277) Feuerwerk. Paris-Urlaub. Ehering.

Im Dezember habe ich dem Wechsel zu einem neuen Telefon-und Internet-Provider zugestimmt. Der bisherige Provider ist nicht schlecht, nein nein, aber etwas mehr Stabilität im Home-Office/ Homeschooling-Alltag, das hätte ich mir schon gewünscht. Nun ist die Sache also entschieden und wir werden sehen, ob der neue Anbieter all seine Versprechen hält. Immerhin stellt er einen Wechselberater (ohne Gendersternchen … ei ei ei) bereit, der „kümmert sich um alles“, na dann muss es ja flutschen. Aber mehr dazu im August, denn der alte Provider lässt mich noch nicht gehen, wir leben quasi um Scheidungsjahr.

Kaum hatte der neue Anbieter beim alten Anbieter gekündigt, stand mein Telefon nicht mehr still. Es bimmelte mehrfach auf dem Festnetz und auf meinem Handy rief es 15 mal über mehrere Tage von deren Hotline. Seit Ende Januar herrscht nun aber Funkstille, vermutlich war der Auto-Dialer auf 15 Versuche eingestellt. Oder sie sind nun eingeschnappt und hassen mich für immer. Folgt nun ein Rosenkrieg?

Aber vor kurzem fand ich eine poppige Postkarte im Briefkasten.

Sie trägt den Titel:

  • Feuerwerk.
  • Paris-Urlaub.
  • Ehering.

Das Papier sah nach typischer „Dialogpost“ aus, die ich üblicherweise sofort in den Müll schmeiße. Durch Zufall schaute ich aber auf die Rückseite und da standen Zeilen, die direkt an mich gerichtet waren. Mit Kugelschreiber formuliert, händisch unterschrieben und mit einer echten Briefmarke frankiert! Man bedauere, dass ich den Anbieter verlassen wolle und man will fragen, ob es nicht noch eine Möglichkeit gäbe, mich zum Bleiben umzustimmen.

„Freundliche Grüße die Teamleiterin der Kundenrückgewinnung.“

Wow! Die lassen sich ja was einfallen. Ich drehte die Karte wieder um und las noch mal vorn.

  • Feuerwerk?
    „Mhm, eh nicht mehr erlaubt.“
  • Paris-Urlaub?
    „Kenn‘ ich schon.“
  • Ehering?
    „Hab‘ ich schon.“

„Wir sind zu fast allem bereit, um Sie zurückzugewinnen.“

Ach ja? Wie wäre es mit stabilem Netz?

63) Service-Dialog

Handwerkerleistungen sind häufig ein besonderes Erlebnis. Ich meine heute nicht die Umsetzung an sich, sondern eher die Anbahnung dieser „Service Experience“.

Ein aktuelles Beispiel:

Das Schlafzimmerfenster klemmt, ich kriege es nicht mehr auf, weder voll noch kipp. Doof irgendwie.

07.06.2020: Ich schreibe die Hausverwaltung an und schildere mein Problem.

08.06.2020: Verwaltung antwortet, Firma „Fenstermann“ (Name geändert) wurde beauftragt, man wird sich telefonisch melden.

10.06.2020: Ich frage bei der Verwaltung, ob sie denn noch einmal nachhaken könnten, denn bei mir hat sich noch niemand gemeldet.

11.06.2020: Verwaltung antwortet, … in Anbetracht der aktuellen Situation … usw… Corona … bla bla. Mir kommen die Tränen. Der Auftrag sei am 08.06.2020 erteilt worden, für die Bearbeitung rechne man aktuell mit 7 Arbeitstagen.

16.06.2020: Ich schreibe der Verwaltung, heuchle Verständnis für die Situation und wünsche mir, dass doch wenigstens jemand anrufen würde. Das muss doch auch in Corona-Zeiten gehen.

17.06.2020: Verwaltung antwortet, ich solle die Firma selbst unter 12345678/12345 anrufen. Wo ist das denn? WENN Vorwahl < Anschluß DANN Ort = Klein.

19.06.2020: Ich rufe dort an und bin besonders freundlich, Handwerker brauchen Streichel-Einheiten.

Sie: „Tischlerei Fenstermann, Guten Tag.“
Ich: „Guten Tag, mein Name ist Sowieso aus Berlin, sie müssten einen Auftrag von Verwaltung ABC haben und ich würde gern einen Termin dazu vereinbaren.“
Sie: „Moment, ich stell‘ sie zum Chef durch. Wie war noch gleich ihr Name?“
Ich: „Mein Name ist Sowieso.“
Es: „Knack. Tut. Raschel“
Er: „Ja, bitte.“
Ich: „Guten Tag, mein Name ist Sowieso aus Berlin, sie müssten einen Auftrag von Verwaltung ABC haben und ich würde gern einen Termin dazu vereinbaren.“
Er: „Wo?“
Ich: „Wie … Wo“?
Er: „Na, wo isses?“
Ich: „Ähm … meinen sie jetzt das Fenster oder meine Wohnung. Na, Berlin.“
Er: „Na Berlin, is‘n bisschen größer, da müssen ´se mir schon sagen wohin, sonst könn‘ wir nich‘ helfen.“
Ich: „Ist mir schon klar. Es ist in Berlin, Pipapo-Straße 123.“ Mir wird der Kragen eng.
Er: „Is‘ hier.“
Ich: „Was ist da?“
Er: „Na der Auftrag.“
Ich: Oh, schön und wie gehts jetzt weiter?
Er: „Nächste Woche.“
Ich: „Entschuldigung, heißt das, nächste Woche kommt jemand vorbei oder ruft jemand an?“
Er: „Der Auftrag wurde mit anderen Aufträgen an einen Mitarbeiter übergeben, der meldet sich.“
Ich: „Aha“. Die Frage, ob ich mir derweil ein Sauerstoff-Gerät ausleihen soll, verkneife ich mir.

Also warte ich, bis sich jemand nächste Woche meldet und dann die 120 Kilometer nach Berlin fährt. Für ein Fenster.

Warum nur beschleicht mich das Gefühl, dass das noch nicht das Ende der Geschichte ist…

61) Handwerk Analog

Wenn man in Deutschland von Digitalisierung spricht, geht es häufig um die Infrastruktur. Fehlende Highspeed-Leitungen, Funk-Antennen und ähnliches. Man hört von Mittelständlern auf dem Lande, die einmal am Tag zu irgendeinem Hotspot fahren, nur um die elektronische Post zu erledigen. Gruselig.

Das wird sich irgendwann ändern.
ABER: Hardware, Kabel und Highspeed ist das eine. Worum es mir hier heute geht, ist die Digital-Kultur, besonders in der Dienstleistung, noch spezieller im Handwerk.

Versucht mal, in Berlin einen Handwerker per e-mail zu erreichen. Warum per e-mail? Na weil ich tagsüber schlecht telefonieren kann. Weil ich am Freitagnachmittag nicht vor verschlossenen Türen stehen will. Weil Handwerksfirmen ihre e-mail-Adresse auf deren Homepages und Autos schreiben. Darum.

  • Im September habe ich einen Polsterer angeschrieben, mein Problem geschildert und Fotos beigefügt. Ich habe nur um ein Statement gebeten, ob er ein solche Reparatur übernimmt, bevor ich samt Möbelstück zu ihm fahre. Bis heute, Januar, nichts gehört.
  • Im November dann eine e-mail an eine Gas-Wasser-Heizungs-Firma. Wieder mit Problembeschreibung und Fotos. Tagelang hat niemand reagiert. Daraufhin rief ich dann an und bekam eine typisch Berliner Antwort: „Watt, per e-mail? Also dafüa ham‘wa keene Zeit“. Na danke auch.
  • Vor ein paar Tagen wieder per e-mail an eine Schlosserei. Keine Antwort. Nach Tagen ging ich dann vorbei und verwies auf meine e-mail. Nichts. Nicht mal ein, „Oh, tut mir Leid, ist irgendwie untergegangen“, oder so. Anschließend war ich an diesem Tag dreimal dort, um irgendwelche Maße und Fotos vorbeizubringen. Das war die längste Mittagspause der letzten Monate. Immerhin etwas.

Vielleicht habe ich einfach nur Pech gehabt und woanders läuft das besser. Tut es das? Es braucht mehr als nur Antennen und Netze! Es braucht eine grundlegende Digital-Kompetenz (… und ich rede aktuell ja nur von e-mail …).

Zusätzlich braucht es eine digitale Service-Attitüde und dazu gehört mehr, als sich bei t-online eine Mail-Adresse zu besorgen und eine billige Homepage aufschwatzen zu lassen.

Beim Schreiben des Beitrags, bin ich auf folgende Website gestoßen:
https://www.handwerkdigital.de

Dort thematisiert man die Digitalisierung um Handwerk.

Ein Auszug:

„… Das analoge Geschäftsmodell, hier der Verkauf und Verlegung von Fliesen und Designböden sowie der Verkauf und die Montage von Kachel- und Kaminöfen, soll mit den Möglichkeiten der digitalen Welt verknüpft werden. Beratung, Verkauf aber auch Auftragsbearbeitung und -umsetzung werden über den Einsatz von Virtual-Reality-Technologien (VR) erleichtert und verbessert, indem neue, digitale Präsentations- und Kommunikationsmöglichkeiten für den Kunden entstehen. Ein wesentliches Projektziel ist die Erweiterung der bestehenden Kundenbasis sowie die Erschließung neuer Zielgruppen, z.B. sehr technikaffine Menschen wie „Digital Natives“. Für die Auftragsbearbeitung und -umsetzung werden über eine weitestgehend medienbruchfreie Gestaltung der Prozesse ein Effizienzgewinn und eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit angestrebt…“

Na denn strebt mal! Aber vielleicht fangt ihr erst einmal damit an, eure e-mails zu lesen?