368) Absolute Ereignislosigkeit

In der letzten Woche habe ich den Jungs von „Alles gesagt?“ zugehört, während sie Rezo im Gespräch hatten (Aufnahme von 2019). Nach 8,5 Stunden bin ich zwar kein großer Rezo-Follower, aber es war schon mal interessant zu hören, wie der so denkt und wie die Welt von YouTube, Facebook, Insta, Tik Tok … Bacefook, KnickKnack, FickFuck, TipTop … so tickt und rockt.

Am Rande ging es kurz um den Begriff „Absolute Ereignislosigkeit“ und die drei Jungs machten eine kurze Reise ins Mittelalter. Einer Zeit ohne Strom, Medien und künstlichem Licht. Dafür aber reich an Arbeit, Dreck, Krankheiten und nur von kurzer Lebenszeit für die Menschen.

Sie wurden mit dem Tageslicht oder dem Hahnenschrei wach, machten sich irgendwie frisch, um dann den ganzen Tag zu schuften. Nach der Arbeit für den Fronherren wurde dann vermutlich zu Hause weitergearbeitet. Essen machen, Wäsche waschen, Reperatur- und Näharbeiten usw. im Licht von Öllampen, Fackeln oder Herdfeuer. Vielleicht sangen sie noch was oder erzählten Geschichten. Spielten ein Instrument, tanzten, beteten aber das war es dann auch schon. Auf keinen Fall wischten sie auf einer Glasplatte herum und folgten Ereignissen irgendwo auf der Welt. Kein Bling, kein Plop. Es gab für sie schlichtweg kaum Einflüsse von außen. Außer Hexenverbrennungen und Ritterspielen, gab es auch keine „Events“, wo man sich mal ein paar coole „vibes“ abholen konnte. Außer dem Kopf des Delinguenten „smashte“ da aber so gar nichts „Digga“. Die „Influencer ihrer Zeit waren der Leibherr, vielleicht kannten sie noch den Namen des Fürsten oder den vom Papst. Ihre „News“ erhielten sie über‘s Hörensagen auf dem Marktplatz und wenn sie nicht auf dem Scheiterhaufen landeten war dann mit circa 40 Jahren eh meist Schluss. 

Ich wäre also vermutlich schon unter der Erde, die Kirche hätte mich gegrillt. Beidseitig, so viel ist sicher.

Vor ein paar Jahren habe ich mal mit dem Gedanken gespielt, mich für ein paar Tage/Wochen allein auf einer schwedischen Insel einzuquartieren. Solche Objekte gibts dort. Insel, Haus, Boot. Das war’s. Als es konkreter wurde, habe ich dann aber Muffensausen bekommen. 

Denn was passiert, wenn man tagelang disconnected und ohne Aufgaben ist? Spricht man dann nur noch mit sich selber? Kommt einem irgendwann die große Eingebung, die im Alltag nicht durchdringen kann? Oder dreht man dann einfach durch, nascht giftige Beeren und dann ist halt Schluss. 

„Lagom är bäst“, wie der Schwede zu sagen pflegt?

Die bekannte Datenkrake findet für den Begriff „Absolute Ereignislosigkeit“ nur 91 Treffer. Wundert mich nicht. Aber nun sind es immerhin 92 😉

Ich schließe den Beitrag mit ein paar Zeilen aus „Too many friends“, von Placebo, live gespielt am am 06.10.22 in Berlin. Großartig.


This is my last communique
Down the super highway
All that I have left to say in a single tome

If I could give it all away
Will it come back to me someday?
Like a needle in the hay or an expensive stone

322) Rückkehr ins Büro – Teil 4

Im Beitrag > Rückkehr ins Büro – Teil 3 hatte ich ja schon angedroht, gelegentlich einen Statusbericht zu geben, was mir denn so bei der Wiedereingliederungsmaßnahme in die „Präsenzarbeit“ widerfährt. Nun dann, darum soll es heute gehen 😉

Zunächst muss ich sagen, dass meine Online-Arbeit eher noch zunimmt. Seitdem ich in ein weiteres Projekt eingestiegen bin, hocke ich noch mehr in virtual Meetings als zuvor. Eigentlich den ganzen Tag. Der UPS-Bote regte sich heute tierisch auf, was mir einfalle, einfach nur den Türöffner zu drücken, statt mit ihm vorher zu sprechen. Vermutlich wollte er mir ankündigen, das Paket einfach unten in die Fahrstuhl-Kabine zu werfen … aber nüscht is’ … das is‘ vorbei mein Freund! Ich erwarte mein Paket auf der Fußmatte, weil ich das eben nicht mit dir diskutieren kann und sowieso zu missverständlichen > Headset-Dialogen mit den Kollegen im Meeting führt.

Aber es gibt auch Fortschritte in Richtung „New Normal“ zu verzeichnen:

Dass ich meinen ersten Flug nach so langer Zeit erfolgreich gemeistert habe, hatte ich schon in >Postkarte aus Oslo geschrieben. Der Transfer zum Flughafen und die Wege dort, waren noch ungewohnt, aber als ich dann oben in den Wolken saß, war alles wie früher. Fahrradfahren, Schwimmen und Fliegen verlernt man wohl nie. Nur das gelegentliche Husten in den anderen Sitzreihen, das ließ mich einige Male zusammenzucken.

Anfang Juni war ich auf einer Mini-Messe hier in Berlin, neudeutsch „Pop-up-Event“. Damit sollte ich nach über zwei Jahren das erste Mal auf andere Business-Typen treffen. Die Frage nach der passenden Kleidung schob ich bis zum Vorabend auf. Schlips und Kragen etwa? Kragen habe ich ausreichend, aber die Krawatten hatte ich Anfang 2022 endgültig entsorgt. Außer „die schwarze“, denn man weiß ja nie. Ein Anzug schien mir irgendwie daneben, schließlich sind das dort alles IT-Leute und die hüpften selbst vor zweieinhalb Jahren schon in Jeans über die Gänge. Also wählte ich ein Outfit, mit dem man eigentlich nicht viel falsch machen kann: ordentliche Jeans, helles Hemd, dunkles Sakko, Business Schuhe. Doch der Großteil der jungen Hüpfer, erschienen im T-Shirt, blau-kariertem Sakko, umgekrempelten, hellbraunen Hosen, quietschbunten Socken und weißen Sneakers. Oder im Hoodie mit Firmen-Logo. Ah ja. Ich bin wohl doch zum Dino geworden.

Der Raum für die Vorträge war eng bestuhlt, Fenster und Türen blieben geschlossen, um den Stadt-Lärm draußen zu halten. Mhm. Irgendwie gewöhnungsbedürftig, dem Sprecher da vorne und seiner Präsentation an der Wand zu folgen. Ein Headset hätte ich mir gewünscht und vielleicht einen Zoom zur Vergrößerung des Bildes. Zum Lunch wurden Häppchen gereicht, im Prinzip wie früher, nur diesmal alles Veggie.

Aber gut. Von mir aus bin ich eben ein Veggie-Dino. Soll es ja auch gegeben haben 😉

Bald mache ich meine erste Post-Corona-Dienstreise ins Frankenland …. oahhhhh.
Dass ich mich da mal drauf freuen würde, das hätte ich auch nie gedacht.

Ich werde berichten.

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262) New Concert

Das letzte Mal war ich auf einem Live-Concert im September. Im September des Jahres 2019. Kurz darauf bestieg die C-Band variantenreich die Bühne und machte solche Events lange Zeit unmöglich. Das alles scheint schon ewig her zu sein, nicht nur wegen der Zeit, die vergangen ist, sondern wegen dem unbeschwerten Ablauf damals.

Alle mal hinsetzen, der Onkel erzählt von früher:

  • Man kam relativ spät dort an, musste das Papier-Ticket vorzeigen, Taschen abklopfen lassen, fertig. Und schon drin. Nix App, nix Zweit-Akku, nix Personalausweis. Dann die Jacke wegbringen, zum Bierstand gehen und weiter in die Halle, wo entweder noch leise Musik von CD lief oder manchmal schon die Vorband spielte. Auf jeden Fall war es knackevoll, die Luft schon stickig bevor es überhaupt losging. Vorfreude.
  • Man quetschte sich hier und da durch, eng an eng. Haut an Haut. Irgendwo wurde heimlich geraucht, oder gekifft oder beides. Sobald das Licht ausging und die ersten Klänge der Hauptband zu hören waren, rückte die Menge weiter nach vorne. Spots an. Nebel an. Good Evening Berlin! Ölsardine. 
  • Und man tauchte ein, in einen oft zweistündigen Gig. Fremde Arme im Gesicht und fremde Getränke im Nacken. Mädels auf den Schultern ihrer Kerle. Singen, Rufen, Pfeifen … ein Orchester der Aerosole. Wippen, Wiegen, Hüpfen, Tanzen, bis man pitschnass war. Klatschen, Jubeln oder Heulen, wenn sich der Lead Singer für eine Ballade ans Piano setzte und zig Handy-Lampen angingen. Gänsehaut.

Gestern war ich mal wieder beim einem Konzert. Zwar nur übers WLAN, aber immerhin live, live in unserer Stadt, gar nicht weit von hier.

Natürlich waren da nur wenige Gäste zugelassen, alle waren 2G und hatten zusätzlich Masken auf. Ich hielt sogar noch einen zusätzlichen Abstand von 4 Kilometern, daher brauchte ich keine Maske. Bierchen gab’s aus dem Kühlschrank, ohne Pfandbecher und Anstehen. Rauch kam aus einem Räucherstäbchen, ein satter Sound aus dem Kopfhörer und ich hatte genug Platz um mich herum.

Zum Wippen, Wiegen … ja sogar Klatschen … und auch etwas … Heulen.

Großartig. Gern mehr davon.

Willkommen im New Normal

 

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