In der letzten Woche habe ich den Jungs von „Alles gesagt?“ zugehört, während sie Rezo im Gespräch hatten (Aufnahme von 2019). Nach 8,5 Stunden bin ich zwar kein großer Rezo-Follower, aber es war schon mal interessant zu hören, wie der so denkt und wie die Welt von YouTube, Facebook, Insta, Tik Tok … Bacefook, KnickKnack, FickFuck, TipTop … so tickt und rockt.
Am Rande ging es kurz um den Begriff „Absolute Ereignislosigkeit“ und die drei Jungs machten eine kurze Reise ins Mittelalter. Einer Zeit ohne Strom, Medien und künstlichem Licht. Dafür aber reich an Arbeit, Dreck, Krankheiten und nur von kurzer Lebenszeit für die Menschen.
Sie wurden mit dem Tageslicht oder dem Hahnenschrei wach, machten sich irgendwie frisch, um dann den ganzen Tag zu schuften. Nach der Arbeit für den Fronherren wurde dann vermutlich zu Hause weitergearbeitet. Essen machen, Wäsche waschen, Reperatur- und Näharbeiten usw. im Licht von Öllampen, Fackeln oder Herdfeuer. Vielleicht sangen sie noch was oder erzählten Geschichten. Spielten ein Instrument, tanzten, beteten aber das war es dann auch schon. Auf keinen Fall wischten sie auf einer Glasplatte herum und folgten Ereignissen irgendwo auf der Welt. Kein Bling, kein Plop. Es gab für sie schlichtweg kaum Einflüsse von außen. Außer Hexenverbrennungen und Ritterspielen, gab es auch keine „Events“, wo man sich mal ein paar coole „vibes“ abholen konnte. Außer dem Kopf des Delinguenten „smashte“ da aber so gar nichts „Digga“. Die „Influencer ihrer Zeit waren der Leibherr, vielleicht kannten sie noch den Namen des Fürsten oder den vom Papst. Ihre „News“ erhielten sie über‘s Hörensagen auf dem Marktplatz und wenn sie nicht auf dem Scheiterhaufen landeten war dann mit circa 40 Jahren eh meist Schluss.
Ich wäre also vermutlich schon unter der Erde, die Kirche hätte mich gegrillt. Beidseitig, so viel ist sicher.
Vor ein paar Jahren habe ich mal mit dem Gedanken gespielt, mich für ein paar Tage/Wochen allein auf einer schwedischen Insel einzuquartieren. Solche Objekte gibts dort. Insel, Haus, Boot. Das war’s. Als es konkreter wurde, habe ich dann aber Muffensausen bekommen.
Denn was passiert, wenn man tagelang disconnected und ohne Aufgaben ist? Spricht man dann nur noch mit sich selber? Kommt einem irgendwann die große Eingebung, die im Alltag nicht durchdringen kann? Oder dreht man dann einfach durch, nascht giftige Beeren und dann ist halt Schluss.
„Lagom är bäst“, wie der Schwede zu sagen pflegt?
Die bekannte Datenkrake findet für den Begriff „Absolute Ereignislosigkeit“ nur 91 Treffer. Wundert mich nicht. Aber nun sind es immerhin 92 😉
Ich schließe den Beitrag mit ein paar Zeilen aus „Too many friends“, von Placebo, live gespielt am am 06.10.22 in Berlin. Großartig.
…
This is my last communique
Down the super highway
All that I have left to say in a single tome
…
If I could give it all away
Will it come back to me someday?
Like a needle in the hay or an expensive stone
…
Ich hätte wohl keine 40 Jahre überstanden, bevor mich die Inquisition geschnappt hätte. 😅
Oh, da hätten wir vielleicht nett schnattern können da auf dem Holzhaufen.
Also die Inquisition ist etwas von der Frühen Neuzeit, als die Welt schon „aufgeklärt war. Das Mittelalter hat zu Unrecht einen schechten Ruf, das 20. und 21. Jh. stellen an Niedertracht alles in den Schatten.
Oh Mensch Herr Sinnlosreisen, vielleicht sollten wir da nochmal die Schulbank drücken … 😉
Schade, dass man da keine Zeitreisen hinmachen kann, würde mich echt mal interessieren. Aber nur mit Rückticket
Ich wäre gern ins Jena des Jahres 1795 gereist, aber ohne Rückfahrticket LoL
Da machst du es aber spannend. Da werde ich glatt mal googeln. Danke. Schönen Abend!
Rückticket und Notfallknopf. Eigentlich bin ich aber froh, heute zu leben.
Ich glaube, da stimme ich dir zu … obwohl die damals noch richtig Feuer machen durften. Aber allein die Toiletten-Thematik …
Übrigens gibts ein tolles kurzes Hörbuch dazu von Eschbach. Heißt „Schöne Scheiße“. Hörenswert!
Da muss ich als Historiker „intervenieren“: Ereignislos (also langweilig) ist nur ein Geisteszustand unserer Zeit, bei den Romatikern war das angestrebter Lebenszweck. Nichts für ungut – aber Dank an Dich für die philosophische Anregung.
Ich sollte mich nicht aufs historische Glatteis begeben.
Ereignislos heißt für mich aber nicht langweilig. Ich glaube nicht, dass den Menschen im Alter langweilig war. Ich denke, die hatten eine Menge zu tun und hätten gar keine Zeit für digitalen Müßiggang gehabt, oder?
Disconnected auf einer einsamen Insel…. wenn ich daran denke, dass ich gestern nur ein paar Stunden offline war, weil ich schlicht mein Handy im Auto vergessen hatte. Ich habe es überlebt, aber es hat mir mal wieder gezeigt, wie sehr das Ding Teil des Alltags ist.
ich fürchte auch, dass ich leicht nervös … bis rasend werden könnte. Ei, Ei, Ei … soweit haben wir es kommen lassen oder selbst getrieben. Oh Oh
Ob ich komplett „ereignislos“ schaffen würde, weiß ich auch nicht. Aber deutlich mehr „ereignislos“ als jetzt dürfte es doch gern sein. Viele halten ja Wandern/Pilgern auch für ziemlich ereignislos. Einmal fragten uns junge Radfahrer am Abend in der Herberge, was wir (Fußpilger) denn den ganzen Tag so machen würden. Und dabei finde ich eine Wanderung so gar nicht „ereignislos“.
Herrlich. Ich denke, also du da im Kloster warst, war ja auch ständig was zu tun, aber man war nicht völlig „influenced“ von außen, oder?
Ja, ich würde eher diese Unterscheidung sehen: Einflüsse von außen versus eigene Aktionen. Wenn man keine Einflüsse von außen hat, kann man ja immer noch selbst ziemlich aktiv sein.
Ach, ich könnte mir ach mal eine Runde digital detox vorstellen mit Schweigekloster und ohne technischen Schnickschnack. Aber bisher habe ich, hüstel, auch immer vor der Realisierung des Projektes einen Rückzieher gemacht 😇.
Ich würde mich das auch maximal erst einmal nur 2 Tage trauen, steigern kann man dann ja immer noch