben beschriebene Ablauf ist konstruiert, ohne Frage, aber ich habe mir selber einige Video-Schnipsel seitens der Teilnehmerschaft angesehen und es ist sehr nahe dran. Am Montag habe ich auch den 30 minütigen Rundgang durch das ZDF-Team (wohlgemerkt ohne Schnitt !) gesehen. Ich kann nur raten sich das mal anzusehen. Ich bin heilfroh, dass wir solch eine bunte Medien-Landschaft haben. Gefällt mir nicht immer, muss es aber auch nicht. Aber es gibt dort Immerhin gut recherchierte und durch Fakten abgesicherte Berichte und eben nicht nur aus dem Zusammenhang gerissene Video-Schnipsel im Internet.

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125) Corona-Lektionen 34

Sind seit dem letzten Beitrag dieser Reihe (>hier) wirklich schon wieder drei Wochen vergangen? Mensch, die Zeit rast doch, oder? War das eigentlich vor Corona auch schon so? Viele sagen ja, sie hätten kein Gefühl mehr für die Zeit, die so vergeht.

Andere berichten, sie fühlen sich in einer anderen Realität. In mehreren Realitäten sogar. So geht’s mir auch. Und solche Realitäten, die sollen heute mein Thema sein.

Widmet man sich den Nachrichten, gibt’s aktuell verschiedene Realitäten:

  • Da gibt‘s Berichte aus Ländern, die verstanden haben, dass sie ein ernsthaftes Corona-Problem, aber immerhin drastische Maßnahmen eingeleitet haben.
  • Da sind Länder, die zögerlich wieder öffnen und eine Riesen-Angst vor dem Schulbeginn haben, wenn die Corona-Souvenirs auf dem Schulhof getauscht werden.
  • Da gibt’s Regierende, die Corona immer noch als „Blödsinn“ abtun und mit Thumbs up in die Kamera grinsen, während ich mich frage, ob der Virus vielleicht doch mal an deren Haustür klopfen könnte.

Dann folgt der dünne Sport, die Lotto-Zahlen und das Wetter. Immerhin Wetter gibt’s noch.

Wenn ich danach zufälligerweise in Filme, Serien oder Werbung hineinzappe, fühle ich mich völlig fehl am Platze:

  • Da schippern Kreuzfahrtschiffe durch die Karibik und Kripo-Beamte untersuchen einen Mordfall im Rotlicht-Milieu.
  • Da gibt es Game-und Talkshows vor Publikum, meistens Retorte. Wenn die Ränge leer sind, kommt der Applaus vom Band.
  • Und auch die Werbung zwischendurch führt uns durch eine heile Welt. Nix Virus, nix Maske, nix Abstand, sondern alles beim Alten.

Ist es vielleicht das Sommerloch? Oder müssen sie die alten Gerichte wieder warm machen weil seit März nichts mehr produziert oder synchronisiert wurde? Bringt man einfach dieselbe Sauce immer wieder, um die Leute bei Laune zu halten? Bis dann mal alles wieder „so wie früher“ wird?

Vielleicht schaue ich ja zu wenig TV, um mir ein vollständiges Bild zu machen. Aber wo ist der elegante Geheimagent im Smoking, der mit Mund-Nase-Schutz eine Dame rettet? Wo ist die gelbe Comic-Figur, die sich die Hände desinfiziert, wenn sie vom Skateboard steigt? Wann sehen wir endlich die erste Vorabend-Serie mit Homeoffice, Seifenspender und Glasscheibe an der Kaffee-Bar?

Das ist doch die Realität! Oder bin ich im falschen Film?

Frohes Nachdenken! Kommentare gern hier unten drunter!

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104) Corona-Lektionen 24

Die Neunte Family-Homeoffice-Woche liegt vor uns. Der Sohn darf morgen wieder in die Schule, zeitweise zumindest. Die lange Liste der Hygiene-Maßnahmen sorgt für Enttäuschung und zeigt eindrücklich, dass da noch lange nichts „normal“ ist. Aber was ist schon „normal“?

Durch Corona ist kein Stein auf dem anderen geblieben:

  • Vormals fast undenkbare Veränderungen sind in Deutschland auf einmal möglich geworden. Nehmen wir nur mal flächendeckendes Home-Office, Video-Konferenz mit Lehrern und Kartenzahlung.
  • Relikte alter Zeiten, die wir schon überwunden glaubten, machen nun eine zweite Karriere. Die Warteschlange ist zurück, Drive In-Konzepte gibts nicht mehr nur beim Fast Food sondern auch für die Beichte. Religionen entdecken Auto-Kinos für sich.
  • Bei den großen Herausforderungen, die bislang unerreichbar schienen, hat es bereits kurzfristige Veränderungen gegeben. Der Verkehr hat abgenommen, in Großstädten wird die Luft besser und es wird viel weniger geflogen.
  • Schlechte Angewohnheiten, von den wir doch eigentlich ablassen wollten, festigen sich nun erst recht. Der Versandhandel und Individualverkehr boomt, „To Go“-Konzepte sind die einzige Überlebenschance für die Gastronomie. Verpackung inklusive.
  • Und wir konnten alle mal schnuppern, wie es sich denn so anfühlt, wenn Grundrechte  eingeschränkt, Versammlungen, Demonstrationen, Soziales Miteinander verboten werden. Für manche Deutsche war das gar nicht so neu. Uns eint nun aber die neue Erfahrung, wenn staatlicherseits eine partielle Bedeckung des Gesichtes gefordert ist.

Und weil das ja mal nur die eher „kleineren“ Veränderungen der letzten Wochen sind, wird uns doch allen klar, dass es kein „back to normal“ geben kann. Und wer sagt eigentlich, was das neue „normal“ ist?

Aber das wird ein neuer Beitrag 😉

Schönen Sonntag
T.

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81) Corona-Lektionen 3

Klingelt dieser Tage mein Wecker, schießen mir zwei Fragen durch den Kopf:

  1. Wo bin ich? Ach ja, Berlin. Ist ja auch mal nett!
  2. Was bringt der Tag? Ach ja, Corona, stimmt. Oh ha!

Nach den ersten beiden Tagen „Family-Home-Office“, muss ich wieder ein paar Gedanken loswerden. Zur Corona-Pandemie. Dabei geht es nicht ums Klo-Papier, sondern um einzelne Vorkommnisse, die ich kommentieren will und die hoffentlich zum Umdenken anregen.

Party 1: Am Samstag wagten wir uns zum Nachmittag mal in den Kiez, um zu schauen, was „noch so geht“. Die Fußwege waren voller Menschen, Eis und Latte Macchiato kreisten durch die Hände. Auch im Park herrschte eher Frühlingsfest und ausgelassene Stimmung. Habe ich etwas verpasst? Wurde Corona frühzeitig als April-Scherz entlarvt oder haben die Menschen dort kein Radio? Kurz später höre ich von Corona-Parties. Ich meine, ich finde es ja echt gut, wenn wir nach Terror-Anschlägen oder Naturkatastrophen bewusst unseren freiheitlichen Lebenswillen demonstrieren … aber … es handelt sich hier um ein ansteckendes unsichtbares Virus, Leute. Check?

Party 2: Das Gymnasium in der Straße hatte am Montag noch geöffnet. Ab ca. 11:00 Uhr strömten Schüler aus den Toren. Eine Mischung aus Ferien-Beginn, Fasching und Junggesellen-Abschied. Fläschchen, Späßchen und Helau. „School‘s out!“ Ja, die Kids nehmen das lockerer. Ja, die Jugend muss „anti“ sein. Waren wir auch. Aber haben die halbwegs umrissen, dass es gerade mal nicht um „Hitzefrei“ geht, sondern um die vermutlich gravierendsten Einschränkungen der letzte 70 Jahre? Und wo sind deren Eltern? Wieso lassen sie die Kids in solchem Aufzug zur Schule gehen? Kein Verständnis. Nicht diskutabel.

Digitalisierung 1: Die Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter reihenweise ins Home-Office. Logisch, nachvollziehbar. Nur werden damit auch die versäumten Investitionen der letzten Jahre sichtbar. Digitalisierung ist nun mal ein bisschen mehr, als eine halb gare Weisheit bei LinkedIn zu posten. Die VPN-Tunnel sind zu knapp bemessen, Mitarbeiter können sich nicht einwählen. War nicht voraussehbar? Ach hört doch auf! VPN-Tunnel kenne ich seit Ende der 90er Jahre. Dass das Klima, die Sicherheit oder eben nun ein Virus die Leute irgendwann aus den Büros treibt, ist seit 20 Jahren erkennbar. Durchgefallen! Nachsitzen! Mitarbeiter dezentral arbeitsfähig machen und draus lernen. Bald! Die nächste Gelegenheit kommt bestimmt.

Digitalisierung 2: Dass oben geschriebene gilt natürlich auch für Schulen und Schüler. Selbstverständlich. Der aktuelle Standard an „Digitaler Wissensvermittlung“ ist aber, dass wir morgen eventuell ein paar Aufgaben „per e-mail“ erwarten können. Auch hier bitte umdenken und nacharbeiten Ihr Schulen und Bildungsbehörden! Sonst macht Ihr es den teils sehr guten YouTube-Lehrern sehr einfach, euch digital zu „disrupten“.

Realitäten: Die letzten Tage fühlten sich an, als würde man in kurzen Abständen durch verschiedenste Filme hüpfen. Letzte Dienstreisen, morgendliche Nachrichten, leere Regale, virtuelle Meetings mit der halben Welt, Schulaufgaben, „Freigang“, Besorgungen und wieder Nachrichten mit den nächsten Ankündigungen, leere Stühle in Talk-Shows, Luftbrücken, Rückhohl-Aktionen mit Charter-Flügen. Vielleicht sollte ich mir auch einen Papp-Hut aufsetzen und den Frühling feiern…?

Ich würde mal sagen, dass ich mich echt schnell an verschiedene Situationen anpassen kann. Aber die „Chamäleon“-Gene werden schon arg gefordert dieser Tage, oder? Und ich vermute mal, das ist erst der ganz frühe Anfang von einer längeren Strecke.

Bis bald

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