Die dritte Woche im Family-Home-Office ist überstanden. Keiner hat die Koffer gepackt und ist ausgezogen, keiner wurde vor die Tür gesetzt. Gut so. Es ist Samstag-Nachmittag. Ich habe etwas Zeit, um ein paar Gedanken aus der vergangenen Woche loszuwerden.
Netz: Da ich auch schon vor Corona meistens zu Hause gearbeitet habe, hat sich für meine Arbeit nicht viel verändert. Einziger Unterschied ist nun, das jetzt vier Leute Zugang zum Netz brauchen. Das brachte DSL-Modem und Router zum Ende der Woche an den Rand eines Kreislauf-Kollapses, beide mussten wiederholt reanimiert werden. Sie leben wieder. Ich mag mir nicht vorstellen, wie das dieser Tage ohne Netz gehen sollte.
Last: Eigentlich bin ja froh, zu Hause arbeiten zu können. Das stiftet Sinn und sorgt für Ablenkung. Ohne Arbeit zu Hause herumsitzen zu müssen, wäre für mich der Horror. Leider ist im Job überhaupt keine Verlangsamung zu spüren. Ganz im Gegenteil. Das Geschäft brummt und die Überstunden stapeln sich. Hinzu kommen nun neue Neben-Jobs für uns. Lehramt, Putzamt und Beschaffungsamt. Aber ich will nicht klagen. Menschen die aktuell in volle Kurzarbeit geschickt werden, haben auf einmal Freizeit, die sie eigentlich gar nicht wollten und dafür bezahlen sie auch noch mit Verdienstausfällen.
Luft: Der Sohnemann sagte neulich beim Verlassen der Höhle, dass es nach „Bauernhof“ rieche. Und da hatte er recht. Mehrmals ist mir dieser Tage die frische Landluft aufgefallen, die durch den Prenzlauer Berg weht. Sind es die reduzierten Abgase, Landwinde von Norden oder holt sich die Natur bereits die Stadt zurück? Sieht’s bei uns bald aus wie in Angkor Wat? Wachsen bald gigantische Wurzeln durchs Wohnzimmer?
Damals: Heute bin ich mal über die Konto-und Visa-Karten-Bewegungen der letzten zwei Monate geflogen, nur um zu schauen, dass da alles seine Richtigkeit hat. Die Positionen lesen sich wie ein Buch aus fast vergessenen Zeiten. Unvorstellbar. Kino-Besuch, Burger-Restaurant in Bukarest, Bierchen am Flughafen München, Öl-Wechsel, Putz-Frau … lange her.
Grüße aus Berlin, und behaltet die Nerven
T.
Auch bei uns ist die Luft bedeutend besser geworden. In Jalandhar Nordindien können die Menschen plötzlich das Himalaya-Gebirge sehen, das über 200 Kilometer entfernt ist. Kaum die Ältesten können sich daran erinnern, dass dies jemals so war.
Wow. Danke Irène. Das ist doch wirklich krass oder? Das hätten die Menschen aus eigenem Antrieb selbst in 50 Jahren nicht geschafft. Nun treten die Effekte schon nach wenigen Wochen ein. Darüber wird man nach Corona diskutieren müssen.
Ja, es ist unglaublich. Aber leider nur vorübergehend! So schnell sich die Luft verbessert, so schnell wird sie leider auch wieder verschmutzt.
Aber Achtung: trotz aller Turbulenzen leben wir jetzt wir im „Ferienlager“ von den mitgebrachten Dingen und puffern Verluste über bedrucktes Papier, das man nicht mal essen kann; was passiert, wenn die Vorräte zur Neige gehen und kein Nachschub produziert wird, mag ich mir nicht ausmalen.
So schlimm die Luftverschmutzung ist, sie kommt aus unserer menschlichen Aktivität. Aber ohne Aktivität streiten wir uns eines Tages um den letzten von selbst gewachsenen Grashalm.