Laut Datenkrake sind ca. 20.000 Menschen in Deutschland über 100 Jahre alt, Tendenz steigend. Meine Großmutter gehört mit zu diesem betagtem Kreis, ihr geht es soweit gut, sie liest in Zeitungen und reizt das technische Limit der TV-Lautsprecher aus.
Sie selber weiß von diesem Blog hier, auch wenn sie sich kaum vorstellen kann, wie das alles so abläuft. Aber sie hat einen Eindruck davon, um was es hier geht, denn alle paar Monate drucke ich einen dicken Stapel Beiträge aus. Vor mir liegt nun wieder ein Haufen mit den Werken, die seit Weihnachten erschienen sind.
Sie weiß ja von diesem „Internet“ recht wenig, denn als ..
- das Netz Mitte der 90er Jahre für uns alle zugänglich wurde, war sie mit Anfang 70 schon lange in Rente.
- wir erst „neulich“ das Millennium feierten, ging sie bereits auf die 80 zu und war damit vermutlich älter als ihr Leser da draußen.
- die ersten iPhone-Modelle in der Breite ankamen, hatte sie schon im Seniorenheim eingecheckt und staunte nur, wie wir mit den Fingern über die Geräte wischten.
Kurzer Rückblick:
Im Sommer 2020, während der ersten Corona-Welle, ging sie auf ihren 100. Geburtstag zu. Es wurde klar, dass wir diesen Tag nur auf sehr eigenartige Weise begehen konnten. Sie würde hinter den Fensterscheiben des Speisesaals sitzen, wir dürften uns draußen im Garten des Altersheim aufhalten. Physischer Kontakt ausgeschlossen. Sicherheitshalber sollten wir auch im Garten eine Maske tragen, selbst eine Kommunikation über Mimik war damit nur eingeschränkt möglich.
Im Vorfeld des 100. Geburtstags hatte ich zwei Beiträge geschrieben. Es ging darum, was so ein Menschenleben alles erleben kann, um dann zum Lebensabend noch in eine Pandemie zu rauschen und einsam im Heim zu hocken. Die Leser, die schon länger folgen, werden sich vielleicht noch daran erinnern.
Heute möchte ich sie noch einmal veröffentlichen, denn erstens gibt es ja auch neue Follower hier und zweitens … tja wer weiß … vielleicht hat sie sich ja mittlerweile doch noch ein Smart Phone besorgt und liest damit heimlich unter der Bettdecke 😉
Guten Morgen und Alles Gute, kleine Omma!
115) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 1
Stell dir vor, du wirst im Juni 1920 geboren Der 1. Weltkrieg ist vorbei, es gab eine Revolution, der Kaiser dankte ab und eine Republik wurde ausgerufen. Die Welt zählt circa 1,6 Milliarden Menschen. Herzlich Willkommen auf diesem Planeten kleines Mädchen! Stell dir vor, du wirst im Juni 1925 fünf Jahre alt Kriegsgeschädigte bestimmten das Bild der letzten Jahre, Hungersnot und Bettlerei. Epidemien zogen übers Land und die Währung wurde…
116) Stell dir vor, du wirst 100 – Teil 2
<— Teil 1 Stell dir vor, du wirst im Juni 1970 fünfzig Jahre alt In Vietnam herrscht immer noch Krieg, ein Mann betrat den Mond, Studenten-Proteste im Westen, im Osten führte man die Mark der DDR ein. Deine Kinder sind nun erwachsen und gehen ihre eigenen Wege. Stell dir vor, du wirst im Juni 1975 fünfundfünfzig Jahre alt. Die RAF sorgt für Terror, bei Olympia in München nehmen Palästinenser israelische Sportler…
Glückwunsch auch von mir! Was für eine Lebensspanne: Von der Weimarer Verfassung bis heute – toll. Na, an die Zeit vor dem Internet kann ich auch bestens erinnern (Fax und so), aber sogar an die Zeit als es noch kein Fernsehen oder eins mit nur einm Programm gab. Meine erste Live-Sendung (bei Nachbarn im Dorf) war die Trauerfeier für John F. Kennedy
Danke, werde ich ausrichten. Ja, 100 Jahre sind eine lange Zeit. Was würde man drüber schreiben, wenn man 100 A4-Seiten Platz hätte, was bei 10 Seiten, was bei einer Seite??
Glückwunsch an die Oma! Und danke für den beeindruckenden Abriss über ein so langes Leben. Vermutlich sieht man die heutige Aufregung etwas gelassener, wenn man das alles erlebt hat. Mein Oma sagte immer „Die Welt ist ein Narrenhaus!“
Ich konnte ihr nicht widersprechen.
Da hatte deine Oma sicher Recht, besonders wenn mal überlegt, über was wir uns heue bereits allein in einer Woche so echauffieren können.
Glückwunsch an die kleine Omma. Schon wirklich beeindruckend, was im Laufe ihres langen Lebens so alles passiert ist. Ich fand es als Kind immer faszinierend, wenn meine Omma vom Kaiser erzählte.
Danke Frau Momo. Ja, das fasziniert mich auch, weil ja auch die Veränderungszyklen heute so extrem kurz geworden sind. Gab’s früher auch so viele Veränderungen und wir nehmen unsere Zeit heute nur als extrem schnell war? War das schon immer so? Angenommen wir werden auch mal 100, haben wir dann gefühlte 300 Jahre erlebt?
Echt stark – und auch von mir herzliche Glückwünsche. Besonders toll finde ich, dass Du überhaupt in Erwägung ziehst, dass sie noch unter der Bettdecken Deinen Blog lesen könnte. Zeugt von noch ziemlich viel Vitalität 🙂
Leider habe ich dann aber auch die Anfänge der beiden alten Blogbeiträge gelesen und da konnte ich mich einer „Fortsetzung“ nicht erwehren: „Stell Dir vor, Du wirst im Juni 2022 geboren und es ist schon wieder Krieg in Europa.“ Wollen wir für uns alle und auch für Dein Oma hoffen, dass er bald vorbei ist.
Und ich hoffe, Ihr könnt/konntet diesmal ein bisschen angemessener feiern als vor 2 Jahren.
Oh Mensch, Belana Hermine, habe heute festgestellt, dass wohl einige Kommentare aus dem Sommer steckengeblieben sind. Tut mir Leid.
Die Dame sagt nun schon seit über 20 Jahren, dass „mit ihr nichts mehr los sei, aber es muss ja irgendwie … es muss ja“.