405) Gesinnung

Ich hatte Gelegenheit über Gesinnung nachzudenken.

Gestern hatten wir Karten für Böhmermanns Musik-Programm. Eine Art „Festival des politischen Liedes“ sozusagen, er nannte es zwar anders, aber im Prinzip kam es aufs Selbe raus. Also trotteten wir 19:30 Uhr zur Max-Schmeling-Halle und da war schon mal mehr Polizei vor Ort, als sonst bei Konzerten oder Sportveranstaltungen und irgendwie … knisterte es in der Luft. Aber die Polizei war nicht wegen Herrn B. oder Herrn T. dort.

Nein, der Vorplatz war eh schon proppenvoll mit Gästen, da hatten sich zusätzlich noch eine Truppe Verschwörungsspinner mit „Die Basis“-Fahnen zu Demo oder Wahlkampf auf dem Falkplatz positioniert. Ihnen gegenüber ein Gegenprotest-Mix (aus Antifa, Omas gegen Rechts oder so … konnte ich nur schwer einsehen).  Die eine Seite faselte also ihren Blödsinn von inszenierter Pandemie und die andere Fraktion hielt mit Rufen dagegen. Die Polizei als Puffer zwischen ihnen. Danke. 

Währenddessen versuchten wir die „Anstell-Logik“ beim Einlass zu verstehen. Eine Sorte Mensch strömte von überall auf die Türen zu und quetschte sich nach „Me first-Taktik“ durch, die andere Sorte Mensch stellte sich an. Wie programmierte „Schlafschafe“. Wir standen auch an und permanent strömten Leute vorbei, um sich vorn reinzudrängen. Konflikt inklusive. Na gut, selber Schuld. Was stellt man sich auch an? Macht das heutzutage noch Sinn?

Böhmermann und Band zogen ihr Programm durch, manche Sachen mochte ich, andere wiederum waren schwer zu verdauen … oder auch zu verstehen … rein akustisch. Ist ja auch kein Opernsänger der gute Mann und die Halle dient normalerweise dem Sport. Aber das soll hier auch gar keine Konzertkritik werden.

Die BZ, ein Käseblatt Berlins, schrieb am 10.01.23 online,  „…der Star des Abends hatte es durchaus mit Hardcore-Jüngern zu tun, die wirklich alles von ihm abfeierten“. Und dann ein paar Sätze später: „Böhmermann und den Großteil seiner Fans verbindet eine klare Gesinnung, sie wurde den ganzen Abend hochgehalten. Und da passte es auch ins Bild, dass ein Bruder im Geiste der Überraschungsgast des Abends war: Danger Dan. Der sang und spielte seinen Aufreger-Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.““

Ja genau. Das ist Freiheit. Freiheit irgendwo hingehen zu können, und eben nicht gleich Fan, Fanatiker oder Gleichgesinnter zu sein, sondern denkender Zuhörer, nicht querdenkender Schreihals.

Anmerkung zum Bild: Ihr könntet meinen ich bin nur 1,60m groß, wenn ihr das Titelbild seht. Es ist mit Absicht so fotografiert, damit man nicht sieht wo ich war. Zum Selbstschutz … sonst stehen hier irgendwann Käse-Reporter oder Alu-Spinner vor der Tür und erklären mich noch zum Gesinnungsgenossen und ich fliege besinnungslos in die Gossen 😉

259) Show Business

Neulich bin ich mal über der Kultur-Beilage der Wochenendzeitung hängengeblieben. Kurz vor Weihnachten werden da natürlich auch die Konzert-Events in 2022 beworben. Auffällig war, dass die Künstler dort alle bereits im fortgeschrittenen Alter oder eben gar nicht mehr sind.

Eine kleine Auswahl:

  • Elvis Presley schwingt wieder die Hüften und hat sogar ein paar Kilo abgenommen. Na, wer da keine „Fremdartigen Gedanken“ bekommt.
  • Witney Houston ist auch zurück, mit halb geschlossenen Augen und bebender Oberlippe macht sie jeden zum Bodyguard und schwört „Das sie dich ewig lieben wird“.
  • Louis Armstrong kommt auch zum Christmas Special, pausbäckig und mit breitem Grinsen singt er von dieser „Wunderbaren Welt“ auf der wir hier leben. Mhm. Na ja, wenn der Satchmo wüsste …
  • Heinz Erhardt grinst schelmisch von zwei Anzeigen und lacht sich schon vor dem Event halb kaputt, denn … „Immer wenn ich traurig bin … “ Prost!
  • Dem Freddie Mercury sitzt die weiße Hose wieder knackig eng, auch nach 30 Jahren. „Die Show muss weitergehen!“ R.i.P. Freddie!
  • Die alten Schweden von ABBA kommen gleich mehrfach in die Hallen und sogar zeitgleich. Das geht, denn ihr wisst ja, „Der Gewinner bekommt alles“.
  • Bei der Anzeige für Genesis habe ich dann doch dreimal hingeguckt. Ich hatte jüngst eine Aufnahme von Phil Collins gesehen, da sah der aber gar nicht gut aus. „Against all Odds“. Respekt.
  • Die Wolfgang Petry-Kopie trägt immer noch lange Locken, Holzfäller-Hemd und 10 Kilo Freundschaftsbändchen am Unterarm. Das ist „Wahnsinn!“
  • Die Skorpions kommen in Natur, die Jungs sind nun auch schon Mitte siebzig und so ein Konzert musst man dann halt auch erst mal durchziehen. Wie kann man eigentlich Pfeiflaute aufschreiben? „Pü-ü-ü … Pü-ü-ü-ü-ü“?

So, „Elvis has left the building“ und ich mach mich jetzt auch mal auf die Nachrichten-Couch, bevor noch „Zugaben“ gefordert werden und ich mit Bademantel und Schlappen ans Klavier muss;-)

PS: ich sollte vielleicht mal die Zeitung wechseln …

179) Corona-Lektionen 74

Eine Einleitung verkneife ich mir heute mal. Ich will direkt einsteigen

Ganz charakteristisch für die aktuelle Zeit finde ich, wie schnell sich eine Information oder ein Zustand wieder in Luft auflöst.

Halbwertzeiten
Erst war ein Impfstoff nicht verfügbar, dann wurde er geliefert, aber taugte noch nicht für die Alten. Für Erwachsene freigegeben, wurde er jedoch verschmäht und lag sogar auf Halde. Andere wollten den Stoff sofort abnehmen, waren aber noch nicht dran. Dann traten Blutgerinsel auf und die Verimpfung wurde gestoppt. Der Stopp wurde wieder aufgehoben, die Praxen sollen nun endlich einsteigen. Es fühlt sich an, als diskutieren wir das schon seit Monaten. Stimmt aber gar nicht. Der Impfstoff wurde gerade mal vor sieben Wochen zugelassen, nur die Informationsmenge, die reicht für Monate.

Letzten Sonntag schrieb ich hier noch, dass die Tochter wieder in die Schule gehen darf. Dabei hatte ich mich doch glatt geirrt. Nach Ostern soll es so weit sein und ich überlegte, ob ich die Passage im Beitrag korrigieren sollte. Aber auf was genau? Was gilt denn eigentlich gerade? Ist die Zukunft nicht bereits schon wieder Schnee von gestern?

Vor ein paar Tagen wurde „Click and Meet“ erfunden und ich spielte mit dem Gedanken, mir auch mal so einen Termin zu verschaffen. Einfach mal was anderes sehen. Aber bevor ich mich überhaupt für einen Shop entschieden habe, wird nun schon gemunkelt, dass Konzept wieder herunterzufahren. Ein harter Lockdown erwartet uns. Schon wieder? Oder noch?

Ich komme nicht mehr mit. Ich würde gern mal 12 Wochen in Narkose gehen. Ich würde vermutlich nichts verpassen.


Nostalgie, Zwiegespräche und News-Detox
Am Freitag hatte ich noch etwas Zeit bis zu den Spätnachrichten. Ich stolperte über ein Depeche Mode Konzert von 2006 und stieg ein. Wogende Menschenmenge, Licht, Jubel, Mädels auf den Schultern ihrer Kerle. Wie aus einer anderen Zeit.

Das Intro zu „Behind the Wheel“ trommelt und die Menge tobt. 
Ich wippe mit und schaue auf die Uhr. 
„Oh die Nachrichten gehen gleich los. Ich sollte mal langsam umschalten.“

„Nein …, eine kurzen Moment noch“.

Wenig später dann „World in my Eyes“. Die Leute flippen aus.
Ich auch. Und hörte mit Corona-Ohren zu.

Let me take you on a trip
Around the world and back

‚ll take you to the highest mountain
To the depths of the deepest sea

Let me show you the world …

Und dann stand mir das Wasser in den Augen

Wieder der Blick auf die Uhr. Die Nachrichten haben bereits begonnen. 
„Jetzt müsste ich aber wirklich langsam mal …“

„Gleich … warte … ein bisschen genießen noch“

Es folgt die erste Zugabe mit „Judas“, einer Ballade.

Man will survive
The harshest conditions
And stay alive
Through difficult decisions

“Oh, gleich haut es mich aus der Kurve, ich sollte jetzt wirklich besser zu den Nachrichten …, sonst …“

„Nee, warte, es geht gleich wieder bergauf“

Zum Schluss dann „Never let me down again“.

We’re flying high
We’re watching the world pass us by
Never want to come down
Never want to put my feet back down on the ground

Wie recht sie doch haben, Applaus, Abgang, Wahnsinn.


Dann schaltete ich endlich zu den Nachrichten.
So, das war das Heute-Journal, hier geht es nun weiter mit dem Wetter.


Das waren die besten Nachrichten seit Wochen 😉

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44) Konzert über 40

Seit Wochen hängen zwei Konzert-Tickets an der Pinnwand im Flur. Gestern Abend war es nun soweit. Und irgendwie auch anders und verwunderlich. Neben der Musik gab es genügend Bilder und Beobachtungen zum Nachdenken.

  • Standen wir Anfang der Neunziger schon um 07:00 Uhr für Depeche Mode vor der Waldbühne, stolperten wir gestern erst kurz vor Beginn ins Tempodrom. Meetings am Freitagabend … sollten per Gesetz verboten werden.
  • Kostete das Bier in alten Tagen 4 Mark, sind es nun stolze 5 Euro. Ja ich weiß, die Umrechnerei ist etwas altbacken, aber wirklich 10 Mark für ein Bier? Alter Schwede … so teuer war Bier nicht mal bei Dir im Lande.
  • Hatten wir früher schon vor dem Haupt-Gig eine Schachtel Kippen geraucht, war die Luft gestern trotz Rauchverbot ähnlich mies. Leider gab es für uns nur noch einen Platz oben auf den Rängen … da wo sich der Mief sammelt und mangels Fenster nicht abzieht.
  • Bewiesen wir uns damals im Cisch Club noch im EBM-Pogo oder lauschten dem Newcomer Rammstein im Knaack, saßen wir nun auf Klapp-Sitzen und folgten aufrecht sitzend dem Gesang. Auch wenn die Musik eher zum Zuhören ist … ein Konzert im Sitzen ist schon echt eine eigenartige Geschichte und nix für den Rücken.
  • Mussten wir seinerzeit noch minutenlang „Zugabe“ brüllen und klatschen bis die Hände kribbelten, wurde dort nur kurz getrampelt und 30 Sekunden später stand die Band schon wieder auf der Bühne. Das ging aber schnell … die Künstler wollten anscheinend auch ins Bett.
  • Konnte ich einst nicht verstehen, dass Zuschauer vorzeitig abhauten, nur um nicht in einer vollen Bahn zu stehen, wollte ich gestern früher … , um nicht in einer vollen … ach, ist ja eigentlich auch egal und nicht so wichtig.

Aber eines war immer noch unverändert … wir gehörten immer noch zu den Jüngeren !

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