193) Das Ende des Anfangs

Neulich stand ich vor dem Badezimmer-Spiegel und während ich dem Morgen-Radio lauschte, schaute ich mir selber in die müden Augen. Was der Tag wohl bringen mag? 

Auf einmal hörte ich Elefanten und ein lang nicht gehörter Song schlich sich mit einem langen Intro in meine Morgenroutine

Such a shame to believe in escape 
A life on every face
And that’s a change 
‚Til I’m finally left with an eight…

Was für ein gelungener Start in den Tag mit Such a Shame von Talk Talk. An diesem Tag musste ich dann immer wieder über Intros nachdenken. Song-Intros, sind eine wahre Kunst, die leider durch Skipping-Culture und Streaming Dienste immer mehr unter die Räder kommt. Künstler verdienen erst nach 30 Sekunden Spielzeit, bei einem zu zögerlichen Intro, sind die Hörer schnell wieder weg. Ich mag Songs, die ganz sachte beginnen, sich Schritt für Schritt in mein Gehör einschrauben und dann Schicht für Schicht dazu kommt.

Das kann exotisch, wild und diabolisch sein:

Alphaville – Big in Japan
Duran Duran – Wild Boys
AC/DC – Thunderstruck
Michael Jackson – Thriller

Gern auch ganz minimalistisch:
New Order – Blue Monday
Joy Divison – Disorder
Anne Clark – Our Darkness
Depeche Mode – Behind the Wheel

Oder an gigantische Live Gigs erinnern
U2 – In the Name of Love
Simple Minds – Don‘t you
Queen – We will rock you
Prince – Purple Rain

Intro‘s gab es natürlich auch schon vor den 80-ern ;-), aber das war nun mal die Zeit, in der ich musikalisch geprägt wurde. Intros eröffnen Songs, sie sind quasi das Vorspiel für‘s tonale Rendezvous. Sie ermöglichen einen sachten Einstieg in komplexe Werke, mit ihnen kann man raten was als nächstes kommt. Und sie gaben uns in der Disco ausreichend Zeit, dass Bier abzustellen und zur Tanzfläche zu schlurfen.

Leider werden Songs heute vorne kastriert und hinten kupiert. Das Intro muss kurz sein, um den Hörer zu halten. Sonst besteht die Gefahr, dass er/sie schnell zum nächsten Song skippt. Viele Pop-Design-Songs bestehen eigentlich nur noch aus Refrain. Auch ein geniales Outro gibt’s auch kaum noch, weil der Radio-Moderator entweder drüberquatscht oder der DJ bereits den nächsten Song einfädelt. Aber dazu in einem eigenen Beitrag.

Welche Intros kommen euch so ins Ohr?

48) Von WLAN und anderen Geschäften

„Waaaas, kein WLAN?“ So tönte es schon zwei Tage vor der Abfahrt zur Ferienwohnung an der See. 

„Ja, Leute kein WLAN.“ Also wird mal etwas weniger nett „geflixt“, nichts ist in der „Tube“ für euch, aus „Prime“ wird wieder eine Primzahl und „Äppel“ bringen keine Musik, sondern Vitamine. „Streamen“ kann nur das Wasser da oben am Strand. „Wir gehen in die Natur und für den Abend gibt es einen Fernseher. Und zwei Buchläden gibt es da übrigens auch“. Old School.

  • Die Glotze in der FeWo bietet hunderte Programme, sie sind alphabetisch sortiert. Doof wenn man eher ARD und ZDF schaut und üblicherweise vorwärts zappt. Manchmal ist ein Schritt zurück aber eben auch ein Schritt nach vorn 😉
  • Gleich hinterm Kinder-Sender Toggo folgt der „Traumfrauen TV“. Vor dem Disney-Channel halten im „Deutsche Girls 2 TV“ reifere Damen ihre Oberweiten und Telefonnummern in die Kamera. 
  • Irgendwann gelangen wir bei einem privaten Kinder-Sender in die Werbung. Bausteine, Video-Games und das übliche Zeug. Kurz darauf kam ein Spot für ein Tisch-Spiel namens „Tschakka Alpaka“. Dabei muss man ein Kamel-ähnliches Lastentier mit Plastik-Zeug beladen. Slogan: „Langsame Stapler werden bespuckt“. Aha.
  • Aber dann kam’s liebe Leser. Das neueste Brettspiel heißt …? Na …? Spannung steigt … .Törööööö! Es heißt „Kacka-Alarm“. Slogan: „Drück den Pümpel bis Mister Kacka rausspringt!“ „Oaaaahh bitte, macht das weg“, flehe ich. Mehr will ich hier gar nicht drüber schreiben, wer Bock auf das Spiel hat, findet es im schlechtsortierten Fachhandel.

„Mir reicht‘s!“. Die nächste FeWo hat wieder WLAN!

PS: sorry für die Produkt-Namen hier … eigentlich nicht so mein Ding … aber ohne ging es nicht. Ganz klar, keine Kaufempfehlung!

Frühere Beiträge zum Thema:

4) Medien-Qual

Das Problem der Zukunft wird nicht der Mangel sein, sondern die Auswahl. So ähnlich hat es Greg McKeown erst kürzlich wieder in mein Ohr geflüstert. Recht hat er. Nur glaube ich, dass wir da bereits angekommen sind. Es ist Samstag, kurz vor 21:00 Uhr, prime time also. Unsere Kids überlassen uns überraschenderweise den Fernseher im Wohnzimmer. Was‘n nu‘ los? Heißt das echt, wir können den restlichen Abend über das Programm bestimmen? „Ja, könnt ihr“, sprach es im Chor und schloss die Tür. Der spontane Zugewinn an Freiheit überfordert uns etwas, aber warum nicht? Der Abend ist noch jung, vielleicht können wir noch irgendwo einsteigen. Ich habe aber keine Lust auf planloses Zappen, also öffne ich meine TV-App, die mir die Sendungen meiner  Sender-Favoriten auflistet. Nichts dabei. Gut dann greife ich halt in den nächsten Topf, übernehme die Fernbedienung und schalte auf den Electronic Program Guide des HD-Receivers. Es erscheint eine Liste von angeblich 977 Sendern(!) Ich weiß aber, dass der Großteil gar nicht freigeschaltet ist. Warum wird das dann in der Liste angeboten? Und warum gibt es die dritten Programme jeweils dreimal oder viermal? Und warum kommen die Shopping-Kanäle so weit vorn? Und warum kriege ich fremdsprachige Sender, deren Sprachen ich nicht mal ansatzweise verstehe. Warum kann ich bei diesem dämlichen Receiver nicht einfach 80% der Sender löschen!!! Dann blieben ja immer noch stattliche 200 zur Auswahl. Auf den ersten Seiten der Sender-Liste erscheint nur Grütze. In einer Game-Show spielt Klein gegen Groß, ein Schlagersänger feiert mit Weggefährten seinen 76. Geburtstag und Johnny Depp kämpft mal wieder gegen Zombies. Ach nö! Ja, das Fernsehen hat ausgedient. Ich wechsele in den iTunes Store, mal schauen was es da so gibt. Die 63 Filme in der Kategorie „Neu und beachtenswert“ sagen mir nicht zu. Ein Mega-Hai frisst Menschen in 4K HDR und Mädels singen zum zweiten Mal ABBA-Lieder. Die 51 Filme der Kategorie „Neue Filme zum Leihen“ decken sich zur Hälfte mit „Neu und beachtenswert“. Natürlich kann ich nach den Film-Titeln suchen, aber nach welchen? Woher soll ich denn wissen, was ich jetzt schauen will und wie das dann noch heißt? Wir versuchen uns die Namen der jüngeren Kino-Filme ins Gedächtnis zu rufen. Ohne Erfolg. Dann suche ich nach Namen von Schauspielern, die ich eigentlich ganz gern mag. Ein paar Filme erscheinen zu Auswahl, allerdings laufen alle deutlich über 2 Stunden. Puhhh. Ganz schön gewagt, da es mittlerweile schon 21:15 Uhr ist. Wir wechseln zu Netflix und danach zu Prime. Überall das gleiche Drama. Tonnenweise bunter Bildchen, Filmbeschreibungen und Trailer. Nun ist es gleich 21:30 Uhr. Jetzt lohnt erst recht kein Film mehr. Aber vielleicht ein kurzer Reisebericht? Gute Idee. Malaysia beschäftigt uns gerade so ein bisschen. Wir wechseln zu YouTube und ich tippe „Malaysia Reise Doku“ ein. Als Ergebnis kriege ich unzählige private Video-Schnipsel. Ich will eine Doku, die mir einen Überblick über das Land verschafft (!) und keine verwackelten Handy-Filmchen von Leuten die ich nicht kenne. Ich überschreibe das Wort „Doku“ mit dem Wort „Reportage“ und schreibe noch ARTE und PHOENIX dahinter in das Suchfeld, damit es seriöser wird und was kriege ich? Die gleiche Sauce wie vorher. Dem Video mit den meisten Klicks gebe ich dann doch noch eine Chance. Aber wie schon vermutet, warten nur wackelige Aufnahmen und bunte Schriften, die aus allen Richtungen ins Bild einfliegen. Dann ertönt eine Off-Stimme, die in herzhaftem schwäbisch über Malaysia referiert. Gruselig. Also versuchen wir es bei den Media-Theken der öffentlich rechtlichen Sender. Aber auch dort gibt‘s keinen Überblick über die Reise-Ziele in Malaysia. Mittlerweile gehen wir auf 21:45 Uhr zu. Damit überhaupt noch etwas Grünes über den Bildschirm läuft, weichen wir auf Sri-Lanka aus, das ist aber auch bald ermüdend, weil die nur über eine uralte Eisenbahn sprechen. 

Kann das denn sein? Wir bezahlen Rundfunk-Gebühr, DSL-Anschluss, Kabel, HD-Paket, Netflix-Abo, Prime-Abo und weiß der Geier was und finden am Samstagabend nichts inspirierendes in der Glotze?

Ich warte jetzt auf die Nachrichten und dann gehe ich ins Bett!

Vielleicht sollten wir den ganzen Mist einfach kündigen und uns einer Informations-Diät unterziehen? Wo war noch mal gleich der Zettel mit den Vorsätzen fürs neue Jahr?

Frühere Beiträge zu Medien in verschiedenen Formaten:

10) Kleine fiese Wolke

Es kann man ich an den Rand der Verzweiflung bringen. Dankend lehne ich am Flughafen jegliche kostenlose Zeitungen, Werbe-Zettel, Kreditkarten-Anträge und anderes Papier-Zeug ab. Denn, ich habe ja ein neues Hörbuch auf dem Telefon, auf das ich mich schon richtig freue. Ich brauche also gar kein Lesematerial in Papier. Ich habe eine ganze Stunde in der Luft vor mir, nur für mich und mein Hörbuch. Das Kabinen-Personal vollführt sein Sicherheits-Ballett und weist noch auf einmal auf den Flugmodus für die Smartphones hin. Selbstverständlich. Es ist nur eine Wischbewegung auf dem Glas des Telefons und schon heben wir ab in die Luft. Der nächste Gong befreit die Flugbegleiter aus ihren Sitzen und fordert sie auf, den Getränkewagen flott zu machen. Gute Idee, sage ich mir. Ein kaltes Getränk ist ein wunderbarer Begleiter für ein neues Hörbuch. Aber ich sitze in der Mitte des Fliegers, daher wird es noch etwas dauern, bis der Wagen bei mir angekommen ist. Derweil will ich schon einmal das Hörbuch öffnen, bekomme dann aber ein Wolken-Symbol auf dem Buch-Cover angezeigt. Panik steigt in mir auf. Das ist ein schlechtes Zeichen. Trotzdem tippe ich drauf und dann passiert genau das. Eine Meldung erscheint: „Sie haben keine Verbindung zum Internet“. Und auch kein kaltes Getränk.