71) Koffer-Theater

Als wir vergangenes Wochenende mal wieder Erfahrung mit müden Kofferbändern machten, fiel mir so beim Warten (… und Fluchen) eine nette kleine Geschichte ein. Ich glaube, ich habe das Ereignis schon mal am Rande erwähnt, aber ich weiß nicht mehr in welchem Beitrag. Es ist aber auch so herrlich „Deutsch“ irgendwie, die kann man auch gern mehrfach bringen.

Also, ich flog in 2019 von Melbourne nach München, neben mir saß ein gesprächiger Deutscher, sehr schrill gekleidet, irgendwie anders. Alternativ, Friseur, bisschen Punk, sehr bunt, bisschen Queen … eigentlich Wurscht, aber für den späteren Verlauf dann doch wieder irgendwie relevant. Auf dem langen Flug hatten wir etwas geschnattert, nach der Landung in MUC verabschiedeten wir uns für immer … um uns dann am Kofferband wieder zu treffen.

Auch dort dauerte es ewig bis die Koffer ans Tageslicht kamen. Irgendwann spuckte das Förderband erste Koffer aus dem Keller rauf auf das umlaufende Band. Leider wurden die Koffer mit „zu viel“ aber gleichzeitig „zu wenig“ Abstand gespuckt, so dass die Lichtschranke irgendwann verhinderte, dass weitere Koffer aufs Band gewürgt wurden. Weil weitere Koffer ja nicht in die schmalen Lücken passen würden. Meinte zumindest die Lichtschranke. Während das Förderband aus dem Keller bald seine Arbeit einstellte, drehte sich das umlaufende Band weiter und bot fleißig Koffer an. Die wollte aber keiner haben. Denn die Koffer, die dringend erwartet wurden, waren noch unter der Erde. Und da standen wir nun.

Wie ging es weiter?
Der deutsche Durchschnitts-Reisende beobachtete die Situation, schüttelte den Kopf, fluchte, meckerte, drohte mit einem Anwalt und machte ansonsten … nüscht. Außer noch mal meckern. Aber es tat sich eben nichts. Die Koffer, die auf dem umlaufenden Band routierten, interessierten niemanden. Vielleicht waren die sogar von einem anderen Flieger, weiß ich nicht mehr.

Na und dann?
Dann reichte es meinem schrillen Sitznachbar, er wackelte entnervt auf das umlaufende Kofferband zu und griff die fremden Koffer und sortierte sie um.

Unter den Reisenden entstand schnell ein Gemurmel:

Ja, der kann doch nicht einfach …?
Was bildet der sich denn ein …?
Der kann die doch nicht alle …?
Das sind doch nicht seine … ?
Wo kommt der denn her …?
Was macht der da …?
Was fällt dem ein … ?
Darf der das …?

Dabei hatte der schrille Vogel nur die schweren Trümmer verschoben …
damit zwischen den Koffern größere Abstände entstanden …
die es der obersensiblen Lichtschranke erlaubten …
dem Förderband aus der Erde zu genehmigen …
die ersehnten Koffer ans Tageslicht zu würgen …
damit endlich alle nach Hause können.

Und die Moral von der Geschicht?
Pack an, mach‘ was …
und mecker nicht!

In diesem Sinne

PS: Die Like-Funktion bleibt unsichtbar, aus gutem Grunde. Kommentieren dürft ihr gern, nur Einer nicht.

Weitere Beiträge zu Koffer in allen Lebenslagen:

347) Wo sind die alle nur hin?

Egal in welchem Berufs-oder Tätigkeitsfeld, es mangelt an Arbeitskräften, heißt es. Bei den Lehrkräften, in der Gastronomie, Hotellerie, im Ground Service bei den Airports, überall. 

Aber wo sind die alle nur hin?
Das hat sicher verschiedene Ursachen. Die Sport-und Veranstaltungsbranche lag während der ersten Corona-Monate brach, die Reisebranche genauso. Logisch, dass sich Mitarbeiter anderweitig orientierten. Sicher entstanden auch neue Jobs bei Covid-Test-Centern oder bei privaten Fahrdiensten. Manche Fachkräfte sind vielleicht auch wieder in ihre Heimatländer zurückgegangen. Bestimmt haben so einige Firmen die Lockdowns auch als willkommene Restrukturierungsmaßnahme genutzt. Kann alles sein, wird wohl von allem etwas dabei sein. Aber in der Größenordnung kann ich das trotzdem nicht verstehen.

Was machen die heute alle?
Sind die ehemaligen Küchenkräfte, Reinigungskräfte, Sicherheitsdienste, Köche, Kofferträger nun mit blauen Rucksäcken auf Fahrrädern unterwegs und verteilen labberige Pizza? Sind das die Menschen, die nachts die Akkus an den tausenden E-Rollern tauschen? Die > Car-Sharing-Autos durchsaugen? Die vielen Amazon-Kuriere, die durch die Stadt hetzen? Die DSL-Berater, die auf einmal vor der Tür stehen? Sind das die Kräfte an denen es woanders nun mangelt? Und jetzt mal angenommen, das ist wirklich so. Dann hieße das doch, dass die Mitarbeiter nicht in ihre alten Jobs zurück können … oder wollen.

Was heißt das nun für diese Branchen?
Haben die ausgedient? Wurden die wegdigitalisiert, weginfiziert? Verrammeln wir die Kneipen, kleben Foto-Tapete auf die Scheiben und lassen das Food ganz trendy > nach Hause delivern? Die Barista-Bar brauchen wir auch nicht mir weil wir uns den Chai-Latte zu Hause aus dem Vollautomaten ziehen oder auch bestellen? Schließen wir die Hotels und schlafen nur noch auf den Couches fremder Menschen? Verreisen wir letztlich dann doch irgendwann nur noch virtuell? So wie hier in der Reihe > Reisen 6.0.

Solche Fragen mitten in der Nacht …

  • Weil der Flieger aus Berlin schon deutlich verspätet in Bastia ankam …
  • und wir daher erst kurz vor dem Nachflugverbot 23:40 in Berlin landeten …
  • und der letzte Express-Zug in die Innenstadt mit 00:13 geht …
  • und der ganze A319 aber mit nur mit einem Flughafen-Bus geräumt wird …
  • und die Koffer 45 Minuten nach Landung immer noch nicht ans Tageslicht gewürgt sind …
  • und man deshalb auch die Bummel-S-Bahn um 00:33 verpasst …
  • und man die Koffer erst um 00:47 in den Händen hält …
  • und man der nach der nächsten Bummel-S-Bahn 00:53 flitzt …
  • und man dann 01:50 endlich zu Hause ist …
  • dann sind das sicher alles nur Luxusprobleme … hätten ja Regional verreisen können … aber zeigt doch auch, dass es da gehörig klemmt und an Human-Ressourcen mangelt.

Aber in der Bummel-S-Bahn 00:53, war die Stimmung gut. Kaum einer trug eine Maske, das Bier floss in Strömen. Hyper Hyper!

Alles gut also … Willkommen in der Bundeshauptstadt!

Ei, Ei, Ei … da kommt was auf uns zu.

185) Koffer in Berlin

Heute war ein besonderer Tag. Wir würden unsere Homeoffice/ Homeschooling-Situation endlich mal verlassen und einen Kurz-Trip machen. Eine Hauptstadt besuchen. Und zwar so richtig! Mit Flughafen, Check-In, Ankunft und Transfer in die dortige Unterkunft. Wie früher!

Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, ständig fiel mir ein, was ich auf keinen Fall vergessen dürfte. Tickets, Brieftasche, Maske, vielleicht noch einen Schal. Es könnte frisch werden dort, entnahm ich der Wetter-App. Gegen Mittag wurde ich dann immer aufgeregter. Ich war zurück in meinem alten Dienstreise-Modus. So wie hunderte Male zuvor, arbeitete ich meine innere Checkliste ab. Ich nahm die beste Jeans aus dem Schrank, putzte sogar mal wieder die Schuhe und checkte nochmals die Verbindung zum neuen Flughafen. Ich war ja noch nie dort und wir sollten auf keinen Fall zu spät kommen. Am frühen Nachmittag ging es dann endlich los. „Abmarsch“, rief ich durch die Wohnung. „Jeder nimmt sein Zeug und dann ab durch die Mittööööö!. Und Maaaaaaaaske nicht vergessäääääääään. Alle mir nach und nichts anfassäääään!!!!“ Dann ging es mit der S-Bahn nach Ostkreuz und weiter mit dem FEX 18949 in nur 16 Minuten zum Airport BER. Respekt. Da gibts nix zu meckern. Das haben selbst die Bajuwaren noch nicht geschafft (Seitenhieb ;-)). Nach Ankunft am neuen Terminal staunten wir über die geräumigen Flächen, das Personal wartete quasi auf uns. Und weil dort Corona-bedingt natürlich nicht so viel los war und wir noch etwas Zeit hatten, haben wir sogar an einer Führung teilgenommen. Dann arbeiteten wir uns weiter vor zum Check-In, machten noch mal kurz Stopp im „Raum der Stille“ und bewegten uns in Richtung Security.

Und dann verging die Zeit eigentlich wie im Flug. Gegen 16:45 Uhr standen wir wieder bei „Ankunft“ und folgten den Schildern „Exit“ und „Train“. Der Transfer in die Stadt war dann ähnlich problemlos wie in Berlin und wir erreichten unsere Unterkunft gegen 17:30 Uhr. Leider, erst als wir unsere Zimmer beziehen wollten, stellten wir fest, dass wir wohl unsere Koffer zu Hause vergessen haben. Ach wie ärgerlich. Die Stimmung drohte zu kippen. Aber dann war es auch wieder halb so schlimm. Die Familie, die sonst in der Unterkunft wohnt, scheint in Punkto Kleidergröße und Geschmack exakt gleich zu ticken. Auch bei den Kosmetika war kein Unterschied festzustellen. Der Vater dort, nutzt die gleiche Zahnbürste wie ich, sein Pyjama sieht aus wie meiner. Nehm´ich.

Also hier, könnte ich glatt eine Woche Homeoffice aushalten, dachte ich. Und es ist ja auch gut, immer ein paar Koffer in Berlin zu haben.

PS: Danke lieber O., für die Flughafen-Führung. Es war ein toller Nachmittag und gab mir mal wieder ein wenig Reise-Feeling ;-). Ich komme gern wieder, aber dann mit Koffer!

4) Corona + Astra + Tegel = Osterausflug (Gastbeitrag Hermann)

Liebe Leser, die Stimmung dieser Tage ist nicht allzu üppig. Es gibt aber auch positives zu berichten. Hermann war beim Impfen und berichtet „live“. Aber lest selbst. Es geht aufwärts!

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Corona + Astra + Tegel = Osterausflug (Gastbeitrag Hermann)

Verrückt, vor 5 Monaten habe ich hier dem Flughafen Tegel tschüss geschrieben und heute 9:30 Uhr stand ich mit ca. 300 anderen „best agern“ vorm früheren Touristen-Terminal C an, um hineinzukommen.

Der Parkplatz P5 war voll wie zu „alten“ Flugzeiten; die Leute allerdings ohne Gepäck, schön mit Maske und auf ca. 2 m Abstand. Sonnenschein, gelockerte Stimmung, nette Kurzgespräche mit den Anstehnachbarn.

Aber wie das?
Ich bin knapp 69 und wäre erst in etwa 2 Monaten zum Anti-Corona-Schuss dran gewesen. Nach dem Astra-Durcheinander hat der Senat schnell gehandelt und eine Hotline eingerichtet, wo man ohne die geordnete Einladung als 60-69-Jährige(r) telefonisch buchen und die vorhandenen Mengen Astra-Stoff bekommen kann.

Am Donnerstag erzählte mir meine Frau davon (im Radio gehört), ich hab´s aber in der Dauer-Corona-Benachrichtigungswelle nicht ernst genommen oder nur halb hingehört. (F1)

Freitag nachmittag fragte die Tochter, ob ich denn schon den Corona-Link von ihr gelesen hätte. (als Smartphone-Privat-Verweigerer leere ich normalerweise meinen E-Mail-Briefkasten am PC nach dem Frühstück). Diesmal nicht! (F2). So hat ihre Nachfrage meine Nachlässigkeiten (F1) und (F2) kompensiert und ich hatte doch noch die Chance zur Schnellbuchung und habe tatsächlich gegen 18:00 Uhr einen Termin für heute (!!!) 9:45 Uhr im Impfzentrum Ex-Airport Tegel buchen können.

Und so lief es dann ab

Gegen 9:15 Uhr Ankunft (wegen möglicher Nachwirkungen habe ich die Frauen und den Quasi-Schwiegersohn gebeten, mich zu chauffieren; bei einer Grippeschutzimpfung machen wir nicht so viel Action, aber Corona… ja, ist halt etwas Besonderes). Ca. 300 Leute standen vor mir, nach etwa 30 Minuten war ich drin. Überall Helfer, Security, Ordner, DRK-Leute, einige Soldaten. Man wird ständig geleitet, „ausbüchsen“ geht nicht (warum auch?) und wenn man folgsam ist, versteht man auch den Sinn der Schritte. Z.B. gibt es nach der Dokumentenüberprüfung und vorm eigentlichen Impfakt noch Wartebereiche als Puffer. Mein Wartebereich war auf ca. 40 Leute ausgelegt, Stühle auf 2 m Abstand, beim Eingang wird ein Stuhl zugewiesen (eine Frau wollte gern einen anderen Platz haben, der „Aufpasser“ blieb aber freundlich und deutlich bei seiner Zuweisung). Ebenso mit System bittet ein anderer Helfer den nächsten Impfling in die eigentliche Impfstraße und weist dort eine Kabine zu. Je nach Zeitaufwand gibt es Parallelstationen. So geht alles schön der Reihe nach und ist auch recht entspannt. 
Kurzes Gespräch mit dem Betreuer vor der Impfung: er arbeitet sonst in der Organisation für Musikveranstaltungen und ist froh, einen guten und nützlichen Job zu haben, netter Kerl.

10:30 Uhr ruhiges, ausreichendes Gespräch mit dem Impfarzt und dann der Schuss. Danach bis 11:00 Uhr im Abspannbereich, falls irgendetwas wäre. Freundliche Verabschiedung mit Schoko-Osterhasen.

Draußen wieder (immer noch ca. 300 Leute beim Anstehen in der Sonne), also der Durchlauf klappt.

Das Beste: alle leicht positiv aufgekratzt, freundlicher Umgang, kein Gemecker, so waren auch die vielen Helfer zwar konzentriert bei der Sache, aber auch immer nett und entspannt.

Kein Wunder: die Leute, die dort hingehen, freuen sich auf den Piekser!

(Jetzt 18:30; bisher gar keine Nachwirkungen)

Ende Gastbeitrag

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Also Leute, bleibt cool!
Und die Chancen stehen gut, dass ich dann doch noch mal nach Tegel komme. 😉

147) Wir sind Flughafen!

Die Berliner und Brandenburger haben nun endlich einen halbwegs zeitgemäßen Flughafen bekommen. Wenn auch mit „etwas“ Verzögerung und noch bevor Mister Tesla seine Fabrik ein paar Kilometer weiter eröffnet hat. Das wäre ja noch peinlicher.

Mehr ich will zur Geschichte des Bauvorhabens gar nicht sagen, dass könnt ihr woanders nachlesen. Nach Hermanns Gastbeitrag vom Wochenende, habe ich auch noch einmal über meine Hassliebe zum Flughafen Tegel nachgedacht. Um das auch mit Zahlen zu unterfüttern, scrolle ich durch eine Excel-Datei, in der ich seit Ende der 1990-er Jahre meine Dienstreisen notiere. Ich wage kaum, es hier zu dokumentieren. Es sind 600 Dienstreisen. Ziehe ich circa 100 Reisen ab, die ich mit einem Firmenwagen gemacht habe, noch einmal 100 per Bahn oder Mietwagen, circa 30 von den Flughäfen Tempelhof oder Schönefeld und dann noch etwas Unschärfe subtrahiere, lande ich bei ungefähr 350 Reisen, die über den Flughafen Tegel führten. Da mag ich heute vor lauter Flugscham im Boden versinken. Lässt sich aber auch nicht mehr ändern. Das war halt so und heute ist es anders. Heute verreist man mit Zoom, WebEx oder Teams.

Was geht nun in mir vor? Na ja, nicht umsonst habe ich oben den Begriff Hassliebe gewählt. Lieben konnte ich den Flughafen, wenn ich von Tür zu Tür nur 23 Minuten benötigte oder auf dem Weg zwischen Flugzeugsitz und Taxi nicht einmal 10 Minuten vergingen. Hassen konnte ich ihn aber auch. Und zwar dann, wenn man ewig am Check In anstand, an der Security oder auf den Koffer wartete. Wenn man sich mal in Ruhe irgendwo hinsetzen wollte oder etwas essen. Dann hat man schnell gemerkt, wie alt und abgerockt der TXL aus den 70-er Jahren mittlerweile war. Aber auch das morbide hat irgendwie Charme und man konnte es ins Herz schließen. Aber nun is‘ vorbei. Es hat sich sozusagen ausgetegelt.

Eigentlich wollte ich noch durchs Terminal A laufen, Abschied nehmen, ein paar Fotos machen. Mit den Kids vielleicht noch einmal zum Kurt-Schuhmacher-Platz fahren, wo die Flieger nur ein paar 100 Meter über die Häuser flogen. Vorbei. Nix da. Corona sei Dank. Am 10. März habe ich den Airport zum letzten Mal betreten.

Wer noch einmal etwas Tegel-Feeling aus den letzten zwei Jahren genießen will, sei hier zu einem virtuellen Rundgang eingeladen

Und wer dann noch einen Nachschlag möchte, für den hätte ich noch ältere Stücke, die bislang nur wenige Leser in Papierform zu Gesicht bekamen. Vielleicht stelle ich die hier online. Mal sehen.

In diesem Sinne. Guten Flug. Irgendwann…

T.

Nachtrag 06-11-2020: Petraida1 hat ihre Erinnerungen zu einem Flug nach Tegel zusammengeschrieben. Lesen! —> Berliner Flughafen

1) Tschüss Tegel, Willkommen BER (Gastbeitrag Hermann)

Kürzlich schlug T. mir vor, doch einmal einen Gastbeitrag zu schreiben. Ich fühlte mich geehrt, hatte bis zum 29.10.20 aber keine Idee. Im Wachwerden hörte ich das markante Heulen gedrosselter Flugzeugtriebwerke beim Landeanflug.
Na klar: Tschüss Tegel, willkommen BER! Ich will hier nicht das Berlin / BER-Bashing aufkochen, sondern die Leser an meinen persönlichen TXL/BER-Erlebnissen teilhaben lassen.

Ganz weit zurück:
1961 zog ich als Neunjähriger aus dem schönen Sachsenland nach Berlin. Vier Monate später stand die Mauer und wir wohnten im Osten. Meine Schule lag am S-Bahnhof Pankow praktisch in der Einflugschneise für Tegel. Den Flughafen gab es damals schon; er lag im französischen Sektor. Der Flugverkehr war natürlich viel geringer als heute und wenn die Caravelle kam (ein eleganter Düsenflieger der Air France) wurde die Schulstunde für 2-3 Minuten unterbrochen. Das Ding war laut, verschwand hinter dem Häusermeer und muss wohl immer in Westberlin gelandet sein.

Nach der Wiedervereinigung nutzten wir gelegentlich den Flughafen Tegel, nun in der modernen, 1974 fertiggestellten Form. Verglichen mit anderen Airports war er charmant, kompakt, kurze Wege durch die Ringform, toll, aber eben schwer erweiterbar. In den 90ern ging es Berlin wirtschaftlich nicht gut, und einflussreiche Kräfte waren eigentlich nicht am Ausbau Berlins zum Luftdrehkreuz interessiert. Also wurden Ergänzungsbauten (Terminals) rangebastelt, um das rasant steigende Volumen zu schaffen. Die Verkehrsanbindung nur durch Busse und Taxi war eh schon speziell. Aber schaut auf wikipedia, welche Pläne es zum Ausbau gegeben hat (mehrere Ringe, U-Bahn- Anbindung, toll!).

Dennoch: Die Innenstadtlage ist für die Bequemen toll, beim genaueren Nachdenken aber hoch riskant und nur durch die frühere Insellage „Westberlin“ zu rechtfertigen.

Nun wird TXL in wenigen Tagen als Flughafen stillgelegt. Als wir Ende 2012 an den Berliner Ostrand zogen, sollte BER eigentlich schon laufen, dazu später. Stillgelegt ist das Stichwort: Bisher wohnen wir in der letzten großen Anflugkurve praktisch am Beginn des Endanfluges nach Tegel; alle 2-3 Minuten ein Flieger war bis Corona normal, es war der Sound der nahen Großstadt, nicht so massiv als Fluglärm wie in Pankow oder Reinickendorf, aber doch deutlich.  Mit dem ersten Corona- lockdown verschwanden die Flugzeuge praktisch total;
ein pandemisches Vorspiel auf die BER-Eröffnung.

Nun, seit klar ist, dass BER eröffnet und bei wieder leicht steigenden Flugzahlen, schaut man öfter nach oben „na, alles klar dort, Maschine klingt normal, komm gut bis Tegel und dort runter… Du bist der xy – Vorletzte“.

Heute ist die Eröffnung des BER „Willy Brandt“.

Alle wissen, es sollte schon 2011/12 sein. …… und kurz vorher war ich schon dort!!  
Im Februar 2012 und noch einmal Ende Mai war ich Tester. Als Beleg habe ich noch die abgebildete Eintrittskarte für die Besucherterrasse. Mal sehen, ob ich sie noch einlösen kann. Den gesamten Umzug sollte eine Münchner Spezialfirma organisieren, sie gaben uns eine gute Einweisung zu den Tests und einen groben Überblick zum Umzug incl. Sperrung der Stadtautobahn und in einer Proviant-Tüte auch diese besondere Eintrittskarte und einige Marketing-Gimmicks.

Erster Eindruck: die wissen, was zu tun ist; dann beim Test (Check-in, Koffer auf´s Band, Security usw.: O ha, noch viel Arbeit (aber ich kannte internationale Messen, da sieht es kurz vor Eröffnung auch grausam aus).

Im Mai 2012 fand die Testeinweisung auf dem Rollfeld statt, wir durften Brötchen essen, aber nicht rauchen, denn die Tanks unter dem Beton waren schon mit Kerosin gefüllt!

Beim Test war sichtbar: immer noch viel Arbeit und die großen Brocken… Brandschutz, Entrauchung etc. haben wir Laien ja gar nicht gesehen. Dann bei der Rückfahrt an der Würstchenbude am S-Bahnhof Schönefeld tuschelte Flugpersonal am Nachbartisch und abends war klar: Herr Wowereit hat den Daumen gesenkt und die Eröffnung Ende Juli 2012 abgesagt.

2020: Für den diesjährigen Test hatte ich mich wieder angemeldet, Corona hat´s ausgebremst, andere haben getestet.

Jetzt ist alles bereit, in wenigen Minuten landen die ersten beiden Flieger, etwas Nacharbeit wird es sicher noch geben. Corona sorgt mit geringeren Flugbewegungen für einen sanften Anlauf. Der überhitzte Flughype der letzten Jahre (Taxi zum Flugplatz kostet so viel wie der Flug nach London) ist abgebrochen und Änderungen in der Umweltpolitik werden wohl auch das Flugwesen zurecht rücken, sodass das Geschrei „… der ist ja bei Eröffnung schon vieeel zu klein“ einer nüchternen Betrachtung gewichen ist.

Ich wünsche dem BER ein gutes Werden, nette Passagiere und vor allem all den Leuten, die dort arbeiten, eine gute berufliche Grundlage und den Tegel-Umziehenden, dass die Abschiedstränen bald trocknen mögen.

„Glück ab, gut Land“ und „many happy landings“

Hermann, Berlin, 31.10.2020

Nachtrag 06-11-2020: Petraida1 hat ihre Erinnerungen zu einem Flug nach Tegel zusammengeschrieben. Lesen! —> Berliner Flughafen

112) Dienstreisen BC – Teil 2

<— Hier geht’s zu Teil 1

Tja und dann liebe Kinder … dann war man halt irgendwann da. Ganz einfach. Der Zug fuhr am Zielbahnhof ein oder man krachte auf eine Landebahn und wurde in die Gurte gepresst. So war das damals. Damals vor Corona. Als wir noch auf Dienstreisen waren, um Kollegen zu treffen. So richtig treffen. Ja stellt euch das mal vor.

Und weiter geht‘s:

08:00 Uhr: Jacke schnappen, Tasche greifen, Koffer holen, warten, warten, Ausgang suchen, manchmal Passkontrolle, vielleicht noch Geld wechseln, Bahn suchen, Taxi suchen und irgendwie durchschlagen. (All die Haltestangen und Knöpfe die man da gedrückt hat … Ihhhhh Pfui!)

10:00 Uhr: Beim Meeting ankommen, Hände schütteln (stellt auch das mal vor!), Kaffee trinken, in fremde Kekspackungen greifen (ja echt!) und dann den ganzen Tag in einem Raum zusammenhocken. Wenn es ganz dicke kommt, dann ohne Fenster (Ekelhaft!).

12:00 Uhr: Lunch in einer Kantine. Brechendvoll. Warteschlangen an der Ausgabe und noch einmal an der Kasse. Tabletts, Teller, Besteck wechseln von Hand zu Hand. Wollen Sie mal probieren? Bitte greifen sie doch zu! (What? …. unglaublich!)

13:00 Uhr: Fortsetzung des Meetings bis die ersten müde wirken oder irgendwer den Tag für beendet erklärt

18:00 Uhr: Abmarsch Richtung Hotel, wieder durch die halbe Stadt, einchecken, Meldeschein zum tausendsten Mal ausfüllen, Zimmer finden, Klamotten notdürftig auspacken, Jeans anziehen und dann weiter ab zum Dinner. Oft im Team. Ja im Team. In einer Kneipe. Drinnen! (Würg…)

22:30: Seit 04:00 Uhr auf den Beinen, hundemüde zurück im Hotel, vielleicht noch ein paar Nachrichten, etwas abhängen und die Überraschungen auf dem Hotelzimmer genießen. Lichtschalter die keiner kapiert, Zig Kissen die niemand braucht und Bettdecken, die im Nu völlig verwurschtelt sind.

Aber lest selbst …

Zu Erinnerung hier ein paar passende Beiträge aus alten Zeiten:

—> Hier geht’s zu Teil 3

111) Dienstreisen BC – Teil 1

Mensch, was waren das noch für Zeiten, oder? Dienstlich verreisen. Damals vor Corona. „BC“, quasi. Bevor wir es vollkommen vergessen, hier ein paar Erinnerungen aus der Mottenkiste.

04:15 Uhr: Weckerklingeln, Aufstehen, Dusche und Bad, drei Espresso, eine Scheibe Toast, Koffer-Finale, Hemd, Anzug, Gürtel, Schuhe, Laptop, Telefone, Kopfhörer und dann runter zum Taxi.

05:00 Uhr: Fahrt nach Tegel, draußen ist es duster, es laufen immer noch Party-Gänger durch die Stadt, ich gebe mich wortkarg, der Taxi-Fahrer stimmt zu einem Gespräch an, ich bleibe sparsam an Worten.

05:25 Uhr: Ankunft Airport Tegel, Bezahlen, Koffer und Jacke schnappen, Anstehen, Sicherheitskontrolle, Duty Free, Wasser kaufen, hinsetzen, warten, nachdenken, gucken, nachdenken.

05:50 Uhr: Aufruf zum Boarding, aufstehen, hinsetzen da noch nicht dran, wieder aufstehen, der Herde folgen, Handy über Scanner halten, durch die Brücke zum Flugzeug gehen … ODER … die blöde Variante … Bus-Zubringer.

06:00 Uhr: Koffer oben rein, Jacke oben drauf, Hinsetzen, „Darf ich mal“, Aufstehen, Hinsetzen, Aufstehen, Hinsetzen, Kopfhörer, Podcast oder Musik, Flug-Modus ein.

06:20 Uhr: Türen zu, Sicherheitsunterweisung, Rollen, Stopp, Warten, Rollen, Stopp, Warten, Lärm, Ruckeln, Schütteln, Abheben, Räder rein. Bing. „Bitte noch sitzen bleiben, bis die Anschnallzeichen …“. Bing

So ungefähr ging es für mich die letzten 20 Jahre alle zwei, drei Wochen irgendwo hin. Meistens im Inland, manchmal auch ins Ausland. Nicht dass ich da mit Blick auf die CO2-Bilanz besonders stolz drauf wäre, auf die Work Life Balance schon gar nicht. Ich stehe auch nicht gern kurz nach 04:00 Uhr auf und verspüre auch kein gesteigertes Bedürfnis, eingequetscht auf einem Mittelplatz zu sitzen.

„Na, sei doch froh. Jetzt, mit Corona hat sich das doch erledigt …“, mag der Leser da sagen. Ja, schon irgendwie. Seit 11 Wochen habe ich keinen Flieger und keinen Zug betreten. Keinen schlechten Kaffee getrunken, mir nicht die Beine in den Bauch gestanden und keine Belege gesammelt, um die Kohle später wiederzubekommen. Das klingt schon befreiend, ja.

Aber irgendwie … ehrlich gesagt … vermiss … , … ja ich vermisse es.

Ich würde echt gern mal wieder um 04:00 Uhr aufstehen und irgendwo hinreisen.

Zu Erinnerung hier ein paar passende Beiträge aus alten Zeiten:

—> Hier geht’s zu Teil 2

 

 

54) Treppenmangel in (T)XL

Die Billig-Airlines sind clever. Sie geben die Flugzeit München – Berlin mit 01:20 an. Eigentlich ist es nur eine Stunde. Während sich der Kranich für jede 10 Minuten Verspätung entschuldigt, protzt der orange Billig-Flieger mit „Herzlich Willkommen in Berlin Tegel, wir sind überpünktlich gelandet. Bitte bleiben Sie solange angeschnallt sitzen, bis wir unsere endgültige Warteposition erreicht haben.“ Ich habe das schon lange durchschaut, nur die Logistik an Deutschlands Museumsflughafen noch nicht.

Da fehlt es bei „vorzeitiger“ Landung entweder an ….

Auszug Chat Protokoll
18:18: wir steigen ein
18:18: sieht gut aus, bin 20:30 zu Hause
18:18: wenn der Bus kommt
18:18: und die Treppe
18:36: scheint pünktlich, wir legen ab
18:36: eine Stunde Flugzeit, sagen sie
18:40: bin jetzt off
19:50: bin gelandet
19:51: Bus ist da
19:51: aber keine Treppe

… Stellplätzen, Einwinkern, Bussen oder eben Treppen.

Während des Wartens auf die Treppe gehe ich so meine Optionen durch

  • Wie hoch ist so ein A320 eigentlich? Wenn ich mich mit meinem Hintern an die Türkante setze, könnte ich vielleicht …
  • Strickleitern … ja! Warum eigentlich nicht? Jeder, der in der Hauptstadt landet, sollte eine Strickleiter dabeihaben. Aber im Handgepäck. Ganz wichtig.
  • Vielleicht über die Notrutschen? Ich meine, … die müssen doch auch mal benutzt werden. Das macht bestimmt Spaß.
  • Vielleicht einfach die 112 anrufen? Die haben schließlich Leitern,  Rutschstangen und Sprungkissen. Mhm. Ist zu riskant. Dann nehmen die mich noch mit.
  • Oder einfach hier sitzen bleiben? Bis nächsten Dienstag?

Mann, ich will doch nur nach Hause!!

Frühere Beiträge zum Thema:

 

26) Postkarte aus Berlin: Nachthimmel

Was habe ich nicht schon alles über unseren Flughafen geschimpft. Hier auf dem Blog, aber auch in älteren Publikationen auf Papier. Wenn man aber von ihm abhebt oder auf ihn zufliegt, ist das allerdings schon ein Erlebnis, was sonst kaum noch Städte zu bieten haben.

Trotz der Klima-und Flugzeug-Diskussion möchte ich ein paar Eindrücke teilen:

Am schönsten finde ich den Abflug nach Ost. Die Maschine hebt zunächst steil ab, dreht dann bald nach rechts weg und schraubt sich stetig in die Höhe. Dem Uhrzeigersinn fliegt man dann über die östlichen Außenbezirke und sieht viel von der Innenstadt. Mit etwas Sucherei kann man sogar sein eigenes Wohnhaus entdecken. Üblicherweise sitze ich eher am Gang und kriege davon nicht viel mit, letzte Woche aber wurde ich auf einen Fensterplatz gebucht und hatte damit die Gelegenheit, am frühen Morgen ein Bild der Stadt zu machen.

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Aber auch bei Rückkehr am Abend finde ich den Anflug von Süden über Ost nach Nord am besten. Man sollte aber links sitzen. Nach dem die Crew die Kabine abgedunkelt hat, wird’s immer ruhiger in der Kabine und wegen der deutlich abnehmenden Höhe, fühlt man sich immer etwas leichter. Im Süden kann man die Seen und den neuen Flughafen erahnen, dann dreht der Flieger entgegengesetzt des Uhrzeigers über Marzahn, Ahrensfelde, Malchow, Weißensee, Pankow, Reinickendorf bis runter nach Tegel rein. Über dem Kurt-Schuhmacher Platz ist man so tief, dass man in die Wohnzimmer der Anwohner schauen kann.

Na, wat‘ jibs‘n bei euch zu’n Aben’brot?

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Schon cool irgendwie 😉