406) Ranjid – Multitasking Food Hero

Lieferdienste auf Rädern breiten sich hier aus wie eine Pandemie. 

Diese Lieferhelden fallen mir auf durch drei Dinge:

  1. Ihre auffällige, bunte Kleidung (gern auch mit Turban)
  2. Ihren Fahrstil (nach Mumbai-Karachi-Kabul-Standard)
  3. Ihre Multitasking Ability (What?)

Ja, die Fähigkeit mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Denn während sie sich durch den Berliner Asphalt-Dschungel arbeiten und dabei jede Vorfahrt missachten, telefonieren sie parallel. Eigentlich … ständig.

Und da frage ich mich doch, mit wem die da eigentlich reden?

Freunde im Ausland?
Kann ich mir nicht vorstellen, denn wenn der deutsche Bürger Bock auf eine pappige Pizza aus einer Pizza-Pappe hat, ist doch in Indien, Pakistan, Kabul schon spät.

Nimmt der vielleicht Bestellungen an?
Wäre ja der Hammer. Bezahle einen Inder, lass ihn neue Bestellungen annehmen während er gerade andere Lieferungen ausfährt. Produktivität 200% bei 80% Mindestlohn. Das ist schlau. Für den Eigentümer.

Ach nee. Ich hab‘s. Der hat noch einen Dritt-Job! Jawoll.
Während er Pizza-Bestellungen annimmt und Pizzen ausfährt, jobbt er nebenbei noch für ein Indisches Call-Center. Wenn also z.B. Briten ein Problem mit ihrem Computer haben, rufen die eine Englische Telefonnummer an, die kommt aber eigentlich eh in Bengaluru raus und weil der Pizza-Fahrer ja eh schon von Deutschland bezahlt wird und „sonst nix“ auf dem Drahtesel zu tun hat, werden ihm die Calls aus Bengaluru a.k.a. London nach Berlin weitergeleitet. Das ist dann für die Briten auch nicht so weit weg und es ist für sie ein vertrauter Kulturkreis.

Das ist doch eine Win-Win-Win-Situation! Der Betreiber des Lieferladens ist happy, der Brite der ein PC-Problem hat und na … der Ranjid …, den der ist von allen voll „appreciated“ und kann alle seine „Potentials“ als flexible Human-Resource voll entfalten und an seinem „personal growth“ arbeiten.

Also … what will man mehr? 

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372) Beim Bestellen verhungert

Neulich hatte ich diese Tapete Lieferdienstes im Briefkasten. Die passte da gar nicht rein, guckte weit aus dem Schlitz raus. Auf einem halben Quadratmeter schwarz bedrucktem Papier versprach man mir „Asiatische Momente“. Geliefert aus 5 KM Entfernung … aus Berlin Lichtenberg (?!).

Also ich bestelle ja durchaus mal was, aber dann hole ich das meistens selber ab, weil ich dann das Gefühl habe, Zeitpunkt und Temperatur im Griff zu haben. Auf keinen Fall würde ich Essen aus Lichtenberg bestellen, liefern oder abholen lassen. Nie und nimmer. Das sind hin und zurück locker 30-40 Minuten mit dem Auto.

Aber darum gehts heute nicht, mir gehts mal wieder um die schiere Menge an Optionen auf diesem Zettel.

Die kleinste Bestellnummer war natürlich die 1, die größte die 718. Es waren aber nicht alle Nummern vergeben, also habe ich die gezählt.

Ich kam auf ca. 413 bestellbare Dinge:

  • 55 Vegane Momente
  • 12 Suppen
  • 24 Finger Food und Salate
  • 120 Hauptspeisen
  • 150 Sushi-Kreationen
  • 35 Extras
  • 17 Getränke

Die Karte schloss ab mit dem Satz:

„Für dich war noch nichts dabei“
„Wir helfen dir die passende Alternative zu finden“

Tut mir Leid, aber das ist doch im höchsten Maße bescheuert. Wenn ich das alles gelesen und hier diskutiert habe, bin ich verhungert!

Und wieder einmal schließe ich einen Beitrag mit einem Zitat aus „Essentialism: The Disciplined Pursuit of Less“ von Greg McKeown

As Peter Drucker said, “In a few hundred years, when the history of our time will be written from a long-term perspective, it is likely that the most important event historians will see is not technology, not the Internet, not e-commerce. It is an unprecedented change in the human condition. For the first time – literally – substantial and rapidly growing numbers of people have choices. For the first time, they will have to manage themselves. And society is totally unprepared for it.

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347) Wo sind die alle nur hin?

Egal in welchem Berufs-oder Tätigkeitsfeld, es mangelt an Arbeitskräften, heißt es. Bei den Lehrkräften, in der Gastronomie, Hotellerie, im Ground Service bei den Airports, überall. 

Aber wo sind die alle nur hin?
Das hat sicher verschiedene Ursachen. Die Sport-und Veranstaltungsbranche lag während der ersten Corona-Monate brach, die Reisebranche genauso. Logisch, dass sich Mitarbeiter anderweitig orientierten. Sicher entstanden auch neue Jobs bei Covid-Test-Centern oder bei privaten Fahrdiensten. Manche Fachkräfte sind vielleicht auch wieder in ihre Heimatländer zurückgegangen. Bestimmt haben so einige Firmen die Lockdowns auch als willkommene Restrukturierungsmaßnahme genutzt. Kann alles sein, wird wohl von allem etwas dabei sein. Aber in der Größenordnung kann ich das trotzdem nicht verstehen.

Was machen die heute alle?
Sind die ehemaligen Küchenkräfte, Reinigungskräfte, Sicherheitsdienste, Köche, Kofferträger nun mit blauen Rucksäcken auf Fahrrädern unterwegs und verteilen labberige Pizza? Sind das die Menschen, die nachts die Akkus an den tausenden E-Rollern tauschen? Die > Car-Sharing-Autos durchsaugen? Die vielen Amazon-Kuriere, die durch die Stadt hetzen? Die DSL-Berater, die auf einmal vor der Tür stehen? Sind das die Kräfte an denen es woanders nun mangelt? Und jetzt mal angenommen, das ist wirklich so. Dann hieße das doch, dass die Mitarbeiter nicht in ihre alten Jobs zurück können … oder wollen.

Was heißt das nun für diese Branchen?
Haben die ausgedient? Wurden die wegdigitalisiert, weginfiziert? Verrammeln wir die Kneipen, kleben Foto-Tapete auf die Scheiben und lassen das Food ganz trendy > nach Hause delivern? Die Barista-Bar brauchen wir auch nicht mir weil wir uns den Chai-Latte zu Hause aus dem Vollautomaten ziehen oder auch bestellen? Schließen wir die Hotels und schlafen nur noch auf den Couches fremder Menschen? Verreisen wir letztlich dann doch irgendwann nur noch virtuell? So wie hier in der Reihe > Reisen 6.0.

Solche Fragen mitten in der Nacht …

  • Weil der Flieger aus Berlin schon deutlich verspätet in Bastia ankam …
  • und wir daher erst kurz vor dem Nachflugverbot 23:40 in Berlin landeten …
  • und der letzte Express-Zug in die Innenstadt mit 00:13 geht …
  • und der ganze A319 aber mit nur mit einem Flughafen-Bus geräumt wird …
  • und die Koffer 45 Minuten nach Landung immer noch nicht ans Tageslicht gewürgt sind …
  • und man deshalb auch die Bummel-S-Bahn um 00:33 verpasst …
  • und man die Koffer erst um 00:47 in den Händen hält …
  • und man der nach der nächsten Bummel-S-Bahn 00:53 flitzt …
  • und man dann 01:50 endlich zu Hause ist …
  • dann sind das sicher alles nur Luxusprobleme … hätten ja Regional verreisen können … aber zeigt doch auch, dass es da gehörig klemmt und an Human-Ressourcen mangelt.

Aber in der Bummel-S-Bahn 00:53, war die Stimmung gut. Kaum einer trug eine Maske, das Bier floss in Strömen. Hyper Hyper!

Alles gut also … Willkommen in der Bundeshauptstadt!

Ei, Ei, Ei … da kommt was auf uns zu.

317) Da geh‘ ich schon mal in‘ Laden und dann …

Ich brauche drei verschiedene Dinge,
Aus dem Elektronik -/ Computersegment,
Hab‘ konkrete Ideen und Vorstellungen,
Ist aber auch nicht super-kompliziert.

Mache mich vorher schlau im Netz,
Lese, suche, informiere mich,
Will ja nicht ganz doof da stehen,
Würde mir das gern mal anschauen,
Mal anfassen, in die Hand nehmen,
Denn das ist bei den Dingen essentiell,
Ich würd‘s auch gern dort kaufen,
Gleich von dort mitnehmen,
Nicht wieder nach Hause gehen,
Um dann doch online zu bestellen,
Nein, den Einzelhandel stärken,
Arbeitsplätze sichern, Beratung annehmen.

Also latsche ich zum Elektronik-Markt,
Zur Firma „schwarz/orange“,
Der „größte der Stadt“, ein Mega-Ding,
Aber Baustelle dort, reduziertes Sortiment,
Kaum einer da, wie ausgestorben,
Gehe 100 Meter weiter, zur Schwestermarke,
Zur Firma „rot/weiß“,
Der „größte der Stadt“, ein Ultra-Ding,
Auch Baustelle, Regale halbiert, alles tot
Ein Ding konnte ich mir anschauen,
Macht aber ohne zweites Ding keinen Sinn,
Vom dritten Ding gab‘s viele Varianten,
Aber alle waren eingeschweißt,
Zucke die Schultern, laufe zurück,
Bestelle zu Hause online.
Tut mir leid.

Na, immerhin war ich unter Menschen und habe ein paar Tausend Schritte gesammelt 😉

Lieber Einzelhandel,
So wird das nix. Natürlich musst du irgendwann mal umbauen, aber hättet ihr das nicht in der umsatzschwachen Zeit nach Neujahr machen können? Da wo eh alle zu Hause hockten? Und wenn du meinst, du kannst einfach mit den Konzepten der 70-er, 80-er, 90er-er und dem Besten von Heute weitermachen, dann hast du dich getäuscht. So wirst du den Bach runtergehen. 

Schade drum.

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232) Lieferdienste

Vor ein paar Wochen, kam etwas Leben in ein leerstehendes Ladengeschäft hier um die Ecke. Aber die Vorfreude währte nur kurz und kühlte schnell wieder ab.

Es lief ungefähr so:

1. Auf einmal war da Licht, Menschen wuselten dort im Erdgeschoss umher.
„Oh, vielleicht ein nettes Restaurant? Das wäre aber nett.“

2. Bald wurden aber die Scheiben mit Milchglasfolie beklebt
„Och nee, nicht noch ein Coaching-Laden oder Bodyshaping-Studio!“

3. Dann wurden Regalsysteme und Lebensmittel hineingetragen.
„Etwa noch ein Späti? Haben wir davon nicht genug?“

4. Und dann zig Fahrräder vor den Laden gestellt
„Ein weiterer Fahrrad-Laden vielleicht? Denkste!“

Nun warten da jeden Tag „Menschen mit internationalem Background“ auf einen Stücklohn, weil es anscheinend genug Mitbürger hier im Kiez gibt, die nicht mehr in der Lage sind, selber ein Stück Butter zu organisieren.

Denn das kann man ja nun easy zusammenklicken, ganz modern und hipp. Alles per App. Von der Couch aus. Und dann kommen Shiva aus Indien oder Djamal aus Syrien und bringen den Bio-Käse bis an die Tür. Mit einem Fahrrad. Elektrisch natürlich. Weil Zeitgeist. 

Was für ein Blödsinn! Nicht falsch verstehen, mir geht es nicht um Shiva und Djamal, die ja nur versuchen, ein paar prekäre Euros zu verdienen. Es geht mir um künstlich erzeugten Verkehr, den es früher nie gab. Es geht mir um unnötige Akkus und schlecht bezahlte Jobs, nur weil ein Teil der Menschheit nicht willens oder fähig ist, seine blöden Einkäufe auf die Rille zu kriegen.

Es ist ja nicht so, als würden die Jungs irgendwelche seltenen Spezialitäten oder warme Gerichte liefern und als gäbe es hier nicht genug Supermärkte um die Ecke, die von 07:00 bis 22:00 offen haben. Nein. 

Aber ich versuche auch in diesem Trend etwas Positives zu finden:

  • Wenn alles nur „on demand“ bestellt, wird vielleicht weniger in Kühlschränken gebunkert, letztlich also weniger weggeschmissen?
  • Und wenn mehrmals am Tag geliefert wird, kann man doch eigentlich den Kühlschrank gleich abbauen, Strom sparen und die Fläche als Stehbett untervermieten? Kaffee-Maschine und Teekocher könnte man gleich mit entsorgen, das aufgeschäumte Heißgetränk lässt sich auch bestellen. Achtmal am Tag.
  • Und wenn dann der Gürtel eng wird, fordert die Schritte-App Bewegung und man lässt sich vom Digital Coach ein persönliches Workout für‘s Wohnzimmer erstellen. Damit man dabei nicht ganz so allein ist, kann man auch die Kamera freigeben und andere „User“ mit gleicher „Passion“ online „meeten“ und seine Experience „sharen“.

Kopf schüttel …

Geht mal wieder vor die Tür!