268) Corona-Lektionen 108

Ja, richtig bemerkt. Das Titelbild zum heutigen Beitrag stammt nicht aus Berlin. Denn wir haben uns weggeschlichen, legal über die grüne Grenze gemacht. Quasi für die nächsten Tage von der Entwicklung daheim „abgespalten“. Mit dem Wort Abspalten, baue ich gleich die Brücke zum heutigen Schwerpunkt.

Spaltung

Ganz besonders im Corona-Kontext wird häufig von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft gesprochen und wenn man sich das Wort „Spaltung“ vor Augen führt, da denkt man dann ganz schnell an zwei Hälften. „Die“ und „Wir“ oder „Dafür“ und „Dagegen“. Aber um so länger die Pandemie dauert, um so mehr merken wir vermutlich, dass das eben nicht so einfach ist. Ich versuche es mal eine Ebene tiefer, wissentlich, dass das dann auch erst einmal nur wieder Schubladen sind, die natürlich auch wieder zu groß oder zu klein sein können.

  • Da gibt es sicher Menschen, die durch die Pandemie geliebte Menschen verloren haben, weil jemand an dem Virus erkrankt oder gar gestorben ist. Oder weil Beziehungen zerbrochen sind oder auf Eis liegen, da man sich aktuell nicht sehen kann oder zeitweise erst einmal nicht mehr sehen will. Nicht einfach.
  • Ganz bestimmt auch haben Menschen ihren Job verloren, vielleicht eine Ausbildung abbrechen oder fürs eigene Geschäft dann doch Insolvenz anmelden müssen. Ganze Berufszweige verschwanden und diese Menschen mussten sich beruflich komplett neu orientieren. Kein Zuckerschlecken.
  • Andere waren mit all der Ungewissheit und Einsamkeit in ihren Wohnungen „gefangen“ und mussten sich und ihre Kinder mit mangelnder Unterstützung durch schwierige Zeiten bringen. Ein Hochglanzbild von drei Kids, die gut gelaunt mit je einem Laptop im Küchentisch sitzen, während Mutti mit Headset auf dem Kopf lächelnd die Spaghetti kocht, käme wohl einem Schlag in deren Gesicht gleich.
  • Dann würde ich mal behaupten, dass ein großer Teil zwar von so mancher Maßnahme genervt ist, Veranstaltungen und gewisse Freiheiten vermisst und zum x-ten Mal eine Reise bucht, um sie dann letztlich doch wieder abzusagen, im Großen und Ganzen aber ohne große Schäden durch die Zeit kommt. Der Job läuft weiter, entweder mit Maske vor Ort oder eben mit Headset von zu Hause. 
  • Ich glaube ich liege aber auch nicht falsch, wenn ein gewisser Teil der Menschen sogar Vorzüge in der Zeit erkennen kann. Weniger Arbeitswege, keine Dienstreisen, weniger Dienstkleidung, mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Literatur, mehr Kontrolle über den Tag, mehr Einfluss auf die Work Life Balance. 
  • Und ich wage mal die These, dass es auch unbekannte Nutznießer der Pandemie gibt. Weil sie bereits ein Geschäft hatten oder in der Pandemie gegründet haben, mit dem sie nun gut Geld verdienen können. Egal ob legal oder illegal. Sie erleben einen Flow und es klingelt in der Kasse.
  • Oder sie haben sich von der Entwicklung hier komplett abgekoppelt, hocken in irgendeinem Steuerparadies, lassen sich mit Personal auf Yachten vor die Küste schippern und machen dort einen drauf, weil der Emir an Land das nicht so gerne sieht. Eher eine Ausnahme vermutlich.

So, das waren jetzt gerade mal 7 Schubladen, sehr vereinfacht zusammengezimmert. Wahrscheinlich sind wir auch in mehreren Schubladen unterwegs oder ich habe sogar eine vergessen. Hab ich das? Ja, ich vermute schon. 

Denn ich habe noch nicht kapiert, warum Leute wieder protestierend durch Städte ziehen und Katz und Maus mit der Polizei spielen. Sind es die gleichen Menschen, die im Sommer 2020 mit Aluhut und Trillerpfeife auftauchten oder braut sich da was ganz anderes zusammen? Ich kenne niemanden da persönlich, aber mein Eindruck ist, dass es sich nicht wirklich um Gespräche geht, sondern eher um Frust, Wut und Verdruss. Da scheint es sich auch gar nicht mehr um den Virus zu drehen. Vielleicht eher um eine wiederholte Enttäuschung, eine Empfindlichkeit gegenüber Vorschriften, um Ängste die sich aus den Umwälzungen ergeben, die wir eigentlich noch vor uns haben. Digitalisierung, Energieerzeugung, Überalterung, Migration, Klimawandel … um nur mal fünf zu nennen.

Diese Herausforderungen sind alle hyperkomplex, keiner hat aktuell Antworten darauf, keiner weiß was da auf uns zukommen mag. So etwas mögen Menschen nun mal gar nicht. Also reiben sie sich an diesem blöden Virus auf, denn den scheinen sie verstanden zu haben und es gibt personifizierte „Schuldige“. Als gäbe es nichts anderes zu tun…

Hat jemand eine Antwort für mich? Dann bitte!

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11 Kommentare zu „268) Corona-Lektionen 108

  1. Dass die Gesellschaft gespalten ist oder wird ist ja eh eine nichtssagende Feststellung und daher eher falsch. Wir sind ja auch gespalten in Raucher und Nichtraucher, Katholiken und Protestanten, Frauen und Männer, Radfahrer und Autofahrer, Linke und Rechte, Vegetarier und Fleischesser, Tolerante und Nichttolerante, Egoisten und Altruisten und so weiter.

    1. Richtig, wir spalten uns jeden Tag, im schlimmsten Falle in 80 Mio Individuen, desto mehr wundert mich der Begriff. Danke fürs Lesen und den Kommentar!

    2. Sehr richtig! Bloss weil jetzt Leute gegen etwas demonstrieren, ist noch lange nicht die Gesellschaft gespalten. Die Medien bauschen das ganz schön auf. Die weit über 90% Leute, die nicht demonstrieren, werden kaum erwähnt.

  2. Ich bin auch etwas ratlos, weil aus meiner Sicht der Protest völlig übertrieben ist. Wenn ich mir das weltweit angucke, dann habe ich den Verdacht, dass wir in Deutschland eine sehr satte Gesellschaft haben, in der viele gar nicht mehr wissen, wohin mit ihrer Unzufriedenheit, weil eigentlich alles ziemlich gut ist. Aber man ahnt, dass es nicht besser wird. Also richtet sich der Unmut gegen Themen, die eigentlich ganz normal sind – Jede vernünftige Regierung der Welt (und sogar die unvernünftigen) ergreift Maßnahmen in einer Pandemie, um die Bürger zu schützen.
    Da hilft nur Ruhe bewahren und sich nicht anstecken lassen (weder vom Virus, noch von den Unzufriedenen).

    1. Danke, sehe ich auch so. Wenn man mal ein bisschen von der Welt gesehen hat, dann kommt einem das wirklich höchst albern vor. Aber solche Vergleiche will dann auch wieder keiner hören. Aber dann kann man da auch nicht wirklich helfen.

  3. Ich habe leider keine Antwort. Ich gehöre selber wohl am ehesten in die Schubladen 4 und 5, wobei ich keine bessere work-life balance als vorher habe, dafür mehr Schlaf und weniger Wege.
    Ich weigere mich allmählich, diese „Spaziergänger“ auch nur ansatzweise verstehen zu wollen. Menschen, die ihre Kinder als „Schutzschilde“ mitnehmen, diese bei -3 Grad im Auto sitzen lassen, während Mutti und Vati gegen die Corona-Diktatur demonstrieren gehen.
    Und dann eine Polizei, die sich bei den Demonstranten bedankt:

    Diese elenden Häufchen, die auf Presse und Polizei losgehen, Behörden anzünden. Nein, ich will mit denen nicht disktutieren (die ja auch eh nicht mit mir, insofern ist die Frage obsolet).
    Die Gegendemo (die derer, die sich impfen lassen), ist jedenfalls ungleich größer.

  4. Danke für Deine anregenden Gedanken dazu, wie es Menschen während der Pandemie ergangen sein mag bzw. ergehen könnte. Antworten habe ich keine. Aber ich mache mir um die gleichen und/oder ähnliche Aspekte Gedanken. Und da mich die Gedanken Anderer immer zum eigenen Nachdenken anregen, hier mal 3 davon (als Angebot):
    Schubladen sind sicherlich nie trennscharf. Jede/r gehört mit Sicherheit in verschiedene Schubladen. Je nach Situation wird dann aber die eine oder andere Schublade wichtiger.
    Das Schubladendenken war evolutionär lebenswichtig. Wir brauchten die Gruppe. Ohne Gruppe gingen wir zugrunde. Deshalb ist es in gewisser Weise in uns verankert, dass wir zu unserer Gruppe halten und gegen andere Gruppen auftreten. Aber wir haben ja noch unser Gehirn und müssen nicht jedem Impuls nachgeben. Wir könnten also inzwischen auch anders. Das ist mühsam, aber mit Sicherheit sehr förderlich. Was sich im Moment wohl etwas ändert ist die Art und Weise des Umgehens mit anderen Gruppen – unversöhnlicher vielleicht, was wir dann als stärkere „Spaltung“ wahrnehmen.
    Was das Chaos auf den Straßen angeht, so denke ich, dass hier (u. a.) auch wieder etwas Psychologisches reinspielt. Wenn Menschen das Gefühl haben, nichts mehr im Griff zu haben, dann versuchen sie, sich dieses Gefühl zurückzuholen. Und auf die Straße zu gehen und da etwas Randale zu machen, kann durchaus das Gefühl verleihen, etwas zu tun, wieder etwas im Griff zu haben. Das ist nur der Versuch einer Erklärung, keine Entschuldigung.
    Da haben wir noch viel, worüber wir nachdenken können. Ich bin auf weitere Anregungen von Dir gespannt.

  5. Danke Frau Momo, da gehts mir ganz ähnlich. Schublade 4 und 5, zeitweise in 3.

    Wenn diese sogenannte Spaltung genau entlang dieser Linie zu dem Häufchen läuft, dann mache ich mir auch wenig Sorgen und dann ist das auch nicht schlimm, wenn ich mal eben nicht zuhöre

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