Heute hatte ich verdächtige Post im Kasten. Weißer Umschlag, kein Absender, kein Stempel, keine Marke. Meine Adresse war korrekt, aber handgeschrieben. Von einem Mann. Keiner der gern schreibt, das sehe ich. Mhm. Sehr verdächtig.
Von wem kann der Brief sein? Von einer Partei? Unrealistisch, der Wahlkampf in Berlin ist vorbei. Eine Rechnung von der Arztpraxis gegenüber? Schreiben meistens eher Damen. Werbung? Aber nicht handgeschrieben. Da will mir doch wohl nicht jemand ans Leder? Man hört ja so Einiges in diesen Tagen.
Also untersuche ich den Brief, wie ich es im Kino gelernt habe:
- Ich wiege den Brief vorsichtig in der Hand. Er ist sehr leicht.
- Ich taste ihn vorsichtig ab. Kein Anzeichen von Patronenhülsen oder Schweineaugen.
- Ich fühle nach Knopfbatterien, Kabeln oder Schaltern. Auch nichts.
- Ich schnüffele nach Anthrax. Keine Ahnung wie man das macht, geht mir aber besser dabei.
- Ich nehme den Briefkastenschlüssel und ritze … ganz vorsichtig … und langsam … den Umschlag auf.
- Ich schließe eine Auge, um nicht vollständig zu erblinden.
- Ich halte die Luft an, um keine Gase oder Bakterien einzuatmen.
- Ich linse in den Brief und sehe handgeschriebene Wortfetzen. An mich gerichtet.
Mir wird der Kragen eng:
- … schmerz …
- … aus Fernost …
- … im Kampf …
- … überleben …
- … wir wollen dir …
- … im Alltag verspürst …
Ach du Scheiße. Ich bin aufgeflogen. Meine Anonymität ist dahin. Irgendein Möchtegern-Reichsminister, ein Spinner, ein Hater, ein Geheimdienst hat mich auf dem Kieker. Wie sage ich das bloß der Gattin? Den Kindern? Wo sollen wir nur hin? Ich muss handeln. Sofort! Wen rufe ich an? Polizei, BKA, Verfassungsschutz? Oder soll ich flüchten? Über die Dächer am besten, so wie bei Bond oder Bourne?
In der Wohnung angekommen, mahne ich mich zur Vernunft und setze ich mich erst einmal hin. Ich fasse Mut, entnehme den Brief aus dem Umschlag und lese die handgeschriebenen Zeilen.
- Eine kleine Firma aus Bayern …
- „Will mir“ auf diesem Wege für die Bestellung kürzlich danken …
- Sie hofft, dass ich nun mehr Komfort „im Alltag verspüre“ …
- Und bittet um ein positives Feedback …
- Weil es für sie „im Kampf“ … gegenüber Anbietern „aus Fernost“ …
- „überlebens“wichtig ist …
- dass ich ein „schmerz“freies Sitzerlebnis habe.
Ach so … das Kissen neulich.
Meine Güte …