72) Trümmer-Schule GESP

Heute soll es mal wieder um Schuhbindung … ähm … Schulbildung gehen.

Warum diese bekloppte Einleitung?

Weil Details halt große Wirkung haben. Und weil es eben nicht nur darauf ankommt ob, wie und was man lernt, sondern auch wo. In welchem Lernumfeld also. Entweder in langwierig sanierten Schulgebäuden der >Premiumklasse oder ein paar Meter weiter in zwei baufälligen Schulen, die kurz davor sind, in die „Luhansk-Klasse“ aufgenommen zu werden. Zu spitz formuliert? Mag sein. Mir egal.

Den Kindern in Luhansk werden die Schulen von russischen Raketen zerstört. Hier im Kiez sind es zum Glück keine Raketen. Hier sind es die Zeit und die Behörden, die zwei Schulen an den Grenzen der Betriebserlaubnis laufen lassen. Der einen Schule flogen bereits Teile des Daches weg, bei der anderen fallen Fenster aus den Wänden. Die Kids können durch Löcher in den Wänden in die Nachbarräume schauen. Wie praktisch, oder? In beiden Fällen gehen die Kids nicht mehr aufs Klo und „verkneifen“ sich ihre Geschäfte, bis sie wieder zu Hause sind. Selbst die Versicherungen ziehen sich schon zurück.

Was nun? Schulschließung, Home Schooling oder die Verteilung der Kids auf andere Schulen. Ha, ha, auf welche denn?

Mehr Hintergründe will ich hier gar nicht aufführen. Stattdessen verlinke ich zwei Artikel.

TAZ vom 13.09.2022

https://taz.de/Marode-Schulen-in-Berlin/!5877884/#:~:text=Das%20Gymnasium%20zwischen%20Velodrom%20und,aus%20den%2070er%20Jahren%20geplant

Berliner Morgenpost vom 20.09.2022

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article236476259/Schuldrama-in-Pankow-Tunnel-schuetzen-Kinder-vor-Truemmern.html

Die Formulierung „heruntergekommener DDR-Typenbau“ stößt mir da etwas sauer auf. In der DDR hat man wenigstens nicht jede Schule neu erfunden, sondern man konnte mit Standardbauten an vielen Orten in kurzer Zeit gleiche Schulen schaffen. Das war dann zwar wenig individuell, aber man sparte die Zeit und Kosten der Bauplanung. „Heruntergekommen“ ist der Bau nach nun mittlerweile 30(!) Jahren Wiedervereinigung. Und eigentlich kann ein Gebäude nicht von allein „herunterkommen“, es sei denn man „wirtschaftet es herunter“. Glückwunsch! Das ist bald kein Lernraum mehr, nicht mal Lärmraum, sondern wohl eher viel Leerraum.

Auch das oft gebrachte Argument „Rasant steigende Schülerzahlen durch Zuzug und Geburtenboom“ ist doch Blödsinn. Es kann doch nicht so schwer sein, aus Melderegister und Geburtenstatistik frühzeitig den Bedarf an Schulbildung zu erkennen und wenn man dann noch x Prozent für Gäste und Flüchtlinge draufrechnet, dann hat man die nötigen Schulplätze schwarz auf weiß. Das Pankow und Prenzlauer Berg „hipp“ sind, dass wusste man seit Ender der 90er Jahre. Das sind alles nur billige Ausreden und zeugt von Dille … Diele … Diletan … wie schreibt man das doch gleich … also Unfähigkeit.    

Na immerhin haben wir die Presse an unserer Seite.

Wie kann das so weit kommen? Woran liegt es?

  • An der Lage des Objekts? Daran, dass die Schule an der Grenze des Wahlkreise liegt. In der dritten Reihe, hinten an der S-Bahn, von der großen Straße nicht sichtbar, von Bäumen verdeckt?
  • Am Budget? Fehlt da schlichtweg Geld? Kann ich mir nicht vorstellen. Das Bauprojekt war ja budgetiert und terminiert. Und es wurden sogar schon Pläne und Skizzen an die Eltern zur Mitbestimmung verteilt.
  • An den Prioritäten? Wohl eher. Für das Technische Finanzamt wird nebenan ein 12-geschossiges DDR-Sportlerheim saniert. Seit zwei Jahren nun „schon“ bauen sie da. Ein paar Meter weiter wurde der Bau eine Hotels genehmigt. Mitten im Wohngebiet! Ich habe gehört, dass die Finanzierung genauso wackelt, wie die Schule des Kindes. Na wunderbar. Ich sehe schon die nächste Bauruine entstehen. Vielleicht kann man dann aus dem Rohbau wenigstens später noch eine Schule machen.
  • Am fehlenden Willen? Nee, Berlin hat ja Willen. Die Stadt kann in Windeseile >grüne Fahrradwege auf die Straße malen oder >rote Baken draufnageln, kann >Container-Dörfer für geflüchtete Menschen schaffen und sogar eine Fortsetzung der 9-EUR-Ticket-Idee wurde „flott“ entschieden. Kita-Plätze kosten nichts, Schulessen wird auch finanziert. Respekt. Da ist Berlin echt Vorreiter. Kann man stolz drauf sein. Wirklich. Aber bei dieser Schule will man eben nicht doll genug, nun rutscht sie möglicherweise von der Liste und die Kids halt „irgendwo“ hin. Oder ab.

Tja, liebe Kinder, vielleicht macht ihr bald „Rail-Schooling“. Ihr setzt euch mit eurem Lehrer einfach in die  >57) Ringbahn und fahrt den ganzen Tag im Kreis. Da gibts zwar auch kein Klo, aber Fenster und Türen schließen immerhin, es ist halbwegs warm und es besteht wenigstens keine Lebensgefahr. Meistens zumindest.

Wir wünschen euch gute Fahrt auf dem weiteren Bildungsweg!
T.

Mehr Stoff zum Thema Schule von mir … gibt’s hier:

10 Kommentare zu „72) Trümmer-Schule GESP

  1. Guter Artikel zu einem wichtigen Thema. Wenn Bildung und Schulen vernachlässigt werden, können wir einpacken. Hey, Berlin, wo bleiben die Taten bei sonst so vielen Worten? Aber bestimmt steht Berlin nicht allein. Eltern und Lehrer müssen Druck machen. Danke dafür, dass Du die Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt hast!

  2. Ich glaube, ich fange lieber gar nicht erst an, etwas zu schreiben, sonst komme ich aus der ….-Tirade nicht wieder raus. Vielleicht sei eine sarkastische (!!!) Anmerkung aber doch erlaubt: Dann sind die Kids wenigstens gleich Kummer gewöhnt, wenn sie in die weiterführenden Bildungseinrichtungen – welcher Art auch immer – kommen. Da sieht es ja auch nicht besser aus.
    Euch wünsche ich von Herzen, dass Ihr es trotzdem irgendwie hin kriegt, Euren Kids gut Chancen mitzugeben.

  3. Bei uns in der ostwestfälischen Provinz ist es eine der Grundschulen unserer Stadt (die aus 15 Dörfern besteht).
    2017 haben die Eltern per Bürgerentscheid dafür gestimmt, dass die Schule bleibt, wo sie ist und saniert werden soll, weil das Dorf um seinen Mittelpunkt fürchtet. Obwohl die meisten SchülerInnen aus dem Nachbardorf kommen.
    Seit diesem Frühjahr(!) ist klar, dass der Platz dort aber vorne wie hinten nicht ausreicht, vor allem, da es sich um eine Inklusionsschule handelt und demnächst alle Kinder Anspruch auf Nachmittagsbetreuung haben.
    Seit August ist die Schule vierzügig und daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Trotz Containern auf dem Schulhof wissen sie nicht, wohin mit den vielen Kindern.
    Jetzt soll neu gebaut werden, im Nachbarort, wohin die Schule trotz eines leerstehenden Schulgebäudes nicht umziehen sollte (natürlich hätte auch dort erstmal saniert werden müssen, aber damals wäre das noch ohne Zeitdruck möglich gewesen). In diesem Gebäude ist aber inzwischen die städtische Flüchtlingsunterkunft.
    Geplant wird jetzt, einen Acker zu bebauen, und zwar so ziemlich das beste Ackerland weit und breit🙄.
    Ironie am Rande: Neuerdings lautet ein Slogan unserer Stadt: „Porta Westfalica versiegelt keine Flächen“.
    Kannste dir nicht ausdenken. Bildungsrepublik Deutschland? Wohl eher Einbildungsrepublik.

    1. Oh je, danke für die Impression von „woanders“. Interessant finde ich dann immer, wie gern „wir“ von unser Perfektion, Ingenieurskunst und Pünktlich schwärmen ..

      Sollte DE den Mund mal nicht so weit aufreißen

  4. Die Kinder sitzten doch im Winter sowieso wieder bei offenem Fenster rum. Da kann man an den Fenstern doch schon was einsparen. Oder Festzelt, Bierbänke & Dixies gemieten. Ist bestimmt preiswerter, als eine Sanierung.

    1. Ich schlage es mal der Arbeitsgruppe vor 😉
      Wenn das Risiko besteht, dass die Kids vom Fenster erschlagen werden, dann am besten proaktiv und weiträumig entfernen.
      Fenster werden ja generell überbewertet

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