192) Atlas, wat das?

Ab und zu fällt mir mal mein Auto-Atlas in die Hände. Das stolze Werk steht im Seitenfach der Fahrertür und wartet dort auf den Fall der Fälle. „Atlas? Wat das?“ mögen die jungen Erdenbürger fragen. Ich versuche mich mal an einer Rezension

Features:

  • 2,1 kg, Hard Cover (scheiße schwer)
  • Farbdruck, 1.232 Seiten Papier (… ja Papier … wirklich)
  • 2 Lesebändchen (heute würde man wohl „Bookmarks“ oder „Favorites“ sagen)
  • „Touren-Planer auf CD-Rom für PC“ (das sind die komischen Scheiben, die eure Alten im Regal stehen haben)

Content:

  • Reisekarten, Durchfahrtspläne für Europa
  • Innenstadtpläne, Planungskarten
  • Entfernungstabellen, Hotel-und Restaurantverzeichnis
  • Verkehrsregel pro Land, KfZ-Kennzeichen
  • Erste Hilfe, Pannenhilfe, Fremdwörter
  • Ortsregister
  • PS: manchen Autobahnen fehlen noch

User Experience:

  • Entweder man arbeitet sich durch 70 Seiten Ortsregister oder man blättert „free style“ zum Ziel. Ihr wisst ja hoffentlich noch, Polen ist rechts von zu Hause, Frankreich ist links, Dänemark ist oben, Österreich unten. Von da kommt man dann ganz gut weiter.
  • Auf jeden Fall braucht man gute Augen, wenn man sein Reiseziel finden will. Und man kann nur hoffen, dass es nicht direkt im Knick zwischen zwei Seiten liegt. So wie „Oberi         lbach“ in Bayern oder „Frie         gen“ in Westfalen. Wenn dann noch Kekskrümel im Knick liegen, wird es fast unmöglich.
  • Zoomen funktioniert da noch nicht. Zumindest nicht mit den Fingern. Entweder man hält sich das Buch direkt vor die Nase oder man senkt den Kopf über das Buch, bis man Druckfarbe riechen kann.
  • Wischen und Swipen geht nur bedingt, man kann sich aber anhand von kleinen Zahlen an den Seitenrändern orientieren und „blättern“. Man sollte aber vorher Daumen und Zeigefinger in die eigene Viren-Gusche halten und ordentlich befeuchten.
  • Sprachsteuerung? Fehlanzeige. Auto-Korrektur, Auto-Updates und Auto-Backup gibt’s noch nicht, dafür aber eine Auto-Versicherung auf Seite 6 und eine Auto-Vermietung auf Seite 123
  • Siri, Alexa, Cortana … könnt ihr vergessen … nix da

Fun Factor:

  • Der/die/das Beifahrer_*-In mit dem Ding navigieren lassen und dann seinen/ihren/dessen Ansag_Innen vertrauen und folgen
  • Die Route halten, wenn er/sie/es dann doch bei 80km/h auf Dänemarks Landstraßen eingeschlafen ist
  • Nachtfahrten, wenn man die Abfahrt Genua gerade verpasst hat und die Fähre in 10 Minuten erreichen muss.

Und nun, was mache ich nun damit? Wegschmeißen? Anzünden? Ins Museum bringen?

Ach … ich glaube ich lege das Ding wieder ins Seitenfach der Fahrertür.
Nur für den Fall der Fälle

13 Kommentare zu „192) Atlas, wat das?

  1. Herrlich! 😂 Es wird bald unmöglich, unsere analogen Zeiten den Digital Natives auch nur annähernd erklären zu können. 🤦‍♀️
    Europa 2004/2005. Das war, als ich gerade erst frisch den Führerschein in der Tasche hatte und ‒ zum Glück für alle anderen Verkehrsteilnehmer ‒ nur die nähere Umgebung und nicht ganz Europa unsicher gemacht habe. Ich bin nie nach Karte gefahren, ganz zum Anfang auf Sicht, also den Verkehrsschildern vertrauend. Ich spreche hier bereits von Italien! Da ziehe ich heute noch den Hut vor mir selbst, aber als Anfänger ist man wohl unbefangener. 😅

    1. Danke. Tja, ich frag‘ mich dann auch oft, wie ich es dann „bis dahin“ geschafft habe. Und ich meistens selber gefahren bin, musste ich mir VOR DER ABFAHRT einen Plan machen. Die Route durchdenken und die wichtigsten Punkte auf einem Zettel notieren … unglaublich heute.

  2. Jedenfalls waren Autofahrten früher spannender. Wer Fernreisen unternahm, war mit einem Beifahrer oder noch besser einer Beifahrerin klar im Vorteil. Es war wie ein Game: Autobahnausfahrten finden. Kreuzungen finden. Landstraßen finden. Sowas eben, ich erinnere mich es war spannend. Und man hat nicht immer gewonnen. 😉

    1. Ja, absolut. Und man ist die Reise bewusster angegangen, musste sich vorher informieren, vielleicht ein paar Notizen machen und man wusste ja auch nicht was einen auf der Strecke so erwartet. Das ist heute alles anders.

  3. Das Teil kann hilfreich werden, falls das Funkloch mal zu groß ist.
    Ansonsten kann ich nur aus Sicht einer Wanderin was sagen. Ich kann mich noch mit Karte und Kompass (wahlweise Zeichen in der Natur) orientieren und finde das hin und wieder hilfreich, wenn der aus dem Internet heruntergeladene Track mal wieder durch wegloses Gebiet führen will… Und kann ja auch nicht schaden, mal einen Blick auf den Weg vor sich werfen, ehe man die Klippe herunterstürzt, nur weil der Track meint, dass da andere Leute auch schon langgegangen sind.

    1. Hast ja vollkommen Recht, wir haben nun zwar ein Recht auf Internet … aber das wird ja wohl noch eine Weile dauern. Daher kommt mein Atlas auch wieder ins Seitenfach

  4. Ich hab den „Brocken“ von 2000, liegt unterm Beifahrersitz. Kürzlich brauchte ich eine dauerhaft Karte vom Gebiet Ulm-Augsburg-Kempten-Ravensburg als Gesamtüberblick, aber eben auch mit etwas Details. Da hab ich mir tatsächlich die Seiten aus dem Autoatlas kopiert und zu einer Gesamtkarte zusammengeklebt. Sowas geht mit google-maps eben nicht. Immer wieder erstaunlich, welche Detailfülle und graphische/drucktechnische Perfektion in so einem Wälzer steckt.

    1. Ja, geht mir ähnlich. Bei einem detailreichen Überblick über eine große Fläche, sind die Dinger bislang unschlagbar. Behaltet deinen „Brocken“ mal unter dem Fahrersitz. Spätestens beim großen Blackout bist du froh drüber 😉

  5. Auch wenn antiquiert und belächelt kann das Teil heute noch hilfreich sein. Der Fall der Fälle: Bundesstraße im Norden gesperrt – Umleitung – Navi nervt und streikt dann – also Autoatlas raus und eine prima Alternative gefunden, viel kürzer und entspannter als die offizielle Umleitung. Liebe Eltern, zeigt auch Euren Kindern, wie man damit umgeht. Mein Sohn musste es auch lernen, auch wenn es 30 Jahre her ist, es schadet nicht.

    1. Vielen Dank fürs Lesen und für den Kommentar. Ja, wir sollten nicht versäumen, es der Jugend zu vermitteln. Sonst irren irgendwann lauter orientierungslose Jungfahrer über die Straßen …

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