717) Neunundvierzig

Neunundvierzig ist er jetzt, doch in technischen Fragen weiß sein Vater einfach immer noch besser Bescheid. So kündigt sich der Sohn bei dem rüstigen Rentner an, nicht für lang, nur auf einen Kaffee. Er wird um die späte Mittagszeit eh an dem Viertel vorbeifahren, da lässt sich das gut verbinden. Außerdem nagt ein Gespräch mit einem Schulfreund an ihm. Dessen Vater gibt keine Ratschläge mehr, denn der liegt seit letztem Jahr unter der Erde.

Der Sohn fährt am Haus vor, parkt das Auto und ruft den Vater per Telefon an. Das hat er sich so angewöhnt, weil die Hunde immer einen Riesenrabatz machten, wenn jemand an der Tür stand und klingelte. Der Vater öffnet die Haustür und kommt zum Gartentor. Sie umarmen sich, und gehen gemeinsam ins Haus. Zwei Hundedamen zeigen sich erfreut, sie bellen und jaulen nicht. „Ach ja“ … so fällt es ihm ein, die beiden Rüden sind ja nun im Hundehimmel.

Vater und Sohn tauschen Neuigkeiten aus. Was liegt an? Wie läuft die Arbeit? Was machen die Kinder? Sie sprechen auch über den Großvater, der vor ein paar Tagen Geburtstag gefeiert hätte. Über hundert Jahre wäre er doch sicher schon, oder? Der Vater beschreibt eine Rechnung, die ihn in den letzten Tagen beschäftigt hat. Vor 24 Jahren ist der Großvater gestorben, wenn er nun diese 24 Jahre von seinem eigenen Alter abziehe, dann berühren sich ihre Zahlen für einen kurzen Moment bei neunundvierzig.

699) Immer schön langsam bitte

Man braucht gar nicht in seinen Personalausweis zu schauen, um festzustellen, dass man älter wird. Spätestens wenn man vor dem Geburtstagsautomaten steht und sieht, wie die Walze des Lebens die 4 langsam nach unten rollen lässt, während von oben schon die 5 ins Sichtfeld schiebt, merkt man es auch so.

Rammelt man sich die Knochen, bleiben die blauen Flecke ewig,
Überhaupt scheint man häufiger beim Arzt zu sitzen,
Eine Brille darf was kosten, aber so richtig gut wird es nicht.

Man kann den ganzen Tag ohne Musik auskommen,
Rasenmähen entwickelt sich zum Meditationsprogramm,
Und es soll bloß keiner ungefragt anrufen. No go!

Es ist ein Stück Arbeit, die Spät-Nachrichten zu erreichen,
Am Wochenende ist man schon im 07:00 Uhr wach,
Und schreibt einen Aufgabenzettel für den Tag.

Im Badschrank finden sich immer mehr Dinge,
Den Duschvorleger schiebt man an die richtige Stelle,
Auch mehrfach, wenn es nötig ist und es ist nötig.

Man passt auf, wo man den Schlüssel hinlegt,
Wenn das Handy weg ist, ruft man sich selber an,
Und „Er“ beschriftet Ladestecker mit „PAPA!“.

Sachverhalte erklärt man gern und ungefragt,
Auch ausführlich, auch zweimal,
Zur Freude der Jüngeren, die mögen das.

Und wenn man nach Jahren im Teams-Meeting,
einem alten Kollegen begegnet, der einen im
feinsten Germanen-Englisch begrüßt mit:

„Oh … you look older!

Dann würde ich mal sagen …

„Thank you for the flowers.“ …

oder sinngemäß.

PS1: ich bitte von Glückwünschen oder Beileidsbekundungen abzusehen, es ist noch ein paar Monate hin.

PS2: Titelbild von ChatGPT, eine verstreichende 49 kriegt die schlaue KI noch nicht hin, kein Wunder.

437) Abschied

Wie verabschiedet man sich von einem Menschen?

„Blöde Frage, ist doch ganz einfach,
Auf Wiedersehen
Mach’s gut.
Bis bald.
Tschö mit Ö
Tschüssikowski, Bissidanski
See you later Aligator“

Nein, ich meine ernsthafter und konsequenter.
So, wenn man davon ausgeht, dass man sich nicht wiedersieht.
Ein Abschied für immer halt.

„Kriegt man doch hin, easy Mann,
War eine schöne Zeit.
Ich wünsch dir alles Gute.
Werde dich nie vergessen
Du weißt, wo du mich findest
Wenn alle Stricke reissen…“

Nein, nein, dass lässt immer noch auf ein Wiedersehen hoffen.
Ich meine für immer. Wirklich. Ohne Zweifel.

Mit absoluter Sicherheit …
wenn man nicht ans Paradies glaubt …
und wenn der Pflegedienst sagt: 

„Wenn sich noch jemand verabschieden will, dann besser bald“.

Keine Antwort

421) Kommunikation

Was wurde über Kommunikation nicht alles schon gesagt und geschrieben wurde. Im Großen, wie im Kleinen. „Wer redet, schießt nicht“ oder „Man müsse im Dialog bleiben“ hört man ja gern auf der Weltbühne. Im familiären Kreis ist das auch nicht gerade einfach.

Da redet man gern aneinander vorbei, der eine meint eigentlich das, der andere versteht aber dies und im schlimmsten Fall wird gar nicht mehr kommuniziert und es herrscht eisige Funkstille. 

Keine Sorge, das wird hier keine Therapieeinheit heute 😉

Heute gehts mir um Kommunikation, die scheitert, weil die Kommunikationskanäle nicht mehr kompatibel sind.

Es geht um meine >kleine Omma. Wer hier schon länger folgt, hat vielleicht schon von ihr gelesen. Kleine Omma‘s gibt es ja viele, aber meine, die ist zudem auch noch steinalt. Dass die Corona-Zeit mit reduzierten Besuchsmöglichkeiten nicht gerade förderlich für die Pflege der Beziehung war, kann sich jeder denken. Aber auch andere Form von Kommunikation war und ist sehr schwierig.

Sie kann uns einfach anrufen, wir sind auf einem Speicherplatz programmiert,
Das, was ich dann aber sage, kann sie nicht verstehen, weil ihre Ohren nachlassen.

Sie hat zwar teure Hörgeräte, aber die wurden von schlauen Designern so miniaturisiert,
dass die Omma die nicht allein in ihre Ohren kriegt.

Eigentlich ist das auch Aufgabe des Pflegepersonals, natürlich,
Aber die haben bekanntermaßen auch andere Sachen zu tun.

Video-Telefonie wäre großartig, Skype, Zoom, irgendwas,
hat sie aber nicht und die Pfleger haben … siehe oben.

SMS, Chat … irgendein Kanal, um wenigsten kurze Nachrichten abzusetzen,
hat sie auch nicht und die Pfleger haben … ich wiederhole mich.

Daher schreibe ich Briefe, um von unserem Leben zu berichten,
Die kann sie aber nicht beantworten, weil die Finger völlig krumm sind.

Ich kann sie anrufen, nach mehrmaligem Klingeln nimmt sie dann auch ab,
Versteht aber meinen Namen nicht. „Wer ist da bitte?“, „Halloooo?“

Und dann stelle ich mich in Abstellkammer oder Bad, schließe die Tür und brülle ins Telefon.
ICH BIN ÄÄÄÄÄS. DER SO-UND-SOOOOOOOOOO.
ICH KOMME MORGEN VORBEI … UUUM ÖÖÖÖÖÖÖLF. MORGÄÄÄÄÄÄÄÄNS.
SAAAAAAAAAMSTAAAAG.

Nach 5 Minuten Brüllen, weiß nun die ganze Straße von meinem Vorhaben, aber zum Schluss, da höre ich ein Glänzen in ihren Augen. Sie hat‘s verstanden. Freude an beiden Enden der Leitung.

Meine Güte, unsere Welt ist voller Technologie, aber die passt einfach nicht zusammen. Das sind zwei völlig verschiedene Kommunikationsuniversen. Ich könnte Briefe schreiben und sie könnte mir auf den Anrufbeantworter antworten. Das würde gehen. Aber mach’ ihr das mal klar. Da komme ich mir vor wie Mark Watney auf dem Mars. 

Ich könnte zum Nachrichtensprecher oder Volksmusikanten umschulen und dann regelmäßig zu ihr sprechen, singen und winken. In Lautstärke 100, durchs Plastikgehäuse der Flimmerkiste. Aber selbst dann, würde ich sie ja nicht hören. Auch doof.

Also Leute, redet miteinander solange es nur geht.

Eigene Nase.
Anfassen.
Natürlich.
Auch.

Schönes Wochenende
T.

415) Tausende Jahre leben ?

Ich würde lügen wenn ich behaupten würde, dass ich nicht ab und zu übers Altern nachdenken würde. Ehrlich gesagt, nimmt es sogar zu. In den späten 1990-er, frühen 2000-er Jahren war mir das noch herzlich egal. Da musste ich eher zusehen,

von den älteren und erfahrenen Kollegen ernst genommen zu werden. Denn ich war ja der Grünschnabel und zusätzlich auch noch grün hinter der Ohren.

Irgendwann habe ich bemerkt, dass Profi-Fußballer jünger wurden, aber auch das konnte ich ja locker akzeptieren, verlangt der Sport doch eine ganze andere Kondition, als der Job eines Schreibtischtäters und Tasten-Clown. Mittlerweile muss ich einsehen, dass sogar Spitzenpolitiker jünger sind. Nun bin ich auch „der älteste“ bei uns im Team, viele Mitstreiter rangieren noch deutlich unter 30. Neulich musste ich einer jungen Kollegen was erklären und holte dabei „etwas“ aus, worauf sie bestätigte, zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren worden zu sein. Na Danke auch. 

Passend zu diesem Gedankensalat, wurde mir neulich folgendes Wahlplakat zugespielt. Tausende Jahre leben? Echt? Will ich das? Sicher nicht. Ich will nicht unangekündigt aus den Latschen kippen, das wäre mir dann doch etwas zu spontan. Ich will es aber auch nicht schon Jahre vorher wissen. Eine überschaubare Frist mit deutlicher Vorwarnung wäre aber schon nett. Dann würde ich es noch mal so richtig krachen lassen.

Aber sicher will ich nicht tausende Jahre leben. Um Himmels Willen. Wenn schon hundertjährige eine gewissen „Sättigung“ verspüren, was soll ich denn tausende Jahre auf dem Planeten machen? Gerade jetzt, wo es ja hier immer ungemütlicher und voller wird, denn je. Nee, danke.

Und jetzt nur mal angenommen, diese Partei würde wirklich die Bundesregierung stellen und die Mehrheit im Parlament haben. 

Wie würde dann deren Regierungshandeln aussehen? 
Mit der Bazooka gegen Knochenschwund?
Ein Sondervermögen für Gentechnik?
Mit Erneuerbaren zu vollen Haaren?
Reduzierung seniler Energieträger?
Zeitenwende für schöne Hände?
Der Wumms gegen Mumps?

Ich will es mir nicht vorstellen.

Lieben Dank an J. fürs Foto … das nächste Mal bitte im Querformat … auch wenn es auszusterben scheint 😉

325) 102 Jahre

Laut Datenkrake sind ca. 20.000 Menschen in Deutschland über 100 Jahre alt, Tendenz steigend. Meine Großmutter gehört mit zu diesem betagtem Kreis, ihr geht es soweit gut, sie liest in Zeitungen und reizt das technische Limit der TV-Lautsprecher aus.

Sie selber weiß von diesem Blog hier, auch wenn sie sich kaum vorstellen kann, wie das alles so abläuft. Aber sie hat einen Eindruck davon, um was es hier geht, denn alle paar Monate drucke ich einen dicken Stapel Beiträge aus. Vor mir liegt nun wieder ein Haufen mit den Werken, die seit Weihnachten erschienen sind.

Sie weiß ja von diesem „Internet“ recht wenig, denn als ..

  • das Netz Mitte der 90er Jahre für uns alle zugänglich wurde, war sie mit Anfang 70 schon lange in Rente.
  • wir erst „neulich“ das Millennium feierten, ging sie bereits auf die 80 zu und war damit vermutlich älter als ihr Leser da draußen.
  • die ersten iPhone-Modelle in der Breite ankamen, hatte sie schon im Seniorenheim eingecheckt und staunte nur, wie wir mit den Fingern über die Geräte wischten.

Kurzer Rückblick:

Im Sommer 2020, während der ersten Corona-Welle, ging sie auf ihren 100. Geburtstag zu. Es wurde klar, dass wir diesen Tag nur auf sehr eigenartige Weise begehen konnten. Sie würde hinter den Fensterscheiben des Speisesaals sitzen, wir dürften uns draußen im Garten des Altersheims aufhalten. Physischer Kontakt ausgeschlossen. Sicherheitshalber sollten wir auch im Garten eine Maske tragen, selbst eine Kommunikation über Mimik war damit nur eingeschränkt möglich.

Im Vorfeld des 100. Geburtstags hatte ich zwei Beiträge geschrieben. Es ging darum, was so ein Menschenleben alles erleben kann, um dann zum Lebensabend noch in eine Pandemie zu rauschen und einsam im Heim zu hocken. Die Leser, die schon länger folgen, werden sich vielleicht noch daran erinnern.

Heute möchte ich sie noch einmal veröffentlichen, denn erstens gibt es ja auch neue Follower hier und zweitens … tja wer weiß … vielleicht hat sie sich ja mittlerweile doch noch ein Smart Phone besorgt und liest damit heimlich unter der Bettdecke 😉

Guten Morgen und Alles Gute, kleine Omma!

115) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 1

Stell dir vor, du wirst im Juni 1920 geboren Der 1. Weltkrieg ist vorbei, es gab eine Revolution, der Kaiser dankte ab und eine Republik wurde ausgerufen. Die Welt zählt circa 1,6 Milliarden Menschen. Herzlich Willkommen auf diesem Planeten kleines Mädchen! Stell dir vor, du wirst im Juni 1925 fünf Jahre alt Kriegsgeschädigte bestimmten das Bild der letzten Jahre, Hungersnot und Bettlerei. Epidemien zogen übers Land und die Währung wurde…

116) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 2

<— Teil 1 Stell dir vor, du wirst im Juni 1970 fünfzig Jahre alt In Vietnam herrscht immer noch Krieg, ein Mann betrat den Mond, Studenten-Proteste im Westen, im Osten führte man die Mark der DDR ein. Deine Kinder sind nun erwachsen und gehen ihre eigenen Wege. Stell dir vor, du wirst im Juni 1975 fünfundfünfzig Jahre alt. Die RAF sorgt für Terror, bei Olympia in München nehmen Palästinenser israelische Sportler…

321) Last song

Ich hatte ein paar Textfragmente notiert, die sind mir in den Sinn gekommen, als ich vor ein paar Wochen auf der großen Video-Plattform unterwegs war. Da gab Phil Collins das Ende von Genesis bekannt. Im Stuhl auf der Bühne sitzend, in sich zusammengefallen. Ohne Haare und mit Brille wirkte er wie Gandhi, zerbrechlich, am Ende angekommen. Ein trauriger Anblick, dieses trommelnde Energie-Paket. Alles Gute Phil.

Nun war ich früher nun nicht der Mega-Genesis/Collins-Fan aber als Kind der 80-er, kenne ich natürlich die Musik und einige Titel packen mich auch. Der Video-Algorithmus brachte mich dann irgendwann zu Elton John, Billy Joel, Bruce Springsteen und anderen Kollegen der gleichen Altersklasse. Da geht etwas zu Ende scheint es mir, die Herren werden sich bald von der Bühne verabschieden. Aber das ist ja auch logisch, sind sie doch alle deutlich älter als ich und waren für meinen späteren Musik-Konsum zwar gern gehört, aber nicht so ausschlaggebend.

Also wühlte ich weiter. Was machen eigentlich die Stars aus meiner Jugend? Gibt es Live-Videos von A-ha, Erasure, Jimmy Sommerville, Pet Shop Boys, Camouflage? Treten Duran Duran noch auf, was machen The Cure, Tears for Fears, Police, U2, R.E.M. und so? Viele sind noch auf der Bühne zu sehen, aber nun ja. Wie soll ich …  es ist … nun … anders, will ich mal respektvoll sagen.

Aber da dachte ich mir, meine Güte, jetzt lass die mal alle um die 60 sein, das ist ja auch kein Alter heutzutage, da können die ja ruhig noch ein bisschen was produzieren und auch auf Tournee gehen.

Tja, und ein paar Wochen später wurde Andrew Fletcher von Depeche Mode mit 60 Jahren in die ewigen Synthesizer-Jagdgründe gerufen und konnte sich nicht mal „live on stage“ verabschieden. Was für eine Scheisse!

Anscheinend muss ich mich nun auch daran gewöhnen, dass es häufiger mal heißt:

„This is our last song.“

Schöne Pfingsten, macht was draus!
T.

Das erste Mal, dass ich hier ein Video verlinke…

245) Das Jahr 2050 – Teil 1

Derzeit sitzen Regierungsvertreter in Glasgow zusammen und diskutieren Maßnahmen zur Einhaltung der bereits vereinbarten Klima-Ziele. Na mal sehen, was dabei rauskommt. Da ich beim Corona-Krisenmanagement aktuell noch keinen entschlossenen Willen erkennen kann, beschäftige ich mich derweil mal mit dem eigentlichen Brett, dass wir bohren müssten.

Nachdem Annuschka im Sommer mehrfach auf das Buch „Mensch, Erde!“ (Eckart von Hirschauen) eingegangen ist, hatte ich mir das dann auch beschafft und dann lag es erst einmal ein wenig herum. Es ist ja mit 500 Seiten auch ein ganz schöner Brummer und ich hatte noch ein anderes Buch zu beenden. Außerdem rennt das Klima ja auch nicht weg … dachte ich. 

Aber nun habe ich die ersten 100 Seiten gelesen, es liest sich locker und unterhaltsam, bringt aber all die gebotene Ernsthaftigkeit mit. 

Recht früh verweist das Buch auf die Website https://population.io die ich euch gern mal empfehlen möchte. Mit wenigen Klicks zeigt sie zum einen recht drastisch, wie schnell die Weltbevölkerung wächst und zum anderen, welche statistische Lebenserwartung man selber so hat. Demzufolge ist mein physisches Ende so circa. 2061 erreicht, wenn es keine Überraschungen gibt. Damit ist nun die „Hälfte rum“, oder positiv gesagt, dass Glas immer noch halbvoll. Na großartig. Kurzzeitig zumindest.

Aber da ich ja das schwere Buch beim Joggen schlecht mitnehmen kann, habe ich heute parallel mit der Hörfassung von „Deutschland 2050“ (Nick Reimer / Toralf Staud) begonnen (auch über Annuschka bei mir angekommen, DANKE). In den ersten Minuten dachte ich noch, es läuft auf einen dystopischen Öko-Thriller hinaus, aber dann wurde mir schnell klar, dass das Realität wird.

Die ersten drei Kapitel drehten sich um zunehmende Hitze & Trockenheit, dem vermehrten Aufkommen von Viren & Bakterien und der gravierenden Veränderung von Flora & Fauna. Nicht in Bangladesh, nee hier … bei uns … „Umme Ecke“ sozusagen.

Manchmal sagt man ja so salopp, dass „betreffe einen eh alles nicht mehr“ und dann „wäre man ja schon unter der Erde“.

  • Erstens, ist das natürlich sehr egoistisch betrachtet und hilft unseren Kids überhaupt nicht weiter.
  • Zweitens, sollte man sich da mal nicht zu sicher sein. Das Buch prognostiziert zwar 2050, wenn aber schon allein die Hälfte der Effekte bis 2035 eintreten, na dann wünsche ich uns allen viel „Spaß“. 

Nehmt ihr nur alle den Südbalkon, ich nehme Nord!

Ich gebe dem Beitrag mal den Zusatz „Teil 1“, könnte mir gut vorstellen, dass ich mich dazu noch mal melde.

—> Das Jahr 2050 – Teil 2

116) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 2

<— Teil 1

Stell dir vor, du wirst im Juni 1970 fünfzig Jahre alt
In Vietnam herrscht immer noch Krieg, ein Mann betrat den Mond, Studenten-Proteste im Westen, im Osten führte man die Mark der DDR ein. Deine Kinder sind nun erwachsen und gehen ihre eigenen Wege.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1975 fünfundfünfzig Jahre alt.
Die RAF sorgt für Terror, bei Olympia in München nehmen Palästinenser israelische Sportler als Geiseln, die Bundesrepublik wurde wieder Fußballweltmeister. Deine ersten Enkel wurden geboren und machen ihre eigenen Schritte.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1980 sechzig Jahre alt
Die RAF wütete weiter, Prominente wie Biermann und Krug verließen die DDR, Elvis für immer die Bühne. Weitere Enkel erblickten das Licht der Welt, du bist mittlerweile mehrfache Großmutter und hast immer Gummibärchen in der Tasche.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1985 fünfundsechzig Jahre alt
Widerstand gegen Atomkraft treibt Menschen auf die Straße, im Westen entstand eine grüne Partei, DDR-Bürger flüchten über Deutsche Botschaften. Deine Enkel kamen in die Schule und entwickeln nun ihre eigenen Köpfe.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1990 siebzig Jahre alt
Wer hätte das geglaubt. Die Mauer ist offen. Menschen fielen sich in die Arme. Der Ostblock liegt wirtschaftlich am Boden. In wenigen Tagen wird es eine neue Währung geben, Deutschland hat gute Chancen auf einen erneuten Fußball-Weltmeister-Titel und in ein paar Wochen folgt dann die Wiedervereinigung.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1995 fünfundsiebzig Jahre alt
Die Sowjetunion fiel in sich zusammen, die EG wurde zur EU, auf dem Balkan herrscht schon wieder Krieg und man sprach wieder von ethnischen Säuberungen. Deine Enkel entdeckten den Computer, dein Mann die Malerei und Schreiberei.

Stell dir vor, du wirst im Juni 2000 achtzig Jahre alt
Es war gelungen, ein Schaaf zu klonen, Computer hielten überall Einzug und man befürchtete den Super-Gau, wenn das Datum zur Jahrtausendwende wieder auf 01.01.00 springt. Ein Ur-Enkel wurde geboren. Dein Mann war zunehmend verwirrt, wandelte nachts durch die Wohnung. Er lebt nun im Heim, keiner weiß wie lange noch.

Stell dir vor, du wirst im Juni 2005 fünfundachtzig Jahre alt
Wieder musstest du dein Geld umtauschen. Der Euro löste die D-Mark ab, eine Flutwelle tötet Tausende an den Küsten Südost-Asiens. Dein Mann war kurz nach deinem 80. Geburtstag verstorben, du bleibst allein in der Wohnung, so lang es eben noch geht.

Stell dir vor, du wirst im Juni 2010 neunzig Jahre alt
Ein Deutscher wurde Papst, ein Afro-Amerikaner US-Präsident, Deutschland erlebte ein Fußball-Sommermärchen. Weitere Ur-Enkel wurden geboren, die Familie wächst und du musst mit dem Gedanken umgehen, in ein Seniorenheim umzuziehen. Es geht nicht mehr allein.

Stell dir vor, du wirst im Juni 2015 fünfundneunzig Jahre alt 
Viele Naturkatastrophen gab es in den letzten Jahren, Deutschland schaltete Atomkraftwerke ab und wurde wieder Fußball-Weltmeister. Deine Tochter, mittlerweile selber in Rente und Großmutter, hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Keine Mutter sollte ihre Tochter überleben.

Stell dir vor, du wirst im Juni 2020 einhundert Jahre alt
Die Erde zählt knapp 8 Milliarden Bewohner. Menschen flüchten übers Mittelmeer nach Europa, das Klima spielt zunehmend verrückt, Brände, Dürren, Hochwasser. Kriege und Konflikte in Nahost. Alles scheint zu beben. Du sitzt im Rollstuhl, dein Gehör hat stark nachgelassen und die Gelenke an den Fingern machen auch nicht mehr so richtig mit. „Ach weißt du, mit mir ist nichts mehr los“, sagst du immer. Dann schlägst du deine Zeitung auf, schaltest den Fernseher laut an und machst dir ein Bild von dieser Welt. Kopf und Augen ganz wach. Einhundert Jahre später.

Und als hätte all das für ein Leben nicht schon gereicht, nun auch noch das
Ein Virus springt in China auf den Menschen über und hat sich wenig später bis in Deutsche Altersheime vorgearbeitet. Die Einwohner werden abgeschottet, keine Besuche erlaubt. Wochenlang.

Die ganze Familie will dich zum hundertsten Geburtstag besuchen. Darauf freust du dich schon seit Wochen. Das motiviert dich, gibt dir Kraft. Sie werden dann im Vorgarten stehen, dir winken, dir zuprosten. Du wirst drinnen im Speisesaal sitzen, zwischen euch die geschlossene Fensterfront.

Stell dir vor, du wirst 100.

115) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 1

Stell dir vor, du wirst im Juni 1920 geboren
Der 1. Weltkrieg ist vorbei, es gab eine Revolution, der Kaiser dankte ab und eine Republik wurde ausgerufen. Die Welt zählt circa 1,6 Milliarden Menschen. Herzlich Willkommen auf diesem Planeten kleines Mädchen!

Stell dir vor, du wirst im Juni 1925 fünf Jahre alt
Kriegsgeschädigte bestimmten das Bild der letzten Jahre, Hungersnot und Bettlerei. Epidemien zogen übers Land und die Währung wurde wertlos. Die Reichsmark wurde eingeführt und seit ein paar Monaten geht es wieder etwas bergauf.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1930 zehn Jahre alt
Die Wirtschaft brummt, Kultur, Kunst und Wissenschaft blühten. Man wird von den goldenen Zwanziger Jahren sprechen, auch wenn die leider nicht lange anhielten. Es krachte an der New Yorker Börse, die Weltwirtschaft rutschte in den Keller, die NSDAP gewann immer mehr an Zulauf. Braucht dich alles noch nicht zu kümmern, bist ja erst zehn Jahre alt.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1935 fünfzehn Jahre alt
Es gab eine Bankenkrise, der Reichstag wurde aufgelöst, Hitler zum Reichskanzler ernannt. Sie streben ein deutsches Reich an, schalteten Medien gleich und erließen Gesetze zur Judenverfolgung. Du bist eine junge Dame geworden, pass auch dich auf.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1940 zwanzig Jahre alt
Die Wehrmacht wurde gleichgeschaltet, Deutschland strebt in alle Richtungen. Einmarsch in Rheinland, Tschechoslowakei, Österreich und Polen. Ein junger Mann trat in dein Leben, stellte sich deinen Eltern vor und durfte mit dir tanzen gehen.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1945 fünfundzwanzig Jahre alt
Dein Liebster wurde `41 zu​r Marine eingezogen. Er sollte in den kalten Norden fahren und nur einmal pro Jahr nach Hause kommen. Ihr heiratet April `45, über euch die Flieger. Der Krieg ist erst seit ein paar Tagen beendet, das Land liegt in Schutt und Asche. Von deinem Mann gibt es keine Nachricht.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1950 dreißig Jahre alt
Dein Mann kam `46 nach Hause, er hat es überstanden. Zwei deutsche Staaten wurden gegründet, zwei neue Währungen eingeführt. Du hast gerade eine Tochter  geboren, es geht wieder aufwärts.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1955 fünfunddreißig Jahre alt
Beide deutsche Staaten bauten eine Ordnung auf, jeder für sich orientiert am Werte-und Wirtschaftssystem der jeweiligen Siegermächte. In der DDR rollten Panzer, die Bundesrepublik wurde Fußball-Weltmeister. Du hast einen Sohn geboren, ihr seid nun zu viert.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1960 vierzig Jahre alt
Die BRD und DDR festigen ihre politischen Systeme und entfernen sich immer mehr voneinander. Elvis wackelte mit der Hüfte und rockte die Bühnen, Rock’nRoll schwappt übern Teich. Deine Kinder gehen zur Schule und erleben eine schöne Kindheit.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1965 fünfundvierzig Jahre alt
Deutschland ist nun durch eine Mauer getrennt, die Supermächte rasseln mit den atomaren Säbeln. Die Beatles sorgen für Unruhe. Dein Mann arbeitet viel, du kümmertest dich um Haushalt und die Kinder.

Stell dir vor, du wirst im Juni 1970 fünfzig Jahre alt
—> Teil 2