678) Pränatal gepromptet: Digital pre-Natives

Dass in Bus und Bahn selbst Kleinkinder mit dem Handy in der Hand sitzen, scheint inzwischen völlig normal.

Im besten Fall gucken sie die Teletubbies. Es bleibt eine Frage der Zeit, bis ChatGPT die Gute-Nacht-Geschichten schreibt und auch vorliest, während Mama und Papa im Kino sitzen. Gruselig, aber vermutlich ist das auch schon State of the Art.

Klein-Kinder kriegen also die KI schon mit der Mutter-Milch, oder gar schon vor der Geburt. Während mancher Senior noch nie was von „prompten“ gehört hat, gehört das zur Basisausstattung eines jeden neuen Erdenbürgers und wenn man das weiterdenkt, werden also irgendwann schon die Föten prompten. (Siehe unten)

Für alle, die sich fragen, was das mit dem „Prompten soll“ – hier ein kurzer Bildungsteil. Könnt ihr auch überspringen.

Prompting, prompten bedeutet, dass man der KI verklickert, was man von ihr will. Das tut man in normaler Textform, man muss kein IT-Freak sein.

Es gibt verschiedene Prompt-Muster, zum Beispiel über „klare Vorgaben“ z.B. „Zeichne ein Bild im Dali Style, es soll ein blaues Auto drauf sein, darin drei Personen und die Sonne scheint über der Toskana.“

Oder ein Prompt in Verbindung mit „Kontext und Bedingungen“ z.B. „wir sind demnächst drei Tage in Barcelona, interessieren uns für x und y, Opa ist nicht gut zu Fuß, bitte generiere ein passendes Ausflugsprogramm.“ (… das „bitte“ ist verzichtbar, mache ich aber trotzdem)

Und dann gibt es einen sogenannten „Persona-Prompt“, bei dem man die KI in eine Rolle versetzt, um weniger Bedingungen vorzugeben und mehr aus der Maschine kriegt z.B. „Du bist ein Stadtführer aus Barcelona, hast dich auf Erlebnisse für Familien spezialisiert, bitte mach uns einen Programm.“

Soweit zum Prompting

Und so sieht‘s dann ein typischer Prompt kurz vor Geburt aus:

Prompt

Liebe Eltern, nun, gut 39 Wochen nach eurem „Candlelight Dinner“ ist es bald soweit. In einer Woche ist euer bisheriges Leben zu Ende. (… Kontext und Bedingung …)

Ihr werdet auf einmal Eltern sein (… nun Personaprompt …) und umstellen müssen.

(… und dann klare Anweisungen …)

Wenn immer ich auch nur ansatzweise schreie oder quietsche, steht ihr bitte sofort auf und besorgt Milch, Windeln oder Zuneigung.

Task auslösen: Aktiendepot öffnen und bis zum 18. Lebensjahr auf 10.000 € füllen + Inflation … ich bin nicht blöd.

Zum dritten Lebensjahr hätte ich gerne ein Tretauto, du Papa hattest damals keins, du weißt, wie schlimm das war.

Task auslösen: Kitaplatz buchen, bilingual, vegan.

Zum sechsten Lebensjahr gehe ich auf die International School, ein großes Sommerfest mit allen Freunden und Bekannten wäre angemessen.

Task auslösen: Bewerbung schreiben.

Zum 18. Lebensjahr, das Sparguthaben bitte via PayPal auszahlen und mein Zimmer von jeglicher Nachnutzung ausschließen.

ENTER

 

-1) Akteneinsicht: Über Bande

Es ist nie zu spät, Reue zu zeigen und sich an den Rand der Selbstanzeige zu bringen.

Dieser Beitrag führt mich zurück in die Mitte der achtziger Jahre, lass es 1988 gewesen gewesen sein oder so. Und da der Beitrag zeitlich vor dem >Prolog zur Reihe „Akteneinsicht“ liegt, bekommt er die Nummer -1, ein Prequel quasi, das machen Drehbuchschreiber auch hin und wieder, wenn ihnen nach Drehschluss noch was einfällt. 

Wie es sich für junge Staatsbürger der DDR gehörte, waren die meisten von uns bei den Pionieren organisiert. Man hätte sich auch dagegen wehren können, aber nun ja … hätte hätte Halstuchkette. Aber das war nur die offizielle Organisation, so „richtig“ organisiert war man nur in einer „Bande“, etwas später dann auch „Gäng“ genannt. Eine handvoll Jungs, die sich die Treue schworen und fortan füreinander da waren, um durch dick und dünn zu gehen.

Und wie es sich für gut erzogene Jung-/Thälmann-Pioniere gehörte, gab es bei uns auch schnell ein Statut und eine Gruppen-Kasse, bei der immer unklar blieb, was mit den Beiträgen eigentlich geschah, nachdem sie beim Treffen vor dem Schulhof vom Banden-Chef kassiert wurden. War ich Banden-Chef, nein das widerspricht meinem Naturell, vielleicht war ich der eher „Stabs-Chef“ oder die „Strategie-Abteilung“ … dafür hatten wir aber noch keine Wörter parat.

Die Alltagsbeschäftigung unserer Bande bestand nicht daraus irgendwelche Gangster zu jagen, denn die gabs es damals nicht. Wir hatten andere Aufgaben:

  1. Über die Hinterhöfe ziehen, Heimlich rauchen, Cabinet, Club, F6, Alte Juwel, je nachdem was Väter oder ältere Brüder der Gang-Mitglieder so im Schrank liegen hatten.
  2. „Spicken“ spielen, so nannten wir das Spiel mit Taschenmessern, die man dem Gegenüber vor die Füße in den Boden warf … und hoffentlich nie die „eigenen“ guten Turnschuhe traf. Denn das hätte Ärger gegeben.
  3. Zündplätzchen im Zauber-oder Spielzeugladen auftreiben, dann draußen sofort mit Kronkorken oder Glasscherbe zünden.
  4. Modell-Flugzeuge mit „Duosan“ (Flüssigkleber) füllen, dann noch 3-4 mal tief einatmen … genießen … bevor man die Konstruktion anzündete und im hohen Bogen in die Luft warf oder vom Balkon kippte.
  5. Aus Lockenwicklen, Fingern von Gummihandschuhen und Panzerband eigene Katapult-Geschosse bauen, mit denen man Erbsen auf Tauben oder Passanten schoss. Das tat weh … ehrlich gesagt.
  6. Einen Flummi auf die große Kreuzung werfen und zusehen was geschah. Mit Flummi‘s musste man aber sehr haushalten, die gab es nicht an jeder Ecke. Diese Aufgabe wurde dann oft dem Bandenmitglied mit Westverwandschaft übertragen.
  7. Münzen oder Steine auf die Gleise der Straßenbahn legen und hoffen, dass sich ein toller Funkenflug ergibt oder eine platte Münze.
  8. Das Tarifsystem im Berliner Sport-und Erholungszentrum (SEZ) mit Wellenbad austricksen, mit dem wir länger als die normalen zwei Stunden bleiben konnten (ich meine das war eh nur ein Eintritt von 1,70 Mark … aber von „nüscht kommt nüscht“).
  9. Am Nachmittag auf der sogenannten „Titten-Wiese“ herumlungern. Eine Liegewiese im SEZ-Park, auf der sich viele Damen sehr freizügig der sozialistischen Sonne und ihrem Lauf hingaben.
  10. … und ja, wir haben den schmächtigen D. in eine Mülltonne gesteckt. Das tut mir heute noch Leid.

Nun, das ist sicherlich nichts, worauf man groß stolz sein sollte. ABER: wir haben uns eigentlich nie ernsthaft mit anderen gekloppt, es gab keine Bandenkriege und wenn mal einer am Boden lag, war halt Schluss.

In dem Sinne. Schluss.

572) Gebildeter Haushalt

Ich beseitige die abendlichen Kampfspuren in der Küche. Genutzte Teller, schmutziges Besteck und Brotkrümel müssen verschwinden. Ja genau, ganz besonders die Brotkrümel. Denn wenn ich dann am Küchentisch noch etwas schreiben will und meine Unterarme liegen dabei auf Krümeln, ist ganz schnell Feierabend.

In der Wohnung über uns, so nah klingt es zumindest, versucht sich jemand im Posaune spielen. Sinatras „My Way“ soll es heute sein und es klappt schon ganz gut. „And more, much more than this. I did it my way“. Darauf ein Glas Wein. Prost, Frank!

Im Zimmer nebenan sitzt das große Kind am E-Piano und spielt „Comptine d’Un Autre Été“ der fabelhaften Amélie. Nur für mich und für Elise, die gleich danach auf dem Programm steht.

Zwanzig Minuten später macht sich jemand an der Wohnungstür zu schaffen. Der Stammhalter kommt vom Fußball-Training zurück, lässt die Tür ins Schloss krachen, schmeißt den Rucksack in die Ecke und die Schlüssel auf die Kommode. Damit haben wir nun auch die Schlaginstrumente gehört, das Konzert ist komplett.

Abgekämpft betritt er die Küche, lauscht dem musikalischen Treiben und dann haut er doch raus:

„Klingt ja wie so‘n richtig gebildeter Haushalt“.

Danke

429) Learn letting you go

Reaching Airport early Sunday
Having routine, is all okay
Traveled so many times
Surely no surprise

Dropping suitcase, checking time
Still early, no waiting line
Looking for the gate
All nervous, although not late

Approaching gate of glass
Scan your boarding pass
Hug, kiss, but won‘t follow
Need to learn letting you go

Fürs große Kind, das morgen eine längere Reise antritt.
Allein.
Bon Voyage

427) Buchstabensuppe mit Alles – 5

Der Wifi-Status schwankt zwischen „Wechselhaft“ und „Keine Information“. Nun bitte einmal raten wo ich bin! Genau in der Bahn nach München und weil auf der Strecke groß gebaut wird, dauert das heute 6,5 Stunden. Wie früher. Und weil Kids „auf der Schnellstrecke spielen“ müssen wir vor Würzburg noch einen Schlenker fahren. Wir wollen die Kids ja nicht über den Haufen fahren. Was machen die da überhaupt? Wie kommen die dahin?

Zeit für etwas Buchstabensuppe mit Alles:

Volksentscheid:
Der Volksentscheid für vorgezogene Klima-Ziele in Berlin ist gescheitert. Ich war auch hin-und hergerissen, habe aber letztlich für „Ja“ gestimmt. Auch wenn die Ziele vielleicht nicht ganz realistisch sind, wäre es doch mal ein deutliches Zeichen für die Hauptstadt gewesen. Das Ergebnis war aber auch zu erwarten. Der Senat hatte zig Ausreden erfunden, um den Volksentscheid NICHT zusammen mit Wiederholungswahl im Februar stattfinden zu lassen. Da wo die Wähler eh im Wahllokal gewesen wären, wäre die Wahlbeteiligung sicher höher ausgefallen und genau das wollte man eben nicht.

Streik:
Schwierig. Natürlich sollen die Leute vernünftig bezahlt werden. Aber da nun mal ruhende Flieger und Züge angekündigt waren, hatte ich mir als Plan B schon ein Auto gemietet, was ich ja eigentlich reduzieren wollte. Und jetzt mal angenommen, der Bahn-Ausbau „nimmt Fahrt“ auf, die Individual-Mobilität nimmt mal deutlich ab und Inlandsflüge gibts irgendwann nicht mehr. Was dann? Soll ich dann beim nächsten Streik nach München wandern?

Schule:

Ach Schule. Das Thema ist so ermüdend. Da ist nicht nur der baufällige Plattenbau in dem die Kids nicht mal ordentlich aufs Klo gehen können. Da sind auch Lehrer/Innen, die mit der Klasse vollkommen überfordert sind, und die Kids im Unterricht auf den Tischen tanzen. In einem anderen Fall challenged eine Lehrerin die Kids dermaßen über den Lehrplan hinaus, dass die mit Menge und Komplexität der Aufgaben völlig überfordert sind und Sonntag schon Magenkrämpfe und Kopfschmerzen kriegen, wenn sie nur an Montag denken. Ich bin so froh, dass ich nicht mehr zur Schule muss und ich bin so enttäuscht, dass sich da in den letzten 30 Jahren eigentlich nicht viel verändert hat.

Annuschka hat einen tollen Artikel geschrieben, jetzt nicht exklusiv zum Thema Schule, sondern zu Bildung, Förderung und den Umgang mit Kids in der Gesellschaft, erst recht, wenn sie nicht die besten Voraussetzungen haben

https://annuschkasnorthernstar.blog/2023/03/20/da-werden-kleine-verbrecher-grosgezogen/

Gern weiterempfohlen.

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27) Ferienlager

Denke ich so an meine Ferienlager-Fahrten als Kind zurück, habe ich sehr viele Erinnerungen. Viele davon sehr schön, nur wenige, die ich meinen Kids nicht wünschen würde.

Ein paar Bilder aus der Erinnerungskiste:

  • Ein wortkarger Hausmeister, nebst fleischiger Gattin in der Küche, mit denen man sich bereits kurz nach Ankunft schon mal gut stellen sollte.
  • Ein Speisesaal, in dem es immer etwas „eigen“ roch und der tagsüber einen Riesen-Kessel abgestandenen Wald-und Wiesentee bereit hielt.
  • Ein Bagger-See, mit Kies-Strand, Krüppel-Kiefern, Holz-Steg und zahllosen unbestätigten Sagen, die sich um dieses Gewässer rankten.
  • Eine Tischtennis-Platte, um die immer 20 Kinder standen und fürs „Chinesisch“ die nur drei vorhandenen Kellen durchreichten.
  • Ein Klub-Raum, der ein paar zerlesene Bücher, diverse Brettspiele und einen verschlossenen Fernseher mit nur zwei Sendern zu bieten hatte.
  • Eine Nachtwanderung, bei der man eine kurze Strecke „allein“ oder mit „Partner der Wahl“ gehen sollte musste, bewaffnet mit einer Taschenlampe, (wenn man jemanden kannte, der eine Lampe hatte).
  • Eine Kinder-Disco, auf der Die Ärzte, Pet Shop Boys und Depeche-Mode liefen und zum Ende noch eine „langsame Runde“ auf die ganz Mutigen wartete. Ich kann es immer noch hören. „Purple Rain“ von Prince, „Take my Breath Away“ von Berlin und „Sweet Sixteen“ von Billy Idol. Als wäre es gestern gewesen.

Ach großartig, da würde ich doch gern noch mal hin zurück.

Nehme ich heute die Ferienlanger-Anmeldung meiner Tochter zur Hand, finde ich da unter anderem folgende Passagen:

  • „…Belehren Sie bitte Ihr Kind, das es während der Reise und am Reiseort den Alkohol-und Nikotinkonsum entsprechend dem Jugendschutzgesetz beschränkt bzw. zu unterlassen hat…“
  • „…Hieb-, Stich- und Schusswaffen dürfen weder mitgenommen, noch am Reiseort erworben werden…“
  • „…Das Kind wurde darüber informiert, den Anordnungen der Betreuer Folge zu leisten. Die Haftung bei selbständigen Unternehmungen des Teilnehmers liegt auf Seiten des Teilnehmers bzw. den Sorgeberechtigten…“
  • „…Bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen (z.B. Alkohol, Drogen, Gewaltdelikte oder Sachbeschädigung) kann der Teilnehmer auf Kosten der Sorgeberechtigten nach Hause geschickt werden…“

Mein lieber Scholli! Also Gruppenleiter (… oder neudeutsch „Coach“) will man da heute auch nicht mehr sein, oder?

Frühere Beiträge aus dem Leben mit Teenies:

38) Nervensäge in der Luft

Es ist Sonntag 06:45 Uhr, ich besteige meinen Flieger und freue mich auf eine Stunde Ruhe. Der Wecker hat heute schon 04:15 Uhr geklingelt, das ist echt zu früh fürs Wochenende, also vielleicht kann ich über den Wolken noch etwas schlafen. Nach dem ich es mir auf meinem Platz halbwegs gemütlich gemacht habe, betritt eine Großfamilie den Flieger. Auf einmal herrscht viel Getöse, ich verstehe kein Wort von dem, obwohl der Vater so laut ruft, als befehlige er eine ganze Kompanie. Die Meute läuft hintereinander den Gang entlang und sucht die Sitzplätze. Umso weiter sie das Flugzeug erobern, umso lauter quäkt es aus einem schlechten Lautsprecher. Irgendwelche Kinder-und Monsterstimmen schreien sich an, scheinen sich zu jagen. Ich kann das noch gar nicht zuordnen.

Der Vater hält abrupt an der Reihe vor mir und stoppt den Zug. Och nöö, bitte nicht. Hinter mir ist doch auch noch viel Platz. Hinter dem breiten Vater wird der Rest der Sippe sichtbar. Alle genauso übergewichtig, ganz wie ihre bunten Koffer, die sie als „Handgepäck“ hinter sich herziehen. Ein dicker Sohn um die 14 Jahre, eine dicke Tochter so um die 10 und dann noch ein kleiner Sohn, 5 Jahre alt würde ich mal sagen. Nicht dick. Noch nicht. Er hält Handy an sein Ohr, aus dem diese Stimmen schreien. Hat der Bengel denn keine Kopfhörer?

Sie verteilen ihre Roll-Schränke in den oberen Fächern, der größte von ihnen guckt noch 10 Zentimeter aus dem Fach heraus. Als eine Flugbegleiterin den Vater darauf hinweist, dass die Klappe so niemals zugeht, tut der so als kapiere er das nicht. Das Handy des kleinen Sohns schreit pausenlos, ringsherum schütteln Passagiere schon mit dem Kopf. Aber keiner schreitet ein. Ich auch nicht. Gilt man dann gleich als Kinder-Hasser, wenn man da mal etwas sagt? Wird der Fratz dann noch lauter und dreht erst recht durch, wenn er nichts mehr aus dem Sprechkasten hören darf? Als der Flieger auf den Runway einbiegt, schalten sie das Gerät zum Glück ab. Es wird plötzlich ruhig vor mir in der Reihe. Vielleicht ist er jetzt ja müde und schläft noch mal ein? Ich vielleicht auch?

Aber kaum ist der Flieger in der Luft und es gongt, will der kleine auf die andere Seite des Ganges zu seiner Mutter wechseln. Neben ihr ist noch ein Platz frei, den der Racker lautstark erklimmt. Das Flugzeug ist noch in Schräglage, die Anschnallzeichen leuchten, aber die Nervensäge hält Sitz und Rückenlehne für eine Hüpfburg mit Rutsche. Die Eltern unternehmen nichts. Als der Tyrann auf diese Weise keine Aufmerksamkeit erlangen kann, nimmt er sich seinen Vordersitz vor. Klapp-Tisch runter, Klapp-Tisch rauf, Klapp-Tisch runter, Klapp-Tisch rauf, Trommel-Wirbel mit den Schuhen gegen die Lehne vor ihm. Sein Vordermann bekommt kein Auge zu, würde er aber gern, so wie er aussieht. Nach 15 Minuten kommt endlich der Getränkewagen, das lenkt das nervende Balg etwas ab. Der Steward fragt die Familie nach ihren Getränke-Wünschen ab. Zwei Cola, zwei Fanta und eine Sprite für den kleinsten. An einem Sonntagmorgen um 07:15 Uhr. Na Großartig, dann kriegt der jetzt noch einmal einen Energie-Schub.

Nachtrag, Mittwoch, 16. Januar, Dubai:

Mein Kollege und ich gehen zum Frühstück. Wir suchen uns einen ruhigen Platz am Fenster. Kaum sitzen wir, schreit und quietscht es schon wieder aus einem Lautsprecher. Ich zucke zusammen. Ist die Familie aus dem Flieger etwa auch hier abgestiegen? Aber nein. Am Nachbartisch sitzen 3 Erwachsene und ein Kind. Alle vier Frühstücken. Einer von ihnen spielt dabei lautstark auf dem Handy. Wer?

35) Eislaufen über 40

Um endgültig bewiesen zu bekommen, dass man ab Anfang vierzig so langsam älter wird, muss man keinen Stadtmarathon laufen oder die Zug-Spitze auf einem Bein hinaufhüpfen. Das kann man einfacher haben. Geht einfach mal Eislaufen! Also ich meine nicht nur an die Glühwein-Hütte nebendran, sondern richtig rauf auf das Eis, mit Schlittschuhen. Nur eine Stunde lang, das reicht schon. Bevor wir also losgehen, erinnern wir die Kids, dass sie sich bitte warm anziehen sollen. Solch eine Eishalle ist schließlich kalt. War sie früher auch schon. Auf dem Weg zur Halle erzähle ich von meinen früheren Eiskunstlauf-Probe-Trainings für den Turn-und-Sport-Club in unserem Kiez. Der Club hatte damals in den benachbarten Kindergärten die künftigen Leistungssportler getestet, mich dann aber bald wieder an eine andere Sportart „empfohlen“. In meiner Teenie-Zeit war ich dann auch ein paar Mal in der Eishalle, aber da ging’s weniger ums Eislaufen, eher um die Mädels dort. Das scheint den Kids schon Kompetenz genug zu sein und sie erwarten natürlich ein paar spektakuläre Sprünge und Landungen vor mir. Die Latte hängt also hoch. Wir gehen zur Kasse und zahlen Eintritt und Leihgebühr für die Eislaufschuhe. Das war einfach. Dann tauschen wir unser Schuhwerk gegen blaue „Knobel-Becher-Eislaufschuhe“. Es dauert etwas, für uns vier die beste Größe und Einstellung herauszufinden. Gegen 17:00 Uhr betreten wir die Eisfläche. Auf den ersten Metern komme ich überhaupt nicht klar. Das war früher viel einfacher. Da muss ich erst einmal meckern. Das Eis ist Mist! Die Schuhe sind doof! Die Kufen sind nicht ordentlich geschliffen! Warum sonst eiere ich hier so auf dem völlig verschneiten Eis? So kann doch keiner fahren! 

Aus der Musik-Anlage tönen Vanilla Ice mit „Ice Ice Baby“ und Snap! mit „Rhythm is a Dancer“. Krass, das läuft noch? Bald bin ich schneller unterwegs und gewinne zusehends an Stabilität … geht doch wieder. 

Links an mir zieht ein 14-jähriger Bubi vorbei. Er nimmt sich dabei selbst mit seinem Handy auf. Er fährt wie ein Olympionike, hüpft, dreht sich, springt und hält seinen Selfie-Stick wie der Musketier einen Degen. Respekt! Aber zum Glück empfindet meine Tochter noch nichts für solche Poser. 

Prompt überholt mich rechts ein Mädel in Kapuzen-Shirt und Karottenhose. Warum hat die sonst nichts an? Es ist doch kalt in einer Eis-Halle. Und warum sehen unsere Kids aus, als wären sie zum Nordpol unterwegs? Na immerhin die Klamotten der Girls scheinen noch dieselben zu sein wie bei uns in den 80-er Jahren

Vor mir schiebt ein vierjähriger mit Bommel-Mütze einen Pinguin auf Kufen vor sich her um sich an ihm festzuhalten. Gleich hinten dran folgt sein Vater auf wackeligen Beinen, der sich an seinem Sohn festhält. Am liebsten hätte der Vater vermutlich den Pinguin selber gehabt, aber das fand er wohl uncool.

Anstelle von dramatischen Sprüngen, atemberaubenden Hebefiguren und Pirouetten, entscheide ich mich lieber dafür, ein paar Schlangenlinien und Zwiebeln zu fahren. Mehr geht heute auf diesem Eis echt nicht. Tür mir Leid. Aber ich erhöhe die Geschwindigkeit, um ein absolutes „Muss“ in einer Eis-Disco unter Beweis zu stellen. Nämlich mit Affen-Speed auf die Bande zufahren, ganz kurz vorher abbremsen, dann um die eigene Achse drehen und mit coolem Blick rückwärts an der Bande lehnen…

Frühere Beiträge aus dem Familienleben:

26) Socken-Memory

Das man Waschmaschinen häufig vorwirft, unsere Socken zu fressen, ist allgemein bekannt. Andererseits ist das technisch kaum möglich. Die Waschmaschine hat keinen zweiten Ausgang und wenn all die fehlenden Socken wirklich noch in der Waschmaschine wären, wäre sie verstopft und hätte schon längst den Geist aufgegeben. Jeder hat vermutlich seine eigene Theorie, wie es eigentlich dazu kommt, dass man nach dem Öffnen des Bull-Auges häufig „Single-Socken“ findet. Vielleicht gibt es mittlerweile schon wissenschaftliche Arbeiten über dieses Wohlstands-Problem. Doch wie kann man der Situation Herr und Frau werden?

Bei Erwachsenen kann man folgendes probieren:

1. Ein Groß-Kontingent an gleichfarbigen Socken kaufen, alles austauschen und alle noch später auftauchenden andersfarbigen Socken wegschmeißen. Das klingt sehr drastisch, im Falle von Socken ist das vielleicht aber noch vertretbar.

2. Mit Socken-Klammern, Wäsche-Netzen und anderen Hausmitteln probieren, das Problem zu managen. Oder eine eigene Erfindung dafür machen, Patent anmelden und reich werden. Dann in ein Land umziehen, wo man nur selten Socken benötigt.

Beide Ansätze eignen sich für Kinder nicht so gut. Durchgehend schwarze oder graue Socken finden sie vermutlich doof und alle Hausmittel funktionieren nur, wenn sich auch beide Socken an einem Ort befinden. Aber hier beginnt das Problem ja bereits.

Einzelne Socken befinden sich bei Kids aber noch in Hosen, Sporttaschen und Schlafsäcken. Sogar außerhalb der Wohnung liegen sie. Bei den Großeltern, in der Schule oder auf dem letzten Kindergeburtstag. Im schlimmsten Fall im Schullandheim 300 km weit weg. Ohne ein Socken-Ortungs-System besteht kaum eine Chance.

Da bleibt nicht viel anderes übrig, als die Singles in einem Korb zu sammeln und die Kids alle paar Wochen zum gemeinsamen „Socken-Memory“ aufzurufen. Also gemeinsam den Korb auskippen und dann passende Socken-Paare suchen. Die Kids begreifen aber schnell, dass dahinter kein Spiel steckt und verlieren bald die Lust dazu. Irgendwann sitzt man allein da. Hat man dann krampfhaft  6-7 passende Paare gefunden, legt sie übereinander und zieht sie etwas in die Länge, stellt man fest, dass die vermutlich schon zu klein sind. Soll man sie nun letztlich doch in die Kleider-Tonne oder in den Müll werfen? Und was macht man dann mit dem Rest der Singles? Noch ein paar Wochen warten, bis die zweite Socke auftaucht? Ist das noch realistisch? Und was ist eigentlich, wenn man gar nicht mehr die erste Socke in der Hand hält, sondern bereits den Zweiten?

PS: Bei der Gelegenheit: Auch wenn das hier kein Hausmittel-Forum werden soll. Hat denn jemand einen entspannten Umgang damit gefunden? Wenn ja, dann einfach unten kommentieren. DANKE

Frühere Beiträge zum Thema Haushalt:

2) Milch im Überfluss

Meine Frau und ich stehen jeden Tag zwischen 05:30 und 05:45 auf. Wir beide genießen für uns die Ruhe des Morgens und tun was uns jeweils wichtig ist. Wir sind relativ entspannt dadurch. Um 06:30 werden die Kids geweckt und wir rufen zum Frühstück. Nacheinander finden sich die müden Gesichter in der Küche ein . Die Kids mögen Cornflakes. Also Packung auf, Cornflakes in die Schüssel und Milch-Tetra-Pak aufgedreht. Da steht sie also die offene Milch. Nicht lange. Durch ein Missgeschick kippt der 1-Liter-Karton und gluckert mit Geräusch vor sich hin. Bildet die Milch anfänglich auf dem Tisch noch einen See, ergießt sie sich bald wie ein Wasserfall ins Tal. Also aufs Parket und in die Ritzen. Panik! Alles rennt durcheinander. Das Küchenpapier ist ein toller Helfer in solchen Situationen. Leider waren nur noch ein paar Blatt Papier auf der Rolle.